Zur Tibet-Hysterie sei mal ketzerisch gefragt: Was wäre wenn…?

Zur Tibet-Hysterie sei mal ketzerisch gefragt: Was wäre wenn…?WEIMAR. (fgw) In Berlin haben die ersten deutsch-chinesischen Regierungsgespräche begonnen. Pekings Delegation wird dabei von Ministerpräsident Wen Jiabao angeführt. Dieses Treffen ist für diverse Tibet-Gruppen Anlaß, die Volksrepublik als Okkupant zu verleumden und ein Freies Tibet unter Führung des Mönches Tendzin Gyatsho zu fordern. Letzterer ist hierzulande besser als Dalai Lama bekannt und war der letzte feudaltheokratischer Herrscher im Autonomen Gebiet China. Ein Gebiet, in dem der Mönchsadel bis 1959 seine Macht auf Sklaverei und Leibeigenschaft begründete.

Es gibt einige Themen, bei denen selbst bei aufgeklärten Menschen, einschließlich linker Politiker, regelmäßig der Verstand aussetzt. Gleich neben dem Stichwort Israel steht da auch Tibet.

Stellen wir uns aber mal ganz ketzerisch diese Frage:

Was wäre, wenn…?

…auf dem chinesischen Festland noch die Guomindang herrschen würde? Also eine bürgerlich-reaktionäre Partei und Regierung, die 1949 nach langem Bürgerkrieg von den Truppen der KP Chinas besiegt worden sind. Und deren Reste sich seinerzeit auf die Insel/die Provinz Taiwan flüchteten… Sie nennen ihren “Staat” anmaßend “Republik China (ROC)”, pflegen also seit nunmehr fast 60 Jahren einen ungebrochenen Alleinvertretungsanspruch für das ganze China. So weit, so schlecht.

Aber drehen wir das ganze mal um und sagen ausnahmsweise “so weit, so gut”. Der Volksrepublik China und der KPCh wird vom “Westen”, wird von den von Tibetomanie und Dalai-Lama-Hysterie befallenen “Musterdemokraten” und “Menschenselbstgerechten” vorgeworfen, sie hätten 1950 Tibet überfallen und annektiert und sie seien Besatzer… Doch ein Blick nach Taiwan bestätigt den Pekinger Standpunkt: Tibet ist seit Jahrhunderten ein integraler Bestandteil des chinesischen Staates, zunächst des Kaiserreiches, dann der 1911 ausgerufenen bürgerlichen Republik und seit 1949 eben der Volksrepublik. Im Bürgerkrieg musste die Volksbefreiungsarmee die meisten Provinzen in schweren Kämpfen befreien. Aber nicht alle! Es gab mehrere Provinzen, in denen die Volksmacht ohne militärische Kämpfe errichtet werden konnte. Zu diesen zählt Tibet. Und dass ein Staat seine Streitkräfte auch auf seinem gesamten Staatsgebiet disloziiert, ist eine ganz normale Angelegenheit. Das ist unter der “friedlichen Befreiung Tibets” aus Pekinger Sicht zu verstehen. Wobei die Zentralregierung über zehn Jahre lang die Besonderheiten Tibets, also das feudaltheokratische Regime des Dalai Lama und die Leibeigenschaft, akzeptierte. So wie es zum Ausgang des 20. Jahrhunderts bis heute die Besonderheiten der ehemaligen Kolonien Hongkong und Macao (“Ein Staat, zwei Systeme”) akzeptiert.

Kommen wir nun aber auf die sogenannte “Republik China (ROC)” zurück. In der Beschreibung ihrer politisch-administrativen Gliederung listet sie bis heute Tibet als eine “ihrer” Provinzen auf. Und zeigt das auch deutlich mit ihrer offiziellen politischen Landkarte (siehe nebenstehende Grafik).

Siegfried R. Krebs

[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]

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