Zurück zum Sonntagsbraten?

Von Kathabeck

Am Frankfurter Hbf erhielt ich letzten Sonntag eine schöne, dicke Sonntagszeitung geschenkt. Ich habe mich sehr auf eine Stunde gemütliche Lektüre im Zug nach Köln gefreut. (Auch etwas sehr grandioses: in nur einer Stunde und ohne Stau von Frankfurt nach Köln!)

Ich fing also an zu lesen und natürlich ging es auch um EHEC. Ich hatte den “Skandal” nicht jeden Tag verfolgt und machte mich also daran, mich in einer Wochenzeitung mal fundiert darüber zu informieren. Was stand dort unter anderem? Die Ära des Fleisches sei nun wieder angebrochen. Gemüse könne man nun nicht mehr guten Gewissens essen. Man hatte beim Lesen den Eindruck, dass sich der Autor freue, dass dem Gemüse nun auch einmal ein Skandal anhaftet. (Leider kann man den Artikel online nicht verlinken.)

Mh. Das machte mich nachdenklich… Warum diese Häme dem Gemüse gegenüber? Da geht es plötzlich nicht mehr um den Darmkeim, sondern um die Fleisch-Essen-Frage.

Fleisch oder nicht Fleisch – das ist hier die Frage

Das Thema Fleisch Essen ist etwas sehr persönliches und spaltet viele Geister (dieser Blogeintrag ist auch wirklich nicht der Einfachste, den ich bisher geschrieben habe ;-) ). Einerseits gehört Fleisch Essen zu unserer Kultur (ich sage nur Sauerbraten, Bratwurst, Fleischpflanzerl oder z.B. auch das wunderbare Hirschragout meiner Oma an Weihnachten), andererseits gibt es einen starken Trend dazu, das Fleisch Essen prinzipiell zu hinterfragen und Vegetarier zu werden. Es ist vom Verstand und von ethischen Anschauungen her durchaus sinnvoll, auf Fleisch zu verzichten.

Einmal wegen der Massentierhaltung und der ganzen Lebensmittelindustrie, die unter anderem im Buch Tiere essen, das sich millionenfach verkauft, eindrücklich geschildert werden. Und auch wegen des Klimawandels: Wenn man ein Steak isst, kann man sich schnell als Klimasünder fühlen, weil man durch seinen Genuss die “Produktion” von Methan pupsenden Kühen (und ihrer Futtermittel), den Ressourcenverbrauch und damit den Anstieg des Klimas unterstützt.  Somit ist man quasi mit verantwortlich dafür, dass es vielen Tieren und Menschen auf der Welt schlecht geht – nur weil man Fleisch isst. (Und natürlich gibt es noch mehr Gründe für den Verzicht auf Fleisch: s. auch “Fleisch essen und Umweltschutz vertragen sich nicht“) Das ist natürlich nicht schön. Wir sollten unser Verhalten zum Fleisch Essen verändern. Aber wie?

Die Sache mit dem Verhalten ändern…

Die meisten Deutschen essen Fleisch (unter 10% der Deutschen sind Vegetarier). Essen ist eben nicht nur Verstehen. Es hat neben der Nahrungsaufnahme viel mit Freude und Genuss und auch mit Gewohnheit zu tun. Man kann es sich einfach machen und das Fleisch-Essen verteufeln, aber dann bewirkt man mit den Vernunft-Argumenten vielleicht sogar eher gegenteilige Reaktionen. Man kann den Artikel in der Sonntagszeitung so interpretieren, dass sich manche Fleisch-Esser heimlich schlecht fühlen, weil sie eigentlich auch selbst Bedenken wegen ihres Konsums haben. Dass sie aber gleichzeitig hin und her gerissen sind, weil sie dennoch ihr Steak oder einen Braten einfach gern genießen möchten. In einer Situation, in der man selbst schon ein kleines schlechtes Gewissen hat, möchte man sich das eigene Verhalten nun höchst ungern auch noch mit dem erhobenen Zeigefinger von anderen vorwerfen lassen – wie es in der Fleisch-Essen-Frage oft passiert. Mit EHEC ist nun endlich mal nicht das Fleisch, sondern das Gemüse der Buhmann.

Nur wegen EHEC ist aber Gemüse natürlich nicht prinzipiell schlecht und auch an den Argumenten zur Massentierhaltung, Lebensmittelindustrie und dem Klimawandel ändert sich nichts. Die Frage bleibt auch nach EHEC die gleiche: Wie verändern wir unser Verhalten zum Fleisch? Wenn der komplette Verzicht für viele zu schwierig ist, fangen wir doch einfach damit an, weniger Fleisch zu essen.

Sonntagsbraten, halbe Vegetarier und vegetarische Köstlichkeiten

Wie so oft, geht das mit positiven Anreizen und Einstellungen bestimmt am besten:

1. Durch bewusstes Genießen: Wie wäre es mit einer Bewegung: “Zurück zum Sonntagsbraten”? (Natürlich in bio ;) – denn wenn nur am Sonntag, dann kann man sich das auch viel eher leisten.) Früher haben wir ja auch nicht jeden Tag Fleisch gegessen… Wenn etwas nicht allzu alltäglich ist, dann freut man sich meist noch viel mehr darüber! Also auf zu mehr genussvoller Qualität anstatt Quantität!

2. Durch Gemeinschaft: Eine super Anregung liefert hier die Webseite Halbzeitvegetarier: sich einfach mit jemand anderem zusammentun und gemeinsam den Fleischkonsum halbieren. Ihre Logik: “Zwei halbe Vegetarier sind auch ein Ganzer“. So eine positive Herangehensweise finde ich super!

3. Durch das Kennenlernen von richtig leckeren vegetarischen Gerichten (die “delüxe” Alternative zum Fleisch): Wer auf den Geschmack von vegetarischem oder veganem Essen kommen möchte, dem empfehle ich von ganzem Herzen einen Abend (oder ein Mittag Essen) im BioGourmetClub in Köln, der vor kurzem seine Türen neu am Bahnhof West geöffnet hat. Hier kann man vegetarische Küche von ihrer besten Seite kennenlernen. Und kann sich wundervoll für die eigene Küche inspirieren lassen. (Hier gehts zu einem Video voll des Lobes für diese Küche). Und wird – wer weiß – vielleicht doch irgendwann zum Vollzeit-Vegetarier… ;-)

Wenn wir es insgesamt schaffen, etwas mehr Entspannung in die moralische Fleisch-Essen-Debatte zu bringen, dann muss ein Sonntagszeitungs-Autor vielleicht auch nicht mehr so negativ über Gemüse an sich schreiben.

Herzlich,

Eure Katha


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