Ich weiß nicht, ob das seinerzeit als Scherz gemeint war oder nicht. Machte Bushido einen auf Hape Kerkeling, der weit von seiner humoristischen Bestleistung entfernt, als speckiger Rheinländer maskiert fiktiv als Kanzler kandidierte? Was wäre die politische Botschaft, die hinter einer solchen Aktion zu vermuten wäre? Der Wiener Aktionismus wollte provozieren, wollte das Happening zum Erkenntnisgewinn und zur Demaskierung gesellschaftlicher und systematischer Ungereimtheiten und Selbstgefälligkeiten nutzen. Welchen kognitiven Gewinn hatte man aus Kerkelings Parodie? Gab es einen? Und was wird uns Bushidos geplanter politischer Slapstick erkennen lassen? Oder ist es ihm ernst?
Nehmen wir es halt für einen Augenblick als ernste Absicht an. Es enthüllt sich, dass Bushido keine Auflockerung des Politbetriebes wäre, sondern die rappende Fortschreibung der FDP mit nuschelnden Mitteln...
Sprechsingender JuLi aus der Mittelschicht
Bushido erklärte in einem Interview gegenüber der BILD-Zeitung, er sei niemand aus dem Ghetto, er komme aus der Mittelschicht. Das kann man freilich niemanden zum Vorwurf machen; seine weiteren Aussagen flankieren aber die Erkenntnis, dass er eben auch aus dieser Mittelschicht heraus sozialisiert wurde. Mit all den üblichen Affekten und Engstirnigkeiten. Wenn man nun davon ausgeht, dass Bushido genau in jener Zeit aufwuchs und der Welt verständig wurde, da die geistig-moralische Wende den Alltag umkrempelte, da der Neoliberalismus, der im Gepäck sinnstiftenden Konsumismus und entfesselten Profitismus mitschleppte, seinen gesellschaftlichen Siegeszug antrat, so erklären sich auch Bushidos in und zwischen den Sätzen lauernde Ansichten.
Sein politisches Ziel lautet, und er traut es sich auch so zu sagen, dass er Regierender Bürgermeister Berlins werden möchte. Geschenkt, dass er politische und persönliche Ziele gleichsetzt - andererseits: genau diese Haltung ist es, die unsere Zeit ausmachen. Die Personalisierung, die zum politischen Inhalt, zur Botschaft wird, ist Anzeichen einer postdemokratischen Öffentlichkeit, die es bevorzugt, an der Oberfläche zu kratzen, ohne die unter dem Lack lauernden Kompliziertheiten zu touchieren. Gut ist, dass unter Bushidos politischem Lack ohnehin nichts Kompliziertes ausharrt.
Anreize schaffen! verwendet er als Floskel, wie es die Jünger des Marktes ehedem tun. Er bringt das mit der Integration von Ausländern zusammen, die freiwillig Deutsch lernen sollten - durch eben diese Anreize. Bushido bringt keine eigenen Themen an, er kopiert das vorhandene Repertoire, gestaltet nicht, sondern springt mit auf - für ihn sind die angeblich unintegrierten Ausländerhorden Sujet; er hinterfragt nicht, was wahr, was Legende ist. Der neoliberale Zeitgeist lebt davon, Themen auszulutschen, bis sie so wahr sind, wie er von Anfang an immer schon suggeriert hat, dass sie es sind. Dass der Rapper zudem die Frauenquote ablehnt, ist zunächst ja nicht unbedingt verwerflich - seine Begründung ist allerdings geprägt von den Arbeitsmarktexperten, die uns seit Jahren weismachen wollen, dass Arbeitslosigkeit nur eine Folge von mangelndem persönlichen Engagement sei. Fehlender Erfolg auch, meint Bushido, wenn er Frauen empfiehlt, "Arschbacken zusammenkneifen und arbeiten", dann schaffen sie alles. Dass Selbstaufopferung, egal ob bei Mann oder Frau, nicht zwangsläufig zu einer besseren Arbeitsstelle, zu höheren Lohn und so weiter führt, hat Bushido noch nicht verstanden, denn er scheint die Situation auf dem modernen Arbeitsmarkt, die Prekarisierung, die Haltung einer "industriellen Reservearmee", nicht wahrzunehmen. Wer heute noch glaubt, dass Engagement Erfolg schmiedet, der ist in den Losungen der neoliberalen Propheten ordentlich verfangen und findet wahrscheinlich keinen Ausweg mehr.
Zwangsläufig werden neue Parteien immer Ef-De-Pe-oid
Der Rapper ist angekommen, schon bevor er sein Vorhaben, eine politische Partei unter seiner Leitung zu gründen, öffentlich machte. Im Smoking nimmt er Preise entgegen und die Kritik an der Gesellschaft, eigentlich das ureigenste Handwerk des Rappens, begrenzt sich auf einige Plattitüden. Die Gründung einer Partei, die wie eine radebrechende FDP auftritt, ist da nur folgerichtig. Jahre der Beschulung, in der wir mit Sozialdarwinismus und zu Vernunft erklärten Egoismen berieselt wurden, in denen man uns pädagogisch wertvoll angedeihen ließ, dass eine deregulierte Wirtschaft für jeden Vorteile böte, wenn man nur willig genug ist, sich auf die Anforderungen des Marktes einzustellen, Jahre voller Scheindebatten und emotionalisierter Ratio... all das nährt zwangsläufig Charaktere, die sich in ihrem angelernten Denken und unbewussten Opportunismus, für besonders clever und querdenkerisch halten.
Unumgänglich scheint es so, als dass neue Parteien, gegründet von Leuten, die die neoliberale Unterweisung als normalen Alltag erlebt haben, immer irgendwie marktkonform und -unkritisch, steuer- und abgabenfeindlich, elitär und arbeitsmoralingesäuert, Da-haben-Sie-mehr-von-Ihrem-Geld!-süchtig und egoman ausgerichtet werden; kurz gesagt: wie die FDP in Reinkultur, jedenfalls aber wenigstens von ihren Idealen angehaucht, also Ef-De-Pe-oid. Die Piraten klingen manchmal ganz ähnlich, sie treten zuweilen als Nerd-FPD auf - und ein etwaiger Streit zwischen Realos und Fundis wird unter Umständen die Tendenz dereinst verhärten. Bushido will eine rappende FDP, eine, die Steuern runter! nicht monoton in Mikrofone spricht, sondern rhythmisch singsangt. Eine Politik der gedankenschwanger gestikulierenden Hand - angelehnt an Schröders Politik der ruhigen Hand. Denn Bushido ist übrigens bekennender Fan dieses Ex-Kanzlers, gab er unlängst zu - und er wird es immer bleiben, meinte er hartnäckig...
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