Auch in der Schweiz wird seit 2003 ein Wort des Jahres gewählt. Eine Jury aus Literat/innen, Musiker/innen und Journalist/innen wählte auch dieses Jahr aus über 1.000 Vorschlägen das Wort des Jahres. Auf dem ersten Platz 2011 landete das Wort „Euro-Rabatt“ – doch schon kurz dahinter der hierzulande kaum bekannte Begriff der „Seefeldisierung„. Im Tagesanzeiger heißt es zur Begründung:
Das Gremium bestimmte zusätzlich zwei weitere wichtige Begriffe: Der eine ist «Seefeldisierung» als Schweizer Pendant zur englischen «Gentrification», dem Phänomen, dass ganze Stadtviertel durch Zuwanderung von reichen Bewohnern zu für bereits Ansässige unerschwinglichen Luxusquartieren mutieren.
Zürich Seefeld gilt seit längerem als Paradebeispiel der Gentrifcation und auch im Gentrificationblog wurde schon darüber berichtet: Zürich: Sind Hausverkäufer verantwortlich für die Gentrification?
Seefeldisierung überall
Vergleichbar mit der publizistischen Karriere des Gentrifcation-Begriffs ist auch die „Seefeldisierung“ zum Synonym für Aufwertungs- und Verdrängungsprozesse geworden. Zunächst mag es erstaunen, dass ausgerechnet ein ortbezogener und damit reichlich spezifischer Begriff bei der Wahl zum Wort des Jahres so hoch eingeschätzt wird. Die zur Auswahl stehenden Begriffe sollen
häufig vorkommen, von besonderer Bedeutung sowie sprachlicher Qualität sein.
Zumindest das erste Kriterium wird vom Wortspiel der Seefeldisierung erfüllt, es gibt eine ganze Reihe von Artikeln und Beiträgen die den Begriff aufgreifen. Der Beobachter – eine Schweizer Beratungszeitschrift etwa schreibt unter dem Titel „Wohnen tut not“, wie sich die Seefeldisierung auf andere Stadtteile ausweitet. Die Juso’s der Stadt Zürich machten mit den „Opfern der Seefeldisierung“ Wahlkampf und auf Politnetz.ch wird „Schluss mit der Seefeldisierung einzelner Wohnquartuiere“ gefordert. Der Quartiersverein Riesbach hat sogar eine „Beratungsstelle gegen die Seefeldisierung“ eingerichtet.
Doch auch die Schweiter Meinungsmedien schrecken nicht davor zurück, den Begriff zu benutzen. Die NZZ erklärt, wer an der Seefeldisierung Seefelds Schuld ist (Die Deutschen) und die Leser/innen des Tagesanzeigers wissen: „So funktioniert die Seefeldisierung“
Cartoon zur Erklärung der "Seefeldisierung" im Tagesanzeiger
Und wie zu jeder ordentlichen Gentrification-Debatte gibt es auch in der Schweiz die Stimmen, die das, was alle zu wissen meinen, anzweifeln und behaupten: „Die ‘Seefeldisierung’ lässt sich nicht belegen“ (NZZ).
Interessant in diesem Zusammenhang finde ich, das es noch keine Stimmen aus Seefeld selbst gibt, die sich über diese Form der Stigmatisierung beschweren. Es könnte daran liegen, dass weniger die Lebensstile als vielmehr die ökonomischen Strategien der alten und neuen Eigentümer/innen diskutiert werden. Die Wahl zum Schweizer Wort des Jahres zeigt nicht nur, dass die Gentrification wirklich zu einem globalen Phänomen geworden ist, sondern vor allem, dass sie anders thematisiert werden kann, als es hierzulande üblich geworden ist.