... manche sitzen auch in der Vorstandsetage." Der Grund: Viele Eigenschaften, die einen Psychopathen auszeichnen, sind für eine Managementkarriere ebenfalls von Vorteil.
Na - kommt Ihnen das bekannt vor? Bild pixabay
Psychopathen sind erfolgsgierig, egoistisch und skrupellos - Eigenschaften, die auch bei einer Konzernkarriere nützlich sind. Wie sie sich im Job verhalten - und wie Betroffene mit ihnen umgehen sollten.
Beim Stichwort "Psychopath" werden manche an die Schauspiel-Legende Klaus Kinski denken, berühmt und berüchtigt für seine Wutausbrüche. Anderen kommt der "Joker" aus der "Batman"-Reihe in den Sinn, der mit seinem unheilvollen Grinsen die Zuschauer frösteln lässt. Doch meist muss es gar nicht so spektakulär sein – Psychopathen begegnen uns im Alltag öfter als wir glauben.
Viele Forscher sind inzwischen davon überzeugt, dass der Prozentsatz ebenjener Verhaltensauffälliger auf der Chefetage wesentlich höher ist als in der normalen Bevölkerung – und längst nicht jeder Verrückte ist ein brutaler Massenmörder.
Doch was genau macht einen Menschen zum Psychopathen? Der kanadische Psychiater Robert Hare, emeritierter Professor der Universität von British Columbia, hat seine Karriere der Erforschung des Wahnsinns gewidmet. Für ihn handelt es dabei um "Menschen, die schwer gestört sind und fortwährend gesellschaftliche Regeln verletzen". Außerdem falle es ihnen schwer, Emotionen wie Mitgefühl oder Reue zu empfinden. Ihre Ziele erreichten sie oft durch Manipulation. Zugegeben: Wer die Kriterien erfüllt, ist nicht automatisch ein Psychopath – aber viele Psychopathen erfüllen die Kriterien.
Für eine Studie untersuchte Hare mit seinem Kollegen Paul Babiak 203 Führungskräfte aus sieben amerikanischen Konzernen. Jeder durchlief Hares "Checkliste zur Psychopathie". Dazu befragen Experten eine Person stundenlang und vergeben Punkte in 20 Kategorien. Wer mehr als 25 erreicht, gilt als gefährdet. Bei 30 ist die Schwelle zur Psychopathie erreicht.
Die Stichprobe der Personalverantwortlichen verglichen Hare und Babiak mit einer Bevölkerungsumfrage. Und siehe da: Die Manager erreichten im Schnitt nicht nur wesentlich höhere Punktzahlen. Immerhin neun Führungskräfte hatten mehr als 25 Punkte, davon acht mehr als 30. Im Bevölkerungssample diagnostizierten die Forscher nur etwa einem Prozent potenzielles Psychopathentum. Bei den Personalverantwortlichen waren es knapp sechs Prozent.
Noch verblüffter waren die Forscher jedoch, als sie die Leistungsbewertungen der Führungskräfte analysierten. Die neun Verhaltensauffälligen galten als hervorragende Kommunikatoren, raffinierte Strategen und kreative Innovatoren.
Manipulativ? Wenig Mitgefühl? Das klingt nach Ihrem Chef? Kein Zufall. Im Schnitt hat jede zehnte Führungskraft in deutschen Unternehmen psychopathische Eigenschaften. Das schätzt zumindest Gerhard Roth von der Universität Bremen.
Lange Zeit glaubten die Menschen, Psychopathen seien meist kriminell. Im Durchschnitt stimmt das weiterhin. Bis zu 25 Prozent aller Strafgefangenen sind psychisch auffällig, Schätzungen zufolge hat der durchschnittliche Psychopath bis zu seinem 40. Lebensjahr vier gewalttätige Verbrechen begangen.
Doch wahr ist eben auch: "'Längst nicht alle Psychopathen sitzen im Gefängnis", sagt Experte Robert Hare, "manche sitzen auch in der Vorstandsetage." Der Grund: Viele Eigenschaften, die einen Psychopathen auszeichnen, sind für eine Managementkarriere ebenfalls von Vorteil.
Hare ist davon überzeugt, dass Menschen mit psychopathischen Merkmalen ihre Kollegen durchschauen. Schwächen der anderen nutzen sie dabei oft zu ihrem eigenen Vorteil und erkennen schnell, welche Entscheidungen sie zum Ziel führen. Doch hier beginnt das Problem: Denn auf ihrem Weg an die Spitze der Karriereleiter übernehmen Psychopathen kaum Verantwortung.
Gleichwohl sind Menschen mit psychopathischen Neigungen oft enorm raffiniert und intelligent, sodass sie ihre Mitmenschen rhetorisch um den Finger wickeln: "Fett schwimmt immer oben", sagt auch der US-Forscher Paul Babiak. Sein Kollege Hare hält es für "enorm wahrscheinlich", dass jeder von uns früher oder später Kontakt mit einem Psychopathen hat. Und darauf sollten Angestellte vorbereitet sein. Je früher, desto besser.
Wohlgemerkt: Nur weil der Chef unangenehm und aufbrausend ist, ist er noch kein Psychopath. Diese Diagnose können ohnehin nur Psychiater stellen. Doch auch Küchenpsychologen leuchtet ein, dass zwischen Genie und Wahnsinn wie immer eine äußerst schmale Grenze verläuft.
Wichtig ist, dass Psychopathen als solche erkannt werden, damit sie dem Unternehmen nicht schaden. Psychopathen weisen nach Meinung von Robert Hare bestimmte Merkmale auf, die sie in jedem Unternehmen früher oder später enttarnen. Sie sind unfähig zur Teamarbeit, arrogant und unbescheiden, suchen stets einen Sündenbock für eigene Fehler, haben einen Hang zur Aggressivität und sind unberechenbar.
Einmal erkannt, heißt es dann: richtig handeln und die Handlungsspielräume des Psychopathen einschränken. Einfacher gesagt als getan: "Aus der Sicht eines Psychopathen sind wir es, die eine Fehlfunktion haben", sagt Hare. "Emotionen machen uns angreifbar." Daher sei es oft schwierig, auf Psychopathen zu reagieren und mit ihnen umzugehen.
Keith Kent, amerikanischer Psychologe und Schüler von Hare, hat einen kurzen Tipp: "Aus dem Weg gehen." Oft ist es damit jedoch nicht getan - und ihn ändern zu wollen, ist ebenso sinnlos. Denn Psychopathen ertragen kaum Kritik und werden aggressiv, sobald sie angegriffen werden.
Dennoch ist es manchmal gar nicht so schlecht, leichte Züge von Psychopathie in sich zu tragen. "Psychopathen bleiben cool, wenn sie unter Druck stehen. Sie sind furchtlos, charmant und gewissenlos", sagt Kevin Dutton. "Es gibt Situationen im Leben, wo das ein oder andere Merkmal durchaus nützlich sein kann."
Quelle Wirtschaftwoche
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