“Heute sagen wir basta! Bis hierhin und nicht weiter!”, hat Elena Cortés, die zuständige Ministerin Andalusiens von der linken Izquierda Unida (IU), in Sevilla keinen Zweifel an ihrer Entschlossenheit gelassen. Bereits morgen früh tritt im Süden ein Gesetz in Kraft, dass es erlaubt, Banken zu enteignen, um Zwangsräumungen zu vermeiden. Ein Meilenstein in Spanien!
Die andalusische Regierung, gebildet aus Sozialdemokraten (PSOE) und Linken (IU) hat ab morgen die Möglichkeit, Banken zu enteignen. Für die Maximaldauer von drei Jahren wird den Banken staatlicherseits das Gebrauchsrecht für ihre Wohnungen entzogen, wenn Zwangsräumungen anstehen und die Bewohner bestimmte Bedingungen erfüllen und in der Gefahr sind, ins soziale Abseits zu geraten. Ausserdem werden ab jetzt Geldstrafen bis zu 9.000 Euro für Banken verhängt, wenn sie ihre Immobilie nicht vermieten.
Die Regierung Andalusiens hatte keine Lust mehr darauf zu warten, dass Mariano Rajoys konservative Truppe das neue Hypothekengesetz durchs Parlament bringt – dessen Ausgestaltung sie bereits zu kennen befürchtet. Elena Cortés hatte ab ihrem Amtsantritt ihr Hauptaugenmerk auf den Kampf gegen die Zwangsräumungen gelegt. Andalusien verzeichnet seit 2007 die erschreckende Zahl von 86.000 Zwangsräumungen, während es aktuell zwischen 700.000 und einer Million leerer Wohnungen gibt. Der neue Sanktionskatalog lässt bewusst Privatpersonen unberücksichtigt, die unbenutzte Wohnungen besitzen. Statt dessen werden ihnen steuerliche Vorteile zugesichert, wenn sie vermieten.
Ansonsten aber geht es zur Sache. Eine neue Datenbank unbenutzter Wohnungen liefert die Grundlage für Sanktionen, die in leichte, schwere und sehr schwere Fälle unterteilt werden. Banken, die die in ihrem Besitz befindlichen Wohnungen nicht zur Vermietung anbieten, werden mit 9.000 Euro Geldstrafe pro Fall belegt. Touristische Objekte sind davon nicht betroffen. Wenn “soziale Notfälle” vorliegen, werden die Banken über maximal drei Jahre enteignet: Ihnen wird jeglicher Zugriff und der Gebrauch der Immobilien untersagt, um Zwangsräumungen unmöglich zu machen. Dazu müssen ein paar Bedingungen erfüllt sein: Einziger Wohnsitz der Familie, Höchsteinkommen, nachweisbare Verarmung seit der Unterschrift unter die Hypothek und das Risiko, ins soziale Abseits abzugleiten.
Diese Initiative wird dann passieren, wenn die Banken die entsprechende Wohnung mit einem Embargo belegt und sie nach der öffentlichen Versteigerung als Eigentümer übernommen haben. In diesem Fall zahlt die Landesregierung der Bank pro Jahr zwei Prozent des Betrages, den die Bank als Übernahmewert eintragen liess. Die Ministerin hat bereits 119 Fälle notiert, auf die sich diese Regelung ab morgen sofort umsetzen lässt. Elena Cortés hat keinerlei Sorge, dass das neue Gesetz angefochten werden könnte: “Das haben wir vorher so wasserdicht gemacht, dass jeder Versuch zwecklos ist.”
Mariano Rajoys Regierungspartei in Madrid spuckt natürlich Feuer angesichts dieses neuen Gesetzes. Das sei “alles juristisch gar nicht abgesichert” und ausserdem “pures Oppositionstheater, das auf Wahlstimmen aus ist” im von PSOE und IU gemeinsam regierten südlichen Landesteil. Doch das ist nicht einmal die halbe Wahrheit. Selbstverständlich gefällt es den beiden Madrider Oppositionsparteien, der konservativen Partido Popular mit ihrer absoluten Hauptstadt-Mehrheit im Süden gehörig in die Kniekehle zu treten. Und logischerweise dürfte das in gewissen Kreisen auch Stimmen bringen (wie es in anderen Kreisen Stimmen kosten wird).
Doch scheint man in Madrid von der andalusischen Realität keinen Schimmer zu haben. Das neue Gesetz ist fast zu 100 Prozent von der IU entwickelt und befördert worden. Die PSOE – eher eine zahnlose Hampelmann-Opposition zur konservativen PP-Regierung in Madrid – darf man in dieser Sache getrost als Anhängsel betrachten, das sich in die Entschlossenheit der Linken dankbar eingeklinkt hat, ohne dafür mehr als den Abstimmungsfinger im Länderparlament zu rühren. Die Führungsfigur der IU in diesem Thema, Elena Cortés, unterschätzt Mariano Rajoy allerdings gewaltig.
Die Ministerin beschäftigt sich seit Monaten mit Akribie mit diesem Gesetz, ist wahrnehmbar zornig angesichts tausender Zwangsräumungen und der sozialen Ungerechtigkeit, hat Tag und Nacht gearbeitet, um diesen Text durch das andalusische Parlament zu bringen. Für sie ist es ein ganz persönliches Anliegen, “weil die aktuelle Situation mit dem Gewissen nicht mehr in Einklang zu bringen ist und um jeden Preis sofort gestoppt werden muss”. An dieser Politikerin, die sich weit mehr als soziale Aktivisten denn als Verwalterin sieht, wird sich der nationale Kürzungs- und Streichungschef in Madrid noch mehr als einmal die Zähne ausbeissen.
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