Zweimal pro Monat genügt mir

Von Stefaneigenmann

„Wem gehört das Problem?“, fragte ich die Frau, nachdem sie mir von ihrer Sexualität mit ihrem Mann erzählt hatte. „Eigentlich leidet mein Mann wegen mir, und er findet, mit mir stimme etwas nicht.“ Ob sie seine Meinung teile, fragte ich sie neugierig. „Nein“, antwortete sie bestimmt, „zwei- bis dreimal Sex pro Monat genügt mir. Damit bin ich erfüllt, mehr Lust verspüre ich nicht.“ Sie fand, das sei in Ordnung, zumal er sie damals so kennengelernt hätte. „Wie oft will er denn mit Ihnen schlafen?“, fragte ich nach. „Zwei- bis dreimal pro Woche“, antwortete sie. Dann ergänzte sie noch: „Sie glauben gar nicht, wie sehr ich mir Mühe gebe, ihn möglichst sanft zurückzuweisen, aber er kann selbst damit nur schlecht umgehen. Er fühlt sich stets sehr gekränkt.“ Für ihren Mann sei häufiger Sex etwas sehr Wichtiges, fast schon von existentieller Bedeutung, meinte sie noch, und er wolle sich nicht damit abfinden, nur alle paar Wochen mit ihr zu schlafen.

„Heisst das, dass Sie sich permanent unter Druck fühlen?“, wollte ich von ihr wissen. „Ja“, antwortete sie mit fester Stimme, „und da ist noch so ein Gefühl in mir, als ob ich ihm nicht genügte. Sogar meine Freundinnen finden, ich solle etwas unternehmen, um mehr Lust auf Sex zu bekommen.“ Im Grossen und Ganzen pflegten sie einen liebevollen Umgang miteinander, meinte sie noch. „Da ist viel Wertschätzung füreinander und wir haben es oft leicht im Alltag, trotz gelegentlicher Auseinandersetzungen, und trotz unterschiedlicher sexueller Bedürfnisse.“ Ich versuchte, ihre Schilderungen zusammenzufassen: „Wenn ich Sie richtig verstehe, dann möchten Sie persönlich in Ihrer Sexualität nichts ändern. Sie möchten zwar den Druck weg haben, und Ihr Mann mehr Sex. Und Sie möchten das Gefühl, nicht zu genügen, loswerden, und Ihr Mann hat die Kränkungen satt.“ Die Frau nickte schweigend. „Einmal angenommen, Ihr Mann würde seine Position aufgeben. Worin könnte für Sie dann eine Lernaufgabe bestehen?“ Mit dieser Frage wollte ich den Fokus auf mögliche Entwicklungsschritte lenken.

„Wie meinen Sie das?“, fragte sie mich unverwandten Blickes. „Stellen Sie sich vor, Ihr Mann würde tatsächlich akzeptieren, dass Sie Sex nur zweimal pro Monat in Ihrem ‚Angebot’ haben. Und er würde nicht mehr versuchen, öfter mit Ihnen zu schlafen. Was wäre dann anders für Sie?“ Ihre Antwort kam ohne zu zögern: „Dann würde ich mich nicht mehr unter Druck fühlen.“ Was sonst noch anders wäre, hakte ich nach. „Vielleicht würde das unangenehme Gefühl, nicht zu genügen, nachlassen“, mutmasste sie. „Und wenn das alles einträte, was würde das dann für einen Unterschied ausmachen?“, wollte ich wissen. „Vielleicht könnte ich dann mein Begehren besser spüren.“

Ich glaubte ein Dilemma zu erkennen: „Entweder Ihre Lust genügt Ihnen, oder Sie genügen seiner Lust, beides scheint nicht zu gelingen. Wenn Sie sich treu bleiben und aufrichtig für Ihre Bedürfnisse einstehen, dann sind Sie gefordert, Nein zu sagen und Druckversuche zurückzuweisen. Dann können Sie aufhören, Ihren Mann mit ‚Engelszungen’ vor Kränkung schonen zu wollen. Billigen Sie ihm seine Gefühle zu. Wenn Sie ihm auf Augenhöhe begegnen, dann öffnen Sie sich für eine neue Perspektive. Sie können nicht nur Ihr Begehren besser wahrnehmen, sondern auch Ihr ‚Ja’ in der Sexualität erforschen. Ihr ‚Nein’ weisst Ihnen den Weg.“