Seit ihrer Scheidung ist Daniela zu einem überzeugten Single geworden. “Bloss keinen Mann mehr”, empfiehlt sie auch ihrer Freundin Anke, die von ihrem Freund sitzen gelassen wurde. Aber sie hat die Rechnung ohne den schönen Jannis gemacht ...
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Anke starrte in den Spiegel: Nass und strähnig hing ihr das Haar ins Gesicht, das Kostüm war schmutzig, die neuen Schuhe konnte sie wegwerfen. Sie war auf dem Heimweg vom Büro in einen Wolkenbruch geraten. Ihr Schirm klemmte, und als sie ihn endlich aufbekam, trat sie in eine Pfütze und wurde gleichzeitig von oben bis unten von einem Auto bespritzt.
All das war jedoch vergleichsweise nur ein kleines Unglück. Das grosse war vor zwei Monaten über sie hereingebrochen, als Henrik sie nach drei Jahren verlassen hatte, weil er plötzlich festgestellt hatte, dass er noch nicht reif war für eine Ehe und Kinder. Und das mit 32 Jahren!
Zu Hause versank Anke in einem heissen Schaumbad, das zwar ihren Körper, aber nicht ihre Seele wärmte. Zwanzig Minuten später trocknete sie sich mutlos ab und wickelte sich in ihren bequemsten Hausmantel. Lustlos schob sie gerade eine tiefgekühlte Pizza in den Backofen, als es klingelte. Sie lief in die Diele und betätigte den elektrischen Türöffner.
Aus dem Aufzug kam ihre Freundin Daniela: “Hast du gepackt? Übermorgen geht’s los. Zwei Wochen Mykonos!”
“Ach, du meine Güte!” stöhnte Anke. “Ich hab’ noch nichts fertig, und überhaupt kann ich eigentlich gar nicht weg.” Kläglich fügte sie hinzu: “Was ist, wenn Henrik zurückkommt?”
Daniela bugsierte ihre Freundin energisch ins Wohnzimmer: “Sei froh, dass du ihn los bist. Er sass doch nur immer wie ein Pascha vorm Fernseher und liess sich von dir bedienen. Sieh mich an! Ich bin ein überzeugter Single, und mir geht’s ausgesprochen gut!”
Daniela war geschieden und hatte sich geschworen, nie wieder auf einen Mann hereinzufallen.
“Wo sind bloss die Männer in unserem Alter, die heiraten und eine Familie gründen wollen?” klagte Anke.
“Entweder in festen Händen oder uninteressant, oder sie haben Angst vor uns”, zählte Daniela nüchtern auf. “Ist doch egal. Freu dich, dass du von jetzt an tun und lassen kannst, was du willst. Zum Beispiel mit deiner besten Freundin Urlaub in Griechenland machen! Deinen Henrik hätten doch keine zehn Pferde dorthin bekommen. Hab’ ich recht?”
“Stimmt”, musste Anke zugeben. Sie hatte Henrik nie zu einer Urlaubsreise überreden können. Sie fuhren statt dessen immer zu seinen Eltern in die Lüneburger Heide.
“Sonne, weisser Strand, blaues Meer, Tavernen”, schwärmte Daniela. “Und bloss keinen Mann!”
_ _ _
Sie lagen am Paradise-Beach und liessen sich von der Sonne bescheinen. Daniela las, während Anke sich nicht satt sehen konnte an der Schönheit der Bucht. Sie zuckte zusammen, als vor ihr zwei braungebrannte Männerbeine auftauchten. Ein Handtuch wurde schwungvoll ausgebreitet, dann liess sich langsam, so dass sein Muskelspiel voll zur Geltung kam, der schönste Mann der Insel vor ihr nieder.
Er lächelte sie an, zeigte auf seine Brust und sagte mit warmer Samtstimme: “Jannis.”
Anke war fasziniert. “Ich heisse Anke”, hörte sie sich antworten, “und das ist meine Freundin Daniela.”
