Zwischen zu extrem und nicht extrem genug…


Als Veganer wird man in unserer Gesellschaft oft als extrem angesehen. Sei es die Ernährungsweise, da man auf Tierprodukte verzichtet. Oder sei es der Gedanke, dass man sehr willensstark sein muss und vegan zu leben in den Augen mancher mit dem Begriff Verzicht verbunden ist. Oder das Vertreten einer anderen Meinung, dass wir unseren Tierproduktekonsum überdenken sollten. Denn manch einer kann sich dadurch angegriffen fühlen, dass er oder sie ein schlechter Mensch sei, weil er nun einmal Tierprodukte isst und damit lediglich Essen verbindet, während der andere die Kausalitätskette dahinter sieht.

Auf der anderen Seite, zumindest so meine Erfahrung, ist vegan zu leben in den Augen mancher nicht extrem genug. Denn es gibt ja noch viele weitere Aspekte, die es zu beachten gilt. Denn was wir essen, ob Tierprodukte oder nicht, ist ja nicht das einzige Problem auf unserem Planeten. Im Vergleich zu so manch anderen Problemen erscheint sich für Tierschutz einzusetzen dann mitunter unwichtig. Denn es gibt auch sehr viele Menschen, die leiden müssen. Und sollten wir uns nicht erst um die Probleme uns Menschen betreffend kümmern, bevor wir an Tierschutz denken?

Weiter macht man sich erfahrungsgemäß gerade durch die Entscheidung vegan zu leben Gedanken über weitere Missstände. Seien es faire Arbeitsbedingungen in Sachen Kleidung den Menschen betreffend, Palmöl (denn dafür wird ja auch Regenwald abgerodet), Müllvermeidung, Ressourcenverschwendung und überhaupt Nachhaltigkeit usw. Denn man sieht ja, dass es auch andere Baustellen gibt. Nicht nur eben das Weglassen von Tierprodukten. Das ist bei vielen meist nur der Anfang. Denn so ändert sich auch für viele im Laufe der Zeit die Sicht auf die Dinge, die sie umgeben.

Egal mit welchen Menschen man zusammen ist, man wird es nie allen recht machen können. Irgendjemand wird immer Kritik üben oder sich in einem Negativbild bestätigt sehen, einem vielleicht gewisse negative Charakteristika zuschreiben usw. Ob diese nun der tatsächlichen Realität entsprechen oder nicht.
Da spielt es dann manchmal noch nicht einmal eine Rolle wie sachlich man sich ausdrückt oder wie geduldig man sich zeigt, während der andere emotional handelt. Es hat auch viel mit der eigenen Sichtweise auf die Dinge zu tun. Mit der eigenen Wahrheit sozusagen. Wenn ich Vorurteile habe, dann werde ich diese wohl eher in Kleinigkeiten bestätigt sehen, als wie wenn ich einer Thematik mit einer offenen Haltung begegne. (Ganz egal um welche Thematik es sich handelt.)

In unserer Gesellschaft gilt vegan zu leben als extrem, da es nun einmal nicht der Norm entspricht. In den Augen vieler Veganer aber ist gerade diese Normalität das wahre Extrem. Denn man sieht was sich hinter der Herstellung von Tierprodukten verbirgt (wie Tiere gehalten werden, dass für Eier männliche Küken am Tag ihrer Geburt getötet werden zum Beispiel usw.) Etwas, das der andere, welcher der gängigen Normalität anhaftet auf den ersten Blick vielleicht nicht sieht. Entweder, weil er es nicht weiß, oder weil er es nicht so verinnerlicht hat wie der Veganer.
Insofern betrachten beide Menschen dieselbe Realität, die sie umgibt – das was wir essen – aus zwei verschiedenen Perspektiven. So wirkt das was für den einen extrem ist, für den anderen wieder normal und umgekehrt.

Was wir als extrem ansehen hat auch viel mit unserer eigenen Denk- und Sichtweise auf die Dinge zu tun, wie ich finde. Wirklich verstehen heißt hierbei oftmals die Perspektive des anderen einzunehmen und es aus dessen Sichtweise zu betrachten, statt nur aus der eigenen.

Wenn es nach der Ansicht mancher geht, dann dürfte man als Veganer kein Auto mehr fahren. Man dürfte keine öffentlichen Verkehrsmittel nutzen usw. Denn überall sind ja Tierprodukte mit verarbeitet.
An anderer Stelle ist man nicht vegan genug, wenn man vielleicht mal absichtlich etwas mit Honigüberzug gegessen hat. Denn das ist ja ein Tierprodukt und man ist kein Veganer mehr.

Früher dachte ich auch immer vegan zu leben sei, angesichts dessen wie Tierprodukte hergestellt werden und was nun einmal dahinter steckt, die einzig logische Konsequenz. Das war etwas, das ich für mich selbst entschieden hatte.  Trotzdem kann ich einem anderen nicht vorschreiben, wie dieser sich ernähren soll. Alles was ich tun kann, sind Denkanstöße liefern, vielleicht durch Vorleben und das Kochen veganer Gerichte zeigen, dass es auch anders geht. Und vielleicht fühlt sich dadurch ja jemand inspiriert es mal mit der veganen Küche zu probieren oder seinen Tierproduktekonsum zu überdenken.

Gerade deshalb sehe ich vegan zu leben nicht mehr so strikt wie früher. Denn, egal was andere über uns denken, welche Kritik sie ausüben, ob sie meinen man sei zu extrem oder nicht extrem genug, man kann nur das leisten, was sich für einen selbst richtig und gut anfühlt.

Ich lebe nicht mehr zu hundert Prozent vegan. (Vielleicht ändert sich das ja irgendwann wieder, wer weiß. Alles ist möglich, denn man entwickelt sich ja auch immer weiter. Doch das ist eben mein derzeitiger Weg.) Früher sah ich das ganz anders. Nie und nimmer hätte ich Ausnahmen gemacht. Nicht einmal im Urlaub oder bei Freunden oder Bekannten, wenn diese mir etwas Süßes anboten und mich fragten ob ich nicht mal eine Ausnahme machen könnte.

Die vegane Idee ist aus meiner Sicht eine gute Sache. Nicht umsonst heißt es vegan zu leben steht für Tiere, Menschen, Umwelt, Gewaltlosigkeit und Mitgefühl. Alles an und für sich gute Werte, die wohl die meisten ebenfalls als positiv bewerten würden.
Was es im Endeffekt dann jedoch manchmal negativ macht, ist das was wir selbst daraus machen. Durch unsere Erwartungshaltung gegenüber anderen, Vorurteile, voreingenommene Meinungen, aggressive Kommunikation mit einander usw.
Insofern sehe ich es so, dass es nicht eine Lebensweise ist, die möglichst wenig Leid verursachen möchte und die eigentlich für Friedfertigkeit und Mitgefühl steht, die das Problem ist, sondern unser Umgang damit.

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