Am Frankfurter Hbf erhielt ich letzten Sonntag eine schöne, dicke Sonntagszeitung geschenkt. Ich habe mich sehr auf eine Stunde gemütliche Lektüre im Zug nach Köln gefreut. (Auch etwas sehr grandioses: in nur einer Stunde und ohne Stau von Frankfurt nach Köln!)
Ich fing also an zu lesen und natürlich ging es auch um EHEC. Ich hatte den “Skandal” nicht jeden Tag verfolgt und machte mich also daran, mich in einer Wochenzeitung mal fundiert darüber zu informieren. Was stand dort unter anderem? Die Ära des Fleisches sei nun wieder angebrochen. Gemüse könne man nun nicht mehr guten Gewissens essen. Man hatte beim Lesen den Eindruck, dass sich der Autor freue, dass dem Gemüse nun auch einmal ein Skandal anhaftet. (Leider kann man den Artikel online nicht verlinken.)
Fleisch oder nicht Fleisch – das ist hier die Frage
Das Thema Fleisch Essen ist etwas sehr persönliches und spaltet viele Geister (dieser Blogeintrag ist auch wirklich nicht der Einfachste, den ich bisher geschrieben habe ;-) ). Einerseits gehört Fleisch Essen zu unserer Kultur (ich sage nur Sauerbraten, Bratwurst, Fleischpflanzerl oder z.B. auch das wunderbare Hirschragout meiner Oma an Weihnachten), andererseits gibt es einen starken Trend dazu, das Fleisch Essen prinzipiell zu hinterfragen und Vegetarier zu werden. Es ist vom Verstand und von ethischen Anschauungen her durchaus sinnvoll, auf Fleisch zu verzichten.
Die Sache mit dem Verhalten ändern…
Die meisten Deutschen essen Fleisch (unter 10% der Deutschen sind Vegetarier). Essen ist eben nicht nur Verstehen. Es hat neben der Nahrungsaufnahme viel mit Freude und Genuss und auch mit Gewohnheit zu tun. Man kann es sich einfach machen und das Fleisch-Essen verteufeln, aber dann bewirkt man mit den Vernunft-Argumenten vielleicht sogar eher gegenteilige Reaktionen. Man kann den Artikel in der Sonntagszeitung so interpretieren, dass sich manche Fleisch-Esser heimlich schlecht fühlen, weil sie eigentlich auch selbst Bedenken wegen ihres Konsums haben. Dass sie aber gleichzeitig hin und her gerissen sind, weil sie dennoch ihr Steak oder einen Braten einfach gern genießen möchten. In einer Situation, in der man selbst schon ein kleines schlechtes Gewissen hat, möchte man sich das eigene Verhalten nun höchst ungern auch noch mit dem erhobenen Zeigefinger von anderen vorwerfen lassen – wie es in der Fleisch-Essen-Frage oft passiert. Mit EHEC ist nun endlich mal nicht das Fleisch, sondern das Gemüse der Buhmann.
Nur wegen EHEC ist aber Gemüse natürlich nicht prinzipiell schlecht und auch an den Argumenten zur Massentierhaltung, Lebensmittelindustrie und dem Klimawandel ändert sich nichts. Die Frage bleibt auch nach EHEC die gleiche: Wie verändern wir unser Verhalten zum Fleisch? Wenn der komplette Verzicht für viele zu schwierig ist, fangen wir doch einfach damit an, weniger Fleisch zu essen.
Sonntagsbraten, halbe Vegetarier und vegetarische Köstlichkeiten
Wie so oft, geht das mit positiven Anreizen und Einstellungen bestimmt am besten:
1. Durch bewusstes Genießen: Wie wäre es mit einer Bewegung: “Zurück zum Sonntagsbraten”? (Natürlich in bio ;) – denn wenn nur am Sonntag, dann kann man sich das auch viel eher leisten.) Früher haben wir ja auch nicht jeden Tag Fleisch gegessen… Wenn etwas nicht allzu alltäglich ist, dann freut man sich meist noch viel mehr darüber! Also auf zu mehr genussvoller Qualität anstatt Quantität!
2. Durch Gemeinschaft: Eine super Anregung liefert hier die Webseite Halbzeitvegetarier: sich einfach mit jemand anderem zusammentun und gemeinsam den Fleischkonsum halbieren. Ihre Logik: “Zwei halbe Vegetarier sind auch ein Ganzer“. So eine positive Herangehensweise finde ich super!
Wenn wir es insgesamt schaffen, etwas mehr Entspannung in die moralische Fleisch-Essen-Debatte zu bringen, dann muss ein Sonntagszeitungs-Autor vielleicht auch nicht mehr so negativ über Gemüse an sich schreiben.
Herzlich,
Eure Katha
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