ZVOS: Diskussion über den OT1-Vertrag mit der Barmer GEK in der Delegiertenversammlung vom 29.09.2010

Über das Ergebnis des Delegiertenversammlung vom 29.09.2010 hatte ich ja schon berichtet: (Klick)

Einen genaueren Bericht finden Sie hier: (Klick): In diesem werden die Argumente, die letztendlich zur Annahme des OT1-Vertrages noch einmal im Einzelnen dargestellt. Fassen wir sie noch einmal zusammen:

1. Verträge sind nicht mehr für die Mitglieder verbindlich, sondern sie sind nach ihrem Abschluss ein Angebot eines Verbandes an seiner Mitglieder, die es annehmen können oder nicht (Werner Dierolf, Präsident des ZVOS).

2. Nur, wenn der Verband einen Vertrag schliesst, bleibt er am Vertragsgeschehen beteiligt und verhindert dadurch, dass fachfremde Gruppierungen alleine über die Belange der Orthopädieschuhtechnik verhandeln (Werner Dierolf, Präsident des ZVOS).

3. . Kein Orthopädieschuhmacher kommt zukünftig ohne Verträge aus (Hartmut Pieper, Vorstandsmitglied und Vorsitzender des Vertragsausschusses des ZVOS).

4. Es ist gelungen zu verhindern, dass die Festbeträge für orthopädische Einlagen als Vertragspreise definiert werden, deshalb ist es weiterhin möglich, wirtschaftliche Aufzahlungen zu nehmen (Hartmut Pieper, Vorstandsmitglied und Vorsitzender des Vertragsausschusses des ZVOS).

5. Bei eine Verweigerung der Unterschrift kann man nicht genügend Druck auf die Barmer GEK ausüben, denn dann unterschreiben andere. (Hermann Perick, Obermeister des Landesinnungsverbandes Niedersachsen).

6. Bei Verweigerung der Unterschrift treibt man die Betriebe in die Arme anderer Vereinigungen, die Verträge anbieten (Roland Stegemann, Geschäftsführer der Landesinnung Sachsen).

Bei allem Respekt, mich überzeugen diese Argumente nicht, teilweise sind sie auch durchaus mit nicht unerheblichen Risiken behaftet:

Zunächst weist Herr Bernd Rosin-Lampertius, Geschäftsführer der Innungen Berlin und Mecklenburg Vorpommern zu Recht darauf hin, dass ein Betrieb auch einen anderen Vertrag unterschreiben kann, um lieferberechtigt zu bleiben.

Allein, um den Betrieben eine Lieferberechtigung zu verschaffen, ist es also tatsächlich nicht erforderlich, einen Vertrag zu unterschreiben, den die Kassen weitgehend einseitig aufgrund ihrer Marktmacht diktieren. Insoweit wäre es einem Verband schon zu raten, seine durch das Bundesversicherungsamt (Klick) und das Bundessozialgericht (Klick) geschaffenen Verhandlungsspielraum zu nutzen und Vertragsverhandlungen auf Augenhöhe nicht nur zu fordern, sondern auch tatsächlich zu realisieren.

Und zu den Argumenten im Einzelnen?

Zu 1. Ein Verband muss nicht unbedingt Vertragspartner der Kassen sein, sondern er kann auch derjenige sein, der die Betriebe über bestehende Verträge berät und informiert; wichtiger als die Vertragsunterschrift ist es, den notwendigen (auch politischen) Druck zu erzeugen, um die Krankenkassen zu ausgewogenen Verträgen (mit wem auch immer) zu veranlassen. Unterschreibt man allerdings einen Vertrag in Kenntnis der unausgewogenen Regelungen zu Lasten der Betriebe (ich erinnere nur an die einseitige Bindung an einen Anbieter im Bereich des eKV bei weiterhin marktunüblich hohen Kosten), dann ist dies kontraproduktiv, da man sich auf die Unausgewogenheit schlicht nicht mehr berufen kann.

Zu 2. Am Vertragsgeschehen ist man definitiv dann nicht mehr beteiligt, wenn man einen Vertrag – vorzeitig – unterschreibt; es wäre sicherlich denkbar, eine Krankenkasse auch dann zurück an den Verhandlungstisch zu zwingen, wenn schon ein Vertrag mit einem Dritten abgeschlossen ist; ein Beispiel hierfür sind die derzeitigen Vertragsverhandlungen zwischen der Landesinnung Nord und der City BKK trotz des abgeschlossenen GWQ-Vertrages. Immerhin handelt es sich bei den Krankenkassen um Körperschaften des öffentlichen Rechts, und nicht zuletzt aufgrund dieser Rechtspersönlichkeit sind sie dazu verpflichtet, ausgewogene Verträge zu schliessen.

Zu 3. Natürlich braucht jeder Betrieb aufgrund der geltenden Gesetzeslage (nicht nur in Zukunft Verträge); Dies aber eben nur dann, wenn solche abgeschlossen sind; und wenn sich die Leistungserbringer und ihre Verbände weigern, unausgewogene Verträge zu unterzeichnen, oder sich gegen solche unausgewogenen Verträge, die von untergeordneten Wetbewerbsteilnehmern abgeschlossen werden, zur Wehr setzen, dann gibt es eben keine Verträge, denen der Leistungserbringer beitreten muss – das Beitrittsrecht beinhaltet eben auch das Recht, einem Vertrag nicht beizutreten und weitere Vertragsverhandlungen zu fordern. Die Frage ist nur, ob sich die Leistungserbringer und ihre Verbände diesen Kampf um ausgewogene Verträge gegen die Kassen tatsächlich zutrauen.

Zu 4. Mit dieser Aussage wagt sich der im übrigen von mir persönlich und fachlich hochgeschätzte Herr Pieper weit nach vorne; man mag meine Position dazu (Klick) durchaus für falsch oder zumindest übervorsichtig halten, aber es gibt nun einmal durchaus einschlägige Erfahrungen mit der Barmer GEK, was Rückforderungen betrifft, und man sollte das Thema der wirtschaftlichen Aufzahlungen bzgl. des OT1-Vertrages sehr ernst und kritisch betrachten.

Zu 5. In den direkten Verhandlungen mit einer Kasse hat man sicherlich zunächst nur eingeschränkte Druckmittel, wenn man die Unterschrift unter einen Vertrag ablehnt, den andere schon unterzeichnet haben. Aber das obige Beispiel der inzwischen wieder geführten Vertragsverhandlungen mit der City BKK zeigt, dass man durchaus genügend Druck aufbauen kann, um Kassen auch dann zu Vertragsverhandlungen zu veranlassen, wenn sie schon einen Vertrag unterzeichnet haben.

zu 6. Ich denke, dass die Betriebe eher einen fairen Berater und Walter ihrer Interessen suchen als jemanden, der für sie Verträge, egal, welchen Inhalts, unterzeichnet.

Ich mag zusammenfassend schon nachvollziehen, dass eine gewisse Dynamik in der Entwicklung letztendlich eine Unterzeichnung des OT1-Vertrages wünschenswert macht. Die hier ins Feld geführten Argumente für eine Vertragsunterzeichnung sollten aber noch einmal kritisch hinterfragt werden; eine andere Strategie gegenüber den Krankenkassen in zukünftigen Vertragsverhandlungen wäre durchaus angebracht.


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