Daniela sah kurz von ihrer Zeitschrift auf und zischte: “Bist du verrückt? Das ist ein Mann!”
Jannis lachte, was ihn noch unwiderstehlicher machte, und antwortete in tadellosem Deutsch: “Ihre Freundin hat recht. Ich bin ein Mann. Und gewöhnlich auch ganz froh darüber.”
“Sie verstehen Deutsch?”
“Ich habe in München studiert”, grinste er. “Darf ich Sie heute Abend beide zum Essen einladen? Mein Vetter Dimitri hat eine kleine Taverne am Hafen. Er bereitet die besten Langusten der Insel zu.”
“Ich bin nicht interessiert”, erkärte Daniela kühl, “aber du kannst natürlich tun, was du möchtest, Anke. Lass dich nicht abhalten.” Sie stand auf, ging auf langen, schlanken Beinen zum Felsen hinüber, erklomm ihn geschmeidig und stürzte sich mit einem eleganten Kopfsprung in die Fluten.
Jannis sah ihr voll Bewunderung nach. Und fragte bedauernd: “Ist Ihre schöne Freundin immer so abweisend?”
“Sie … sie hat nach ihrer unglücklichen Ehe beschlossen, sich mit keinem Mann mehr einzulassen”, entschuldigte Anke ihre Freundin.
“Wie schade!” Jannis Seufzer kam aus dem Herzen. Dann wandte er sich wieder Anke zu: “Sie haben Haare wie eine Meergöttin. Bitte, leisten Sie mir heute Abend Gesellschaft.”
“Nein”, sagte sie fest. “Ich esse mit meiner Freundin zu Abend.”
Unbeeindruckt fragte Jannis: “Und was machen Sie nach dem Essen?”
“Vielleicht gehen wir in die Disco.”
“Und danach?”
“Danach schlafen wir.” Schlafen schien ihr jedoch auf einmal die langweiligste Beschäftigung auf Erden zu sein.
“Ich werde hier am Strand auf Sie warten, Anke. Bis zum Morgen, wenn es sein muss. Es gibt nichts Schöneres, als bei Vollmond mit einer bezaubernden Frau am Meer spazieren zu gehen. Bitte, kommen Sie!”
Ihr Widerstand schmolz: “Gut, ich komme”, sagte sie, “aber erst, wenn meine Freundin schläft. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich werde auch ein paar Runden schwimmen.”
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Zwei Tage später klopfte Anke an das Hotelzimmer ihrer Freundin: “Aufstehen! Herrliche Sonne! Wir wollen doch einen Ausflug machen. Der Bus fährt in einer Stunde am Hafen ab, und wir müssen noch frühstücken!”
Daniela öffnete die Tür: “Komm rein, ich bin gleich fertig.” Ein ungewohnt weiches Lächeln umspielte ihre Lippen, ihre Augen strahlten, und als sie zum Spiegel ging, um sich zu kämmen, summte sie selbstvergessen eine griechische Melodie vor sich hin.
Anke stutzte. “Woher kennst du das Lied?”
“Hm, ja … Also, ich hab’ gestern, nachdem du ins Bett gegangen bist, einen Mondscheinspaziergang mit Jannis gemacht. Er hat mir das Lied vorgesungen”, gestand Daniela verlegen.
Anke verschluckte sich und musste husten. Daniela klopfte ihr auf den Rücken und fuhr erklärend fort: “Als ich vorgestern aus dem Wasser kam, sass er ganz allein da und hütete unseren Sonnenschirm. Er sagte traurig, dass du nicht mit ihm ausgehen wolltest, und schlug mir für den nächsten Abend einen Mondscheinspaziergang vor. Ich weiss nicht, was in mich gefahren ist. Aber plötzlich stellte ich mir das schön vor. Ich wüsste nur gern, warum er mir den Spaziergang nicht für den ersten Abend vorgeschlagen hat.”
