Feist “Metals” (Polydor)
Diese Platte ist, das muß man sagen, eine Enttäuschung. Und zwar eine wunderbare. Denn die Befürchtung, Leslie Feist würde es sich und uns nach ihrem locker beschwingten „The Reminder“ einfach machen und diesen Weg unverändert weitergehen, war da und war verführerisch. Weitermachen also mit „1234“, mit „I Feel It All“ und „My Moon My Man“, weiter mit den Werbejingles und dem ganzen guten Gefühl, das sich beim Hören der luftigen Melodien einstellte – es wäre ihr, denkt man, ein Leichtes gewesen und kaum jemand hätte es ihr übelgenommen. Und doch, das die gute Nachricht, ist sie zu klug, um diesen Erwartungen zu entsprechen und so an den Mainstream verloren zu gehen. Sie zeigt ihr, der Erwartung, die lange Nase und holt mit „Metals“ ein Album hervor, das wir nur schwer schlucken werden, das der spaßhungrige Konsument, so er überhaupt einen kompletten Durchgang schafft, kopfschüttelnd zur Seite legen wird: zu düster, zu arty, zu ambitioniert und zu verklausuliert. Zu sperrig – zum Glück.
Denn so wie sie uns in Anspruch nimmt, zwingt sie uns in die Songs hinein, in diese dumpfen, erdingen, bildgewaltigen Stücke über die Unwägbarkeiten, die Absonderlichkeiten, die Widersprüchlichkeiten der Natur, auch der menschlichen. Schon „The Bad In Each Other“ trägt schwer an dem Gefühl der Aussichtslosigkeit unserer Bemühungen in Beziehungen, fast sinnbildlich dafür der asynchron unterlegte Beat gegen Ende des Stückes. Auch „Graveyard“ naturgemäß nicht gerade ein ausgelassenes Juchheissassa, träge Bläser, dunkle Metaphern – selbst „Caught A Long Wind“ bleibt, trotz des verträumten Textes („feel old until the wings unfolded“) gedrückt am Boden, gehalten vom Gospelstomp der ganz alten Schule.
„How Come You Never Go There“ war die erste Single und als Vorauskopplung perfekt, nichts hätte einen besser in die Irre führen können, jeder glaubte zu wissen, wohin die Reise ging – Müßiggang, Leichtigkeit – Pustekuchen. Wer hätte denn schon mit dem gespenstischen „Commotion“, seinem nadelstichgleichen Wispern und dem plötzlich grollenden Männerchor gerechnet, mit dem Blues von „Anti-Pioneer“, den man ohne große Fantasie auch als politisches Statement lesen darf („when the flag changes colours, the language knows, when the month changes numbers, it’s time to go home“), wer hätte wirklich so eine große Sehnsucht nach sprichwörtlicher Erdverbundenheit bei Leslie Feist vermutet? Immer wieder bricht sich diese Bahn, nicht nur auf dem Cover scheint sie eins werden zu wollen mit der rohen Ursprünglichkeit, auch im feinfühligen „Cicadas And Gulls“ („Maps can be poems, when you’re on your own“) und bei „Get It Wrong Get It Right“ sucht sie die Versöhnung nicht im hektischen Drinnen, sondern im entlegenen, vereinsamten Draußen.
Irgendwo war kürzlich in anderem Zusammenhang das Wort „klangachtsam“ zu lesen, auch hier scheint es bestens zu passen. Was Feist zusammen mit den Dauerkumpanen Chilly Gonzalez und Mocky in diesen fünfzig Minuten als musikalisches und seelisches Panorama illustriert, ist erstaunlich und meisterhaft, sie bleibt einmal mehr in der Tradition der großen Geheimnisvollen: Kate Bush, Cat Power, auch Laurie Anderson oder Nick Drake. Und sie hat es geschafft, dem bisherigen Meisterwerk dieses Jahres, PJ Harveys „Let England Shake“, in aller Gegensätzlichkeit Gleichwertiges zur Seite zu stellen.
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