Zuschauen und diskutieren – nicht nur im Theater

Schon seit längerer Zeit beschäftigt mich die Frage von Stellungnahmen seitens unserer Redaktionsmitglieder zu politisch relevanten Themen immer wieder. Dabei steht jedoch nicht Parteipolitik im Vordergrund, sondern es geht uns vielmehr um Entwicklungen, über die wir diskutieren, weil sie unserer Meinung nach im gesamtpolitischen Konsens falsch beleuchtet werden. Ein Fall, der uns besonders am Herzen liegt, ist die griechische Tragödie. Nicht die, die wir im Theater mitverfolgen können, sondern die, die das Leben gerade für viele Millionen Griechen schreibt.

Was mich persönlich besonders irritiert ist, wie sich vor allem die Journaille in Deutschland dabei von der Politik instrumentalisieren lässt und eine Hassschrift nach der anderen gegen Griechenland über die diversen Kommunikationskanäle schiebt. „Viel Gerede und nichts dahinter“ in der FAZ, geschrieben von Michael Martens, ist so ein Beispiel. Nach der Einleitung, dass man eigentlich neue Regierungen erst nach 100 Tagen genauer unter die Lupe nimmt, wird dann jedoch über die ersten 50 Tage von Tspiras hergezogen. Dass die deutschen Parteien nach ihrer letzten Bundestagswahl knappe drei Monate benötigten, um eine Regierung zu bilden, wird mit keiner Silbe erwähnt. In „Mehrheit der deutschen für Euro-Austritt Griechenlands“ (ich habe mir erlaubt, den Rechtschreibfehler 1:1 zu übernehmen) in der Zeit online, wird erklärt, dass die Mehrheit unserer nördlichen Nachbarn das Verhalten der griechischen Regierung für unseriös hält. Und Spiegel online hielt Finanzminister Schäubles Satz „Sie haben alles Vertrauen zerstört“, mit welchem er die griechische Regierung angriff, ebenfalls für eine Schlagzeile würdig. Dies sind nur drei wahllos herausgegriffene Artikel von vielen, die sich dem Griechenlandbashing verschrieben haben. So schürt man Vorurteile und Hass. Nicht nur beim sogenannten „einfachen“ Volk, das Bild-Zeitung liest sondern auch bei Menschen mit hohen Bildungsabschlüssen.

Wie zum Hohn ist es ein Team aus dem Kulturbereich, welches diesem ganzen Spuk permanent mit seinen Mitteln Widerstand leistet. In der jüngsten Kabarett-Sendung „Die Anstalt“ wird von Max Uthoff und Claus von Wagner pointiert verdeutlicht, was es denn mit den vielen Schulden des griechischen Volkes so auf sich hat. Sie zeigen, wie schon zuvor eine Sendung im ARD „Die Spur der Troika“ auf, dass es nicht die Mehrheit der griechischen Bevölkerung ist, die Schulden angehäuft hat. Sie zeigen, dass die Rettung Griechenlands primär eine Rettung der europäischen Banken war. Die Armut, die über Griechenlang gerade hereinbricht, scheint die politischen Entscheidungsträger in der EU nicht sonders zu interessieren. Wichtig ist, dass das geliehene Geld, das zum Teil in höchst korrupten Kanälen verdampfte, wieder mit Zinseszinsen zurückgezahlt wird. Diese Einstellung ist kolonialistisch, kurzsichtig und menschenverachtend in höchstem Maße.

Unser Journal verleiht oft jenen Kreativen eine Stimme, die aufgrund schwacher finanzieller Ausstattung nicht in der Lage dazu sind, große Säle oder Häuser zu füllen, obwohl ihre Stücke, ihre Choreografien oder ihre Musik schlichtweg großartig ist. Unser Journal wird in Zukunft auch jenen eine Stimme verleihen, die aufgrund politischer, aber auch ökonomischer Überlegungen in die Enge und Armut getrieben und durch unsachgemäßen Journalismus auch noch gedemütigt und verdammt werden. Auch wenn wir uns damit bei so manchem und so mancher unbeliebt machen. Michael Preiner, mehrere Jahre als freier Journalist am Europaparlament in Strasbourg tätig, wird künftig zu brennenden Themen Stellung beziehen. Wir fühlen uns zu diesem Schritt verpflichtet, denn das Einzige, womit wir uns gesellschaftlich einbringen können, sind unsere Gedanken, die wir in unseren Artikeln verschriftlichen, um möglichst viele Menschen damit zu erreichen. Dabei geht es uns nicht darum, Zustimmung zu erheischen. Wenn es uns aber gelingt, bei unseren Leserinnen und Lesern einen kleinen Reflex auszulösen, der veranlasst, mehr über gewisse Themen zu recherchieren und nicht jeder veröffentlichten Schlagzeile bedingungslos Glauben zu schenken, fühlen wir uns schon bestätigt.

In diesem Sinne: Wenn Sie noch überlegen, wo Sie in diesem Jahr Ihren Urlaub verbringen werden, dann auf nach Griechenland und rein in die Tavernen und in die kleinen Städte, raus auf die Plätze von Athen. Und auf den Mund und reden, reden, reden, fragen, fragen, fragen. Das ist die beste Immunstärkung für kommende journalistische Hetzkampagnen.


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