“Weil er da mit mir spazierengegangen ist”, krächzte Anke. “Er hat mir auch das Lied vorgesungen.”
Daniela starrte sie an: “Warum hast du mir nichts davon erzählt?”
“Ich möchte dazu anmerken, dass du mir ja auch nichts von deinem eigenen Rendez-vous erzählt hast. Sag mal, hat er … ich meine, habt ihr …”
Daniela schüttelte verneinend den Kopf: “Wir haben uns nur geküsst und Händchen gehalten. Es war sehr romantisch. Und er hat mir so nette Sachen gesagt. Weisst du, ich hab mich noch nie derart als Frau gefühlt, schon gar nicht bei meinem Ex.”
Anke nickte nachdenklich “Du hast recht”, stimmte sie zu: “Ich hab auch erst bei Jannis gemerkt, wie es sein kann mit einem Mann. Dabei ist er doch ein Macho, wie er im Buche steht. Allerdings ein Macho mit ausgezeichneten Manieren, deswegen kann man ihm auch nicht böse sein.”
Sie sahen sich an und mussten auf einmal lächeln. “Ein ganz schönes Schlitzohr, was? Aber er hat es fertiggebracht, dass ich den Männern nicht mehr böse bin”, stellte Daniela fest.
“Leider ist so ein Mann völlig untauglich für die Ehe”, seufzte Anke. Sie träumte ein bisschen und fuhr dann entschlossen fort: “Heute fährt er übrigens nach Athen zurück. Wollen wir zum Hafen gehen, um ihn zu verabschieden? Damit er merkt, dass wir ihn durchschaut haben, ihm aber nicht böse sind?”
_ _ _
Anke und Daniela standen am Hafen und warteten auf Jannis. Dieser wirkte nicht die Spur verlegen, als er die beiden Freundinnen sah. Im Gegenteil. Erfreut sagte er: “Seid ihr meinetwegen gekommen? Das finde ich aber nett!”
“Wie viele sind wir denn, um dir nachzuwinken?” wollte Daniela wissen.
Er lachte: “Nur ihr zwei. Ich war ja nur zwei Tage hier. Ich hoffe, der Spaziergang hat euch gefallen. Ist meine Heimat nicht wunderschön?”
Er nahm erst Daniela, dann Anke in den Arm, wobei er viele neidische Blicke seiner Geschlechtsgenossen erntete, ehe er als Letzter an Bord ging. Die Freundinnen schwenkten ihre Taschentücher, bis das Schiff im gleissenden Licht verschwand. Dann gingen sie einträchtig untergehakt zu Dimitris Taverne und bestellten sich Langusten – zum Andenken an den schönen Jannis.
Ein Taxi hielt. Zwei gutaussehende Männer stiegen aus, entlohnten den Fahrer und sahen sich um. Alle Tische waren besetzt.
Nach kurzem Zögern gingen sie auf Anke und Daniela zu, und der Blonde fragte höflich auf Deutsch: “Entschuldigen Sie, dürfen wir uns zu Ihnen setzen?”
“Bitte sehr”, lächelte Daniela und zeigte auf die beiden freien Stühle.
“Ich heisse Martin Wilke”, stellte sich der Blonde vor, bevor er sich neben ihr niederliess.
“Und ich bin Benno Kaden”, sagte der Dunkelhaarige und sah Anke bewundernd an, ehe auch er Platz nahm.
Die beiden Männer hatten drei Jahre als Ingenieure auf den Ölfeldern von Saudi-Arabien gearbeitet und wollten Urlaub auf Mykonos machen, ehe sie endgültig in die Heimat zurückkehrten. Sie waren 33 Jahre alt - und Junggesellen.
