Kleines Theater Landshut
Premiere im Kleinen Theater Landshut. Die Besucher tummeln sich gespannt und mit Vorfreude im Foyer des wunderschönen, historischen Gebäudes im Herzen der Stadt. Plötzlich marschieren vier Musiker mit Barockperücken und -gewändern herein und stimmen mit historischen Instrumenten einen Song des bayrischen Liedermachers Hans Söllner an. Dann gehen sie die Treppe hinauf in den Theatersaal, der sich auf dem Dachboden des alten Stadels befindet, gefolgt vom Publikum.
Das Bühnenbild passt dann plötzlich so gar nicht zu den Musikern. Man sieht eine unordentliche Werkstatt mit Autoteilen und Werkbank. Begleitet wird der Einlass von zarten Tönen einer Gambe, die anderen Musiker schweigen und rauchen, während der Hauptdarsteller auf einem ausrangierten Autositz döst. Man wird sofort in die nachdenkliche Atmosphäre des Stücks hineingezogen.
Die Inszenierung Peter Pichlers basiert auf dem gleichnamigen Buch und diversen Songs vom bayrischen Urgestein Hans Söllner. Söllner unterscheidet sich von den üblichen Liedermachern, seine Texte sind absolut ehrlich, im höchsten Maße gesellschaftskritisch und nehmen kein Blatt vor den Mund. Die einen finden gerade das genial, anderen ist er ein Dorn im Auge. Sein erstes Buch „Bloß a gschicht“, das er 2004 veröffentlichte, erzählt in Ich-Perspektive zum Teil das Leben des Autors zum Teil die utopische Vorstellung davon, wie seine Welt sein sollte: Nach einem Unfall unterzeichnet der Erzähler einen Vertrag mit Gott, in dem er verspricht, die Welt so zu hinterlassen, dass seine Nachkommen darin leben können. Er steckt mit dieser Entscheidung seine Gemeinde Marzoll an, die sämtliche Steuerschulden beim Staat bezahlt und von nun an völlig abgeschottet und autonom lebt. Doch die Idylle funktioniert nicht, da die Bewohner durch ihren anderen Lebensstil immer wieder zur Zielscheibe der Außenwelt werden.
Die Hauptfigur der Inszenierung, Automechaniker Hans, haust in einer Autowerkstatt und erzählt in tiefstem Bayrisch seine Geschichte, von der Geburt über das Leben in Marzoll bis zum Tod. Gespielt wird Hans von Stefan Zinner, der eine Idealbesetzung für dieses Stück ist. Er spricht nicht nur Bayrisch, er lebt es und kann alle Facetten der Figur – von Wut bis Trauer – absolut natürlich darstellen. Auch seine Gesangsstimme ist kraftvoll, rockig und emotional. Ihm zur Seite steht Ursula Berlinghof als hochdeutscher „Sidekick“. Da der ursprüngliche Monolog als Dialog konzipiert ist, verkörpert sie alle Figuren, mit denen Hans zu tun bekommt: Den Bruder, der am Verhalten seiner Familie kaputt geht oder eine Richterin, die Hans für seinen Marihuana-Anbau verurteilt und seine Lebenseinstellung und oft auch seine Sprache nicht verstehen kann. Das Spiel der beiden wird jedoch immer wieder unterbrochen von scheinbar privaten Gesprächen, Ansprechen des Publikums oder auch sicherlich unfreiwilligen Pannen wie einem streikenden Mikro, das aber so geschickt überspielt wurde, dass es den Spielfluss nicht im Geringsten störte. Es wird immer streng getrennt, ob man nun mit den Zuschauern oder nur miteinander kommuniziert.
Daneben die Musiker, die die moderne Musik mit barocken Instrumenten und Kostümen spielen. Sie verkörpern in dieser Inszenierung auch die Gesellschaft, die ebenso wie die Nebenfigur die Ideale von Hans nicht verstehen. Außerdem verdeutlichen sie durch ihre Kostüme, dass das Stück eben als Kammeroper konzipiert ist, die ja bekanntlich im Barock entstand.
Die bayrische Sprache hat hier nichts mit Volkstheater zu tun. Die Figur erklärt: „Mei sprache und mei dialekt hob i zu meine waffn gmacht“. Es ist mehr als ein Dialekt, es ist eine Lebenseinstellung und das, was Hans ausmacht. Und die Worte – aus dem Buch und den Liedtexten – sind oft wirkungsvoller, als es körperliche Gewalt sein könnte. Es werden Themen angesprochen, die sonst sehr sehr selten in die Öffentlichkeit geraten. Harte Kritik an Staat, Politik und Gesellschaft. Dies ist mehr als Satire, es ist die ehrliche Meinung des Autors. Auf der Bühne gibt es auch keine Gewalt zu sehen, lediglich das Autodach auf der Bühne wird des Öfteren das Opfer von Wutausbrüchen der Hauptfigur.
Ob man nun Söllners Ansichten teilt oder nicht, die Inszenierung ist auf jeden Fall mehr als sehenswert. Eine tolle Story, ein hervorragendes Schauspieler-Duo und fetzige Musik. Eine moderne Kammeroper eben.
Weitere Vorstellungen gibt es am 20. Januar sowie am 7. und 8. Februar.
Karten gibt’s hier