A. M. Homes “Auf dass uns vergeben werde”, 672 Seiten, Kiepenheuer & Witsch, 22,99 €, ISBN: 978-3462046106;
Mit Familiengeschichten hat die 1961 geborene Amerikanerin A. M. Homes viel Erfahrung. Die sind ihr Thema, nicht erst seit sie ihre eigene Geschichte als Adoptivkind, das von nichts wusste, niederschrieb (“Die Tochter der Geliebten”, 2009). Damals zeigte sie auch schob, dass sie großer Humor auszeichnet. Der ist in ihrem jüngsten Buch über ein Brüderpaar sogar stilprägend. Eine Geschichte aus dem puren Leben.
Hier Harry, der Ich-Erzähler, ein etwas spießiger Typ, College-Lehrer, einer, der durchs Leben dümpelt. Dort George, sein Bruder, ein absoluter Macher, Chef eines TV-Senders, eine Führungsfigur. War mal jedenfalls, denn als George eine Familie totfährt, landet er in der Psychiatrie. Dazu gibt es noch Jane, Georges Frau. Sie macht ihren Schwager mit einem unerwarteten, innigen Kuss an, die beiden landen in der Kiste. George erfährt davon und bricht aus der Anstalt aus, um seine Frau zu erschlagen. So geht alles los.
Die Geschichte ist dann weniger spannend, als dies hier klingt. Aber das macht sie stark. Denn Homes taucht ein, in aktuelle, amerikanische Mittelstandsfantasien und das mit enormem Witz. Etwa als Harry mit dem Hund draußen ist, er einen Nervenzusammenbruch hat und fast wegen Herumlungerns fest genommen wird. Cool auch die Idee, Harry in die Arbeitslosigkeit zu stoßen, weil sich für sein Forschungsgebiet, die Ära Richard Nixon kaum noch jemand interessiert.
Es entwickelt sich was. Jane und Harry ziehen zusammen. Sie nehmen das Waisenkind auf, dessen Eltern bei dem Unfallgestorben waren. Harry kümmert sich sogar um die dementen Eltern seiner Schwägerin/Geliebten. Und doch wäre dieser Roman kein guter, wenn er nicht so viele Wendungen hätte. Es geschehen nämlich viele schlimme Dinge, wir sehen die Verlogenheit der amerikanischen Mittelklassewelt, fragen uns, warum alles nur Money Money Money ist.
Ein schräges Buch, ein dicker Schmälzer, aber ein Gewinn.