Den Nachmittag verbrachten sie zu viert am Strand. Danach assen sie bei Dimitri zu Abend und machten später einen Spaziergang am Meer. Zwei Paar Hände fanden sich, und als der Mond hinter einer Wolke verschwand, auch zwei Paar Lippen. Es waren Küsse, die himmlisch nach Zukunft schmeckten …
ENDE
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Anke starrte in den Spiegel: Nass und strähnig hing ihr das Haar ins Gesicht, das Kostüm war schmutzig, die neuen Schuhe konnte sie wegwerfen. Sie war auf dem Heimweg vom Büro in einen Wolkenbruch geraten. Ihr Schirm klemmte, und als sie ihn endlich aufbekam, trat sie in eine Pfütze und wurde gleichzeitig von oben bis unten von einem Auto bespritzt.
All das war jedoch vergleichsweise nur ein kleines Unglück. Das grosse war vor zwei Monaten über sie hereingebrochen, als Henrik sie nach drei Jahren verlassen hatte, weil er plötzlich festgestellt hatte, dass er noch nicht reif war für eine Ehe und Kinder. Und das mit 32 Jahren!
Zu Hause versank Anke in einem heissen Schaumbad, das zwar ihren Körper, aber nicht ihre Seele wärmte. Zwanzig Minuten später trocknete sie sich mutlos ab und wickelte sich in ihren bequemsten Hausmantel. Lustlos schob sie gerade eine tiefgekühlte Pizza in den Backofen, als es klingelte. Sie lief in die Diele und betätigte den elektrischen Türöffner.
Aus dem Aufzug kam ihre Freundin Daniela: “Hast du gepackt? Übermorgen geht’s los. Zwei Wochen Mykonos!”
“Ach, du meine Güte!” stöhnte Anke. “Ich hab’ noch nichts fertig, und überhaupt kann ich eigentlich gar nicht weg.” Kläglich fügte sie hinzu: “Was ist, wenn Henrik zurückkommt?”
Daniela bugsierte ihre Freundin energisch ins Wohnzimmer: “Sei froh, dass du ihn los bist. Er sass doch nur immer wie ein Pascha vorm Fernseher und liess sich von dir bedienen. Sieh mich an! Ich bin ein überzeugter Single, und mir geht’s ausgesprochen gut!”
Daniela war geschieden und hatte sich geschworen, nie wieder auf einen Mann hereinzufallen.
“Wo sind bloss die Männer in unserem Alter, die heiraten und eine Familie gründen wollen?” klagte Anke.
“Entweder in festen Händen oder uninteressant, oder sie haben Angst vor uns”, zählte Daniela nüchtern auf. “Ist doch egal. Freu dich, dass du von jetzt an tun und lassen kannst, was du willst. Zum Beispiel mit deiner besten Freundin Urlaub in Griechenland machen! Deinen Henrik hätten doch keine zehn Pferde dorthin bekommen. Hab’ ich recht?”
“Stimmt”, musste Anke zugeben. Sie hatte Henrik nie zu einer Urlaubsreise überreden können. Sie fuhren statt dessen immer zu seinen Eltern in die Lüneburger Heide.
“Sonne, weisser Strand, blaues Meer, Tavernen”, schwärmte Daniela. “Und bloss keinen Mann!”
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Sie lagen am Paradise-Beach und liessen sich von der Sonne bescheinen. Daniela las, während Anke sich nicht satt sehen konnte an der Schönheit der Bucht. Sie zuckte zusammen, als vor ihr zwei braungebrannte Männerbeine auftauchten. Ein Handtuch wurde schwungvoll ausgebreitet, dann liess sich langsam, so dass sein Muskelspiel voll zur Geltung kam, der schönste Mann der Insel vor ihr nieder.
Er lächelte sie an, zeigte auf seine Brust und sagte mit warmer Samtstimme: “Jannis.”
Anke war fasziniert. “Ich heisse Anke”, hörte sie sich antworten, “und das ist meine Freundin Daniela.”
Daniela sah kurz von ihrer Zeitschrift auf und zischte: “Bist du verrückt? Das ist ein Mann!”
Jannis lachte, was ihn noch unwiderstehlicher machte, und antwortete in tadellosem Deutsch: “Ihre Freundin hat recht. Ich bin ein Mann. Und gewöhnlich auch ganz froh darüber.”
“Sie verstehen Deutsch?”
“Ich habe in München studiert”, grinste er. “Darf ich Sie heute Abend beide zum Essen einladen? Mein Vetter Dimitri hat eine kleine Taverne am Hafen. Er bereitet die besten Langusten der Insel zu.”
“Ich bin nicht interessiert”, erkärte Daniela kühl, “aber du kannst natürlich tun, was du möchtest, Anke. Lass dich nicht abhalten.” Sie stand auf, ging auf langen, schlanken Beinen zum Felsen hinüber, erklomm ihn geschmeidig und stürzte sich mit einem eleganten Kopfsprung in die Fluten.
Jannis sah ihr voll Bewunderung nach. Und fragte bedauernd: “Ist Ihre schöne Freundin immer so abweisend?”
“Sie … sie hat nach ihrer unglücklichen Ehe beschlossen, sich mit keinem Mann mehr einzulassen”, entschuldigte Anke ihre Freundin.
“Wie schade!” Jannis Seufzer kam aus dem Herzen. Dann wandte er sich wieder Anke zu: “Sie haben Haare wie eine Meergöttin. Bitte, leisten Sie mir heute Abend Gesellschaft.”
“Nein”, sagte sie fest. “Ich esse mit meiner Freundin zu Abend.”
Unbeeindruckt fragte Jannis: “Und was machen Sie nach dem Essen?”
“Vielleicht gehen wir in die Disco.”
“Und danach?”
“Danach schlafen wir.” Schlafen schien ihr jedoch auf einmal die langweiligste Beschäftigung auf Erden zu sein.
“Ich werde hier am Strand auf Sie warten, Anke. Bis zum Morgen, wenn es sein muss. Es gibt nichts Schöneres, als bei Vollmond mit einer bezaubernden Frau am Meer spazieren zu gehen. Bitte, kommen Sie!”
Ihr Widerstand schmolz: “Gut, ich komme”, sagte sie, “aber erst, wenn meine Freundin schläft. Und jetzt entschuldigen Sie mich bitte, ich werde auch ein paar Runden schwimmen.”
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Zwei Tage später klopfte Anke an das Hotelzimmer ihrer Freundin: “Aufstehen! Herrliche Sonne! Wir wollen doch einen Ausflug machen. Der Bus fährt in einer Stunde am Hafen ab, und wir müssen noch frühstücken!”
Daniela öffnete die Tür: “Komm rein, ich bin gleich fertig.” Ein ungewohnt weiches Lächeln umspielte ihre Lippen, ihre Augen strahlten, und als sie zum Spiegel ging, um sich zu kämmen, summte sie selbstvergessen eine griechische Melodie vor sich hin.
Anke stutzte. “Woher kennst du das Lied?”
“Hm, ja … Also, ich hab’ gestern, nachdem du ins Bett gegangen bist, einen Mondscheinspaziergang mit Jannis gemacht. Er hat mir das Lied vorgesungen”, gestand Daniela verlegen.
Anke verschluckte sich und musste husten. Daniela klopfte ihr auf den Rücken und fuhr erklärend fort: “Als ich vorgestern aus dem Wasser kam, sass er ganz allein da und hütete unseren Sonnenschirm. Er sagte traurig, dass du nicht mit ihm ausgehen wolltest, und schlug mir für den nächsten Abend einen Mondscheinspaziergang vor. Ich weiss nicht, was in mich gefahren ist. Aber plötzlich stellte ich mir das schön vor. Ich wüsste nur gern, warum er mir den Spaziergang nicht für den ersten Abend vorgeschlagen hat.”
“Weil er da mit mir spazierengegangen ist”, krächzte Anke. “Er hat mir auch das Lied vorgesungen.”
