Zwischen zwei Leben
Guido Westerwelle
mit Dominik Wichmann
Btb, 2016
978-3442715022
10,00 €
Von einem Tag auf den anderen ändert sich für den ehemaligen Außenminister der Bundesrepublik Deutschland das ganze Leben. Wenige Monate nach dem Ende seiner Amtszeit erfährt Guido Westerwelle, dass er lebensgefährlich an akuter myeloischer Leukämie erkrankt ist.
Sein Buch handelt vom Schock und der Ungewissheit nach der erschütternden Diagnose. Von seiner Erschöpfung während der Behandlung und den Momenten der Todesangst in einem Kölner Krankenhaus. Das Buch erzählt aber auch die Geschichte eines Mannes, der Unterstützung und Solidarität in einem Ausmaß erhielt, das ihn selbst überraschte: von engen Freunden und politischen Weggefährten, von prominenten Zeitgenossen bis hin zu Passanten auf der Straße.
Vor allem aber will Guido Westerwelle Kraft und Zuversicht vermitteln: Niemand von uns ist vor Schicksalsschlägen gefeit. Aber wir können dagegen kämpfen, solange wir an uns selbst glauben und die Hoffnung nicht aufgeben.
Der Guido und ich haben eine lange Geschichte. Es begann mit meiner Wahlkarriere, seinen Worten und meiner Eigenart seine Arbeit zu verfolgen, wenn ich die Muse dazu hatte. Seine Begegnung mit den Demonstranten auf dem Maidan habe ich gesehen, sowie seine letzten Bilder und schlussendlich seine Beerdigung. Er prägte erst die FDP und so manches Wahlverhalten und später unsere Bundesrepublik als Außenminister. Nicht jede Entscheidung, die er traf, kann für alle die richtige gewesen sein. Sein Buch aber, das mich tief berührt hat, ist eine Entscheidung für das Leben und macht einen Menschen sichtbar, den wir nicht kennen.
Zwei Leben – das bedeutet ein Leben vor der Diagnose und ein Leben nach der Diagnose. Jetzt könnte wir denken, dass Herr Westerwelle am Anfang eine eigene Lobeshymne singt. Tatsächlich erzählt er Dinge, die ihn näher an den Leser heranbringen. Wie hat er seinen Mann, Michael, kennengelernt? Wie hat er zu seinem Outing gestanden? Wie war es Außenminister zu sein und manchmal falsche Dinge zu tun? Er redet sehr abgeklärt über Dinge, die ihm passiert sind. Gegenwind in der Politik ist keine Seltenheit und oft hat er überreagiert, die falschen Worte gefunden und Kritik geerntet. Erst viel später konnte er damit Leben und zu seinen Fehlern stehen – er wird ein anderer. Nicht nur, weil er krank wurde, sondern älter, weiser und nachsichtiger mit sich selbst.
Die Diagnose ist natürlich ein Schock für ihn und seine Umwelt. Aber schnell wird klar, dass er Vertrauen aufbauen muss. Zu seinem Körper und seinen Ärzten, die ihn auffangen werden. Diese Arbeit passiert in Deutschland jeden Tag – vielleicht sogar jetzt. Aus den Worten Westerwelles kann jeder den Respekt für diese schwere Arbeit herauslesen und das nicht nur, weil er ein bekannter Politiker war. Er wollte während seiner Krankheit keine Medien, er wollte seine Ruhe für die Genesung. Er spricht leise und respektvoll von „seiner“ Station mit all den anderen Patienten. Natürlich wird auch deutlich, dass er es besser hat. Wer kann während der Krankheit einen Opernstar treffen oder mit Angela Merkel telefonieren? Diese Unterschiede wird es immer geben – trotzdem hat er versucht so normal wie möglich behandelt zu werden.
Während ich lese, dass es ihm immer schlechter geht, werden seine Worte immer friedvoller. Er beginnt mit sich im reinen zu sein, hortet Kraft und zeigt damit auf, dass eine Krankheit eine Chance sein kann und zugleich eine sehr große, schwere Aufgabe. Guido Westerwelle hat den Kampf verloren, aber dazwischen noch viel Zeit mit Michael und seinem Leben gewonnen. Seine Verwandten und Freunde werden ihn heute noch vermissen, aber in diesem Buch gibt es einen schönen Einblick auf den Menschen hinter dem Außenminister und sie können stolz sein, ihn gekannt zu haben.
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