Zur Religions- und Stadtgeschichte des bronzezeitlichen Mitteleuropa

Von Ingo Bading @ingo_34
Personale Gottheiten und Himmelskunde in ersten Städten
Kurz gefaßt: Ausgehend von neuen, bislang zu unbekannt gebliebenen wissenschaftlichen Veröffentlichungen zur Bedeutung der bronzezeitlichen Höhenburgen in Mitteleuropa (vor allem: 11, 10, 15) zeichnet sich ein neues, unerwartet konkretes Bild von der mitteleuropäischen, bronzezeitlichen Gesellschaft - und damit von unserer Vorgeschichte überhaupt - ab.
Die beiden letzten Jahrzehnte haben eine große Fülle an Erkenntnisfortschritten in der Erforschung der mitteleuropäischen Bronzezeit gebracht. (Eine zum Teil willkürliche Literatur-Auswahl: 1 - 9, 15.) Der weitaus bekannteste Wissensfortschritt stellte natürlich die Entdeckung der "Himmelsscheibe von Nebra" in den Jahren zwischen 1999 und 2001 dar (3, 15). Dieser Fortschritt wurde weit über die Fachgrenzen der Wissenschaft hinaus bekannt. Und diese Entdeckung gab Anlaß zu aufwendigen Ausstellungen (1, 3, 15).
1. Die spätbronzezeitliche Höhenburg von Bernstorf bei München (1350 v. Ztr.) (11, S. 80f)

Bislang ist diese Entdeckung der "Himmelsscheibe" eher als ein isolierter, einzelner "Wissensbaustein" im kulturellen Gedächtnis der Menschheit verankert geblieben. Die Sicht auf den gesellschaftlichen Kontext, in den eingebettet die "Himmelsscheibe" gedacht werden muß, die Sicht auf die mitteleuropäische Bronzezeit überhaupt hat sich durch die Entdeckung derselben zunächst eigentlich gar nicht besonders geändert. Es sind durch die Entdeckung der Himmelsscheibe mehr neue Fragen aufgeworfen worden, als schon sichere Antworten hatten gegeben werden können. (15)
2. Die Himmelsscheibe von Nebra war - zusammen mit Waffen - wahrscheinlich als Weihgabe
an die Götter am Hang eines Berges niedergelegt worden (2.000 - 1.600 v. Ztr.)

Aber auch angeregt durch die Entdeckung der Himmelsscheibe, sowie unabhängig davon ergeben sich gegenwärtig eine Fülle neuer archäologischer Einsichten, die dazu angetan sind, unsere Sicht auf die mitteleuropäische Bronzezeit grundlegend zu verändern. (10 - 15) Es sind in Kürze auch aufgrund mehrerer derzeit laufender DFG-Forschungsprojekte zu bronzezeitlichen Höhenburgen noch weitere Einsichten und die Absicherung von bisher nur als Hypothese geäußerten Vermutungen zu erwarten. (15)
Die tocharischen Wüstenmumien (1.800 - 200 v. Ztr.)
Das höchstwahrscheinlich aus der mitteleuropäischen Frühbronzezeit stammende Volk, dem die Wüstenmumien in der Taklamakan in Innerasien (Wikip.) angehören werden, das Kentum-sprachige Volk der Tocharer, rückte ebenfalls erst jüngst näher in den Fokus der europäischen Forschung (6, 16 - 18). Dieses Volk lebte von der frühen Bronzezeit bis in die Spätantike in den Handels- und Oasenstädten entlang der Seidenstraße.
3. Weibliche tocharische Wüstenmumie, Taklamakan
Der gute Erhaltungszustand dieser Mumien und viele von ihnen in Innerasien weiter gelebte Züge der europäischen Kultur ermöglichen es, durch ihre Erforschung vieles über die europäische Bronzezeit zu erfahren, was wir aus zeitgleichen Funden in Europa niemals würden erfahren können. In Innerasien können wir mit diesen Wüstenmumien Menschen ins Gesicht schauen, die in sehr vielen Dingen jenen Menschen geähnelt haben könnten, die zeitgleich in Europa gelebt haben, von denen wir aber in Europa bestenfalls Knochen erhalten haben. Fast niemals Kleidung oder gar Haut und Gesichtszüge.
4. Die "Schöne von Loulan", Taklamakan (1.800 v. Ztr.) (NYT 2008)
Deshalb sollen an dieser Stelle zunächst einige eher willkürlich gewählte Bild-Impressionen von den tocharischen Wüstenmumien der Taklamakan gegeben werden (Abb. 3 - 8).
5. Die "Schöne von Loulan", Taklamakan (1.800 v. Ztr.)
Der menschliche Stimmungsgehalt, den diese Mumien ausstrahlen, führt einen vielleicht am direktesten in die Stimmungsgehalte jener Zeit hinein, die wir so allgemein europäische Bronzezeit zu nennen gewohnt sind.
6. Weibliche tocharische Wüstenmumie, Taklamakan (1.500 v. Ztr.)
7. Der "Mann von Cherchen", Taklamakan
Es ist vor allem auch die Gelassenheit und ruhige Selbstverständlichkeit, die aus diesen Gesichtern spricht - bei gleichzeitig zum Teil ungewöhnlicher, ja, nach heutigem Eindruck fast "märchenhaft"-versponnener Kleidung, die einem das Gefühl gibt, hier einen sehr intimen Blick in den Geist der Bronzezeit werfen zu dürfen.
8. Die heilkundige Frau von Subashi (/ Subexi) (5. - 3- Jh. v. Ztr.) mit einem imponierenden Spitzhut,
der an die mitteleuropäischen, bronzezeitlichen Goldhüte erinnert (6, S. 180f) (a)

Diese Gesichter und ihre Kleidung (Federn an der Mütze ...) machen einem bewußt, daß im Grunde genommen auch die bekannten Funde in Europa letztlich "märchenhaft" sind. Da werden Fürsten mit Bogen begraben (Amesbury-Bogenschützen-Fürst bei Stonehenge, 2.300 v. Ztr.). Sie tragen - aus heutiger Sicht - "märchenhafte" Schwerter, "märchenhafte" Helme, "märchenhaften" Schmuck.
Es ist wichtig, solche Eindrücke einmal festzuhalten und sich bewußt zu machen. Denn sie könnten schon hinleiten auch in Erkenntnisse zur Religionsgeschichte des bronzezeitlichen, mitteleuropäischen Menschen. Auch seine Religiosität - oder gerade diese - könnte ja in gewissem Sinne - - - "märchenhaft" gewesen sein. Jedenfalls reicht nur allein nüchternes, wissenschaftliches Auswerten der Funde und Befunde (was freilich die Grundlage ist), nicht aus, um den bronzezeitlichen Menschen und seine Antriebe in vollem Umfang zu verstehen.
9. In Bernstorf an der Amper gefundener hauchdünner Goldschmuck (1350 v. Ztr.) kann nach Meinung der Forscher
am ehesten als Körperschmuck von Götterfiguren gedient haben (Rekonstruktionsversuch; 11, S. 125)*)

Man sollte sich auch daran erinnern, wie viele der bedeutendsten politischen Entscheidungen - etwa zu Schlachten oder deren Vermeidung - von den germanischen Stämmen ganz irrational entschieden wurden aufgrund von den "Sprüchen" von Seherinnen. Ebenso Entscheidungen darüber, ob man als Stamm, als Volk an einem Ort weiter wohnen bleiben sollte oder sich woanders ansiedeln sollte.
Der "Schliemann des Ampertales"
Doch in diesem Beitrag soll insbesondere auf den wahrscheinlich bedeutendsten Wissenssprung in unserer Erkenntnis über die mitteleuropäische Gesellschaft der Bronzezeit hingewiesen werden, der sich in den beiden letzten Jahrzehnten ergeben hat. Im Wesentlichen wurde er noch nicht einmal durch einen Fachwissenschaftler ausgelöst. Sondern durch einen Hobby-Archäologen (11, 19 - 23, 32). Und zwar durch den bayerischen Hobby-Archäologen, den Internisten und CSU-Stadtverordneten Dr. Manfred Moosauer.
10. Ein Bernsteinstück aus Bernstorf mit Schriftzeichen der mykenischen "Linear B-Schrift"
Er entdeckte im Jahr 1994 - bei der Suche nach ganz anderen Dingen - 40 Kilometer nördlich von München eine von inzwischen unzähligen, bekannten bronzezeitlichen Höhensiedlungen in Mitteleuropa, nämlich die Höhensiedlung Bernstorf an der Amper (siehe Abb. 1). Aber durch die bis zum Jahr 2000 dort weiterhin getätigten spektakulären, bislang einzigartigen Gold- (Abb. 9) und Schriftfunde (Abb. 10) machte er Entdeckungen, die in ihrer Bedeutung sicherlich an die Bedeutung der Entdeckung der "Himmelsscheibe von Nebra" heranreichen. (Daß diese archäologische Entdeckung derzeit nur im Rahmen eines heimatkundlichen "Dorf"-Museums präsentiert werden soll [22], wird da als der Bedeutung der Neuerkenntnisse unangemessen angesprochen werden müssen.)
Wenn man sich mit dem Wissen rund um die Entdeckungen und Forschungen bezüglich der bronzezeitlichen Höhensiedlung von Bernsdorf an der Amper versucht, ein Bild der Kultur der bronzezeitlichen Höhenburgen in Mitteleuropa überhaupt zu erschließen, dann erhält man ein Bild von der bronzezeitlichen mitteleuropäischen Gesellschaft, das man in dieser Konkretheit und Deutlichkeit bestimmt nicht erwartet hatte. Auch ein Bild, das in der allgemeinen Literatur über die mitteleuropäische Bronzezeit (1 - 9) noch nicht aktzentuiert genug der