Daniela starrte sie an: “Warum hast du mir nichts davon erzählt?”
“Ich möchte dazu anmerken, dass du mir ja auch nichts von deinem eigenen Rendez-vous erzählt hast. Sag mal, hat er … ich meine, habt ihr …”
Daniela schüttelte verneinend den Kopf: “Wir haben uns nur geküsst und Händchen gehalten. Es war sehr romantisch. Und er hat mir so nette Sachen gesagt. Weisst du, ich hab mich noch nie derart als Frau gefühlt, schon gar nicht bei meinem Ex.”
Anke nickte nachdenklich “Du hast recht”, stimmte sie zu: “Ich hab auch erst bei Jannis gemerkt, wie es sein kann mit einem Mann. Dabei ist er doch ein Macho, wie er im Buche steht. Allerdings ein Macho mit ausgezeichneten Manieren, deswegen kann man ihm auch nicht böse sein.”
Sie sahen sich an und mussten auf einmal lächeln. “Ein ganz schönes Schlitzohr, was? Aber er hat es fertiggebracht, dass ich den Männern nicht mehr böse bin”, stellte Daniela fest.
“Leider ist so ein Mann völlig untauglich für die Ehe”, seufzte Anke. Sie träumte ein bisschen und fuhr dann entschlossen fort: “Heute fährt er übrigens nach Athen zurück. Wollen wir zum Hafen gehen, um ihn zu verabschieden? Damit er merkt, dass wir ihn durchschaut haben, ihm aber nicht böse sind?”
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Anke und Daniela standen am Hafen und warteten auf Jannis. Dieser wirkte nicht die Spur verlegen, als er die beiden Freundinnen sah. Im Gegenteil. Erfreut sagte er: “Seid ihr meinetwegen gekommen? Das finde ich aber nett!”
“Wie viele sind wir denn, um dir nachzuwinken?” wollte Daniela wissen.
Er lachte: “Nur ihr zwei. Ich war ja nur zwei Tage hier. Ich hoffe, der Spaziergang hat euch gefallen. Ist meine Heimat nicht wunderschön?”
Er nahm erst Daniela, dann Anke in den Arm, wobei er viele neidische Blicke seiner Geschlechtsgenossen erntete, ehe er als Letzter an Bord ging. Die Freundinnen schwenkten ihre Taschentücher, bis das Schiff im gleissenden Licht verschwand. Dann gingen sie einträchtig untergehakt zu Dimitris Taverne und bestellten sich Langusten – zum Andenken an den schönen Jannis.
Ein Taxi hielt. Zwei gutaussehende Männer stiegen aus, entlohnten den Fahrer und sahen sich um. Alle Tische waren besetzt.
Nach kurzem Zögern gingen sie auf Anke und Daniela zu, und der Blonde fragte höflich auf Deutsch: “Entschuldigen Sie, dürfen wir uns zu Ihnen setzen?”
“Bitte sehr”, lächelte Daniela und zeigte auf die beiden freien Stühle.
“Ich heisse Martin Wilke”, stellte sich der Blonde vor, bevor er sich neben ihr niederliess.
“Und ich bin Benno Kaden”, sagte der Dunkelhaarige und sah Anke bewundernd an, ehe auch er Platz nahm.
Die beiden Männer hatten drei Jahre als Ingenieure auf den Ölfeldern von Saudi-Arabien gearbeitet und wollten Urlaub auf Mykonos machen, ehe sie endgültig in die Heimat zurückkehrten. Sie waren 33 Jahre alt - und Junggesellen.
Den Nachmittag verbrachten sie zu viert am Strand. Danach assen sie bei Dimitri zu Abend und machten später einen Spaziergang am Meer. Zwei Paar Hände fanden sich, und als der Mond hinter einer Wolke verschwand, auch zwei Paar Lippen. Es waren Küsse, die himmlisch nach Zukunft schmeckten …
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