Bei der Wahl des neuen ENSI-Rats war die Unabhängigkeit der Mitglieder eines der wichtigsten Kriterien. Einer der Gewählten erhält in der Schweiz eine zweite Chance, dies zu beweisen.
Der Bundesrat hat gewählt, die neuen Mitglieder des ENSI-Rats sind bekannt. Nach dem unfreiwilligen Abgang von Präsident Peter Hufschmied im Sommer (er hatte als Unternehmer Aufträge der Mühleberg-Betreiberin BKW angenommen) und dem unfreiwillig-freiwilligen Abgang von ETH-Professor Horst-Michael Prasser im Oktober war der Weg frei für ein wirklich unabhängiges Aufsichtsorgan für das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorats (ENSI).
Neben den vier Bisherigen sitzen laut Medienmitteilung neu im ENSI-Rat: EPFL-Professor Jacques Giovanola, der ehemalige Leiter der Atomaufsicht des Bundeslandes Baden-Württemberg, Oskar Grözinger, und der frühere BFE-Vizedirektor und Jurist Werner Bühlmann.
Das stimmt erst einmal recht zuversichtlich. Ein Professor mit einem ansehnlichen Palmares, ein ehemaliger Atomaufseher und ein verwaltungserprobter Jurist als Neumitglieder können durchaus helfen, den ramponierten Ruf des ENSI-Rats aufzupolieren.
Es gibt – leider – ein kleines Aber, was Oskar Grözinger betrifft. Der Vorbehalt findet sich in einem Beitrag der Sendung «Kontraste» der ARD aus dem Jahr 2010. Darin soll sich Grözinger zu möglichen Rissen im Reaktordruckbehälter des AKWs Philippsburg äussern. Die kurze Stellungnahme im Wortlaut:
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Oskar Grözinger: «Während des Betriebs wird der Behälter regelmässig alle paar Jahre überprüft und zwar nach den jeweils neuesten geltenden Prüfstandards.»
KONTRASTE: «Dort, wo ich nicht hinkomme, kann ich nicht prüfen.»
Grözinger lächelt verlegen, bis ihn eine Stimme aus dem Off erlöst: «Cut… wir haben gesagt: Keine Nachfragen!»
Grözinger steht auf und bricht das Interview ab.
Die Stimme, das enthüllt das «Kontraste»-Magazin im Beitrag, gehört einem PR-Menschen vom TÜV Süd, der im Auftrag der baden-württembergischen Atomaufsicht die AKWs prüft. Und im Verein, der zwei Drittel der Aktiven des TÜV Süd hält, sitzen ausgerechnet die AKW-Betreiber Eon, Vattenfall und EnBW.
Da hat also mindestens ein neues Mitglied des ENSI-Rats mit seiner Wahl eine zweite Chance erhalten seine Unabhängigkeit zu beweisen.
Den «Kontraste»-Beitrag gibt es hier: