Zwischen Spaltung und Symbiose

Von Stefan Sasse
Die innenpolitische Entwicklung in BRD und USA könnte gerade unterschiedlicher nicht sein. Auf der einen Seite haben zwei Parteien einen tiefen, schier unüberwindbaren Graben aufgerissen und betrachten die Anhänger der Gegenseite als parasitäre Feinde, die eigentlich gar nicht wirklich zum Land gehören, während auf der anderen Seite die Parteien so dicht aneinander herangerückt sind, dass man nur noch als gelerntes Fakt weiß, wer eigentlich Opposition und wer Regierung ist. Wären nicht die üblichen ritualhaften Phrasen, mit denen an den Vorschlägen der Regierung herumgemäkelt wird, hätte man es schwer, aus den Statements deutscher Parteien herauszulesen, worin sie sich eigentlich wirklich unterscheiden. Als gesund können beide Entwicklungen nicht angesehen werden. In den USA lähmt die tiefgreifende Spaltung das ganze Land auf eine Weise, wie es seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen wurde. Die Amerikaner kennen politische Lähmungen, sie sind nichts Neues und als gewollte Möglichkeit im System angelegt; es gibt dutzendweise Regeln, die eine Blockade ermöglichen, wenn man sie nur will (wie in Deutschland übrigens auch). Der Graben geht aber längst nicht mehr nur durch den Kongress; er hat die gesamte Gesellschaft erfasst. Dass die grundsätzliche Legitimität der anderen Meinung in Zweifel gezogen wird ist neu. Üblich ist es, dass man sich über den Weg streitet, aber nicht anderen abspricht, ihn überhaupt gehen zu können. Üblich ist es, dass man einen Weg für besser hält als den anderen, aber nicht, dass man einen als vollständig abartig und ungehbar darstellt. In Deutschland dagegen stellt sich längst die Frage, wer eigentlich ein wählbares Gegenkonzept zur herrschenden Politik aufstellen soll. 
Frank Lübberding hat den neusten Patzer Mitt Romneys (der erst jetzt bekannt wurde, aber bereits im Mai stattfand), in dem er sich für 47% der Amerikaner als nicht zuständig erklärte, weil diese nur dem Staat auf der Tasche liegen würden, in scharfen Worten als Verfassungsbruch verurteilt. Seine Analyse ist durchaus richtig; ob sie allerdings von der republikanischen Anhängerschaft geteilt wird, darf bezweifelt werden. Romney spricht zwar keine Mehrheitsmeinung aus, aber seine Vorstellung davon, wer in den USA überhaupt noch das Recht auf Politik hat wird von einer großen Minderheit geteilt. Arbeitslose, die ja alle an ihrem Schicksal selbst Schuld sind, Schwarze und Latinos, Homosexuelle, die liberale Intelligenzia - sie alle dürfen dieser Meinung nach nicht in Anspruch nehmen, überhaupt Amerikaner zu sein. 47% des Landes werden einfach beiseite gewischt und untergepflügt. Hierzulande impliziert man gerne den Vaterlandsverrat der Kommunisten, aber eine Spaltung diesen Ausmaßes ist in Deutschland überhaupt nicht vorstellbar und war zuletzt in den 1960er und 1970er Jahren zu beobachten. 
Ein Land in einer solch tiefen Spaltung ist nicht gesund. Wo Menschen mit gleicher Staatsbürgerschaft sich schon nicht mehr als Gegner, Rivalen oder Konkurrenten betrachten, die miteinander um den besten Weg wetteifern, sondern als Feinde, die ihre Gegner mit allen Mitteln bezwingen und den totalen Sieg anstreben müssen kann nichts mehr gemeinsam wachsen. Normale Gepflogenheiten amerikanischer Höflichkeit in der politischen Sphäre sind es etwa, Respekt vor dem Amt und den Toten zu haben (worüber man streiten kann, gewiss). Die Reaktion Romneys und seiner Berater auf die Toten in Libyen lässt selbst konservative Kommentatoren wie Mark McKinnon sprachlos zurück. Der Auftrag der amerikanischen Politik rührt noch aus ihrer Gründerzeit her und lautet "to form a more perfect union". Von einer Union entfernt sich das Land derzeit immer mehr. Es geht nur noch darum, die eigene Position zu sichern. Wenn der unterlegenen knappen Hälfte aber jede Legitimität abgesprochen wird, gerät die Union nur noch zu einem Schlachtfeld der Ideen statt einer Wettkampfarena. Und schon immer waren Wettkämpfe weniger blutig als Schlachten. 
In Deutschland indessen bricht sich ein neuer Patriotismus Bahn, zumindest wenn Wolfgang Michal Recht behält. Der Gegner befindet sich in Deutschland nicht mehr auf der Oppositionsbank, sondern in der EZB-Zentrale, wo eine Verschwörung finsterer Südländer antritt, um das hart verdiente Geld zum Fenster hinauszuwerfen und la vida loca zu leben. Man fühlt sich tatsächlich unangenehm an die Idee des Burgfriedens erinnert, und tatsächlich spielt die CDU versuchsweise gerne auf der Klaviatur der "deutschen Interessen", die es zu wahren gelte. "Deutsche Interessen" aber sind verabsolutiert, sie existieren einfach. Wenn sie zum Maßstab für Politik werden, dann gibt wird der Streit um den richtigen Weg entweder ähnlich aufgeladen wie in den USA - in einen "deutschen" und einen "undeutschen" Weg also - oder aber es versucht überhaupt niemand mehr, eine Alternative zu entwickeln, um gar nicht erst als undeutsch zu erscheinen. Diese Gefahr besteht in Deutschland. Von Seiten der Union ist das ein cleveres Manöver, sie wusste sich schon immer als die "deutsche" Partei zu inszenieren. Und wie bereits im ersten Burgfrieden läuft die SPD wieder in dieselbe Falle, Seite an Seite mit den Grünen und den Piraten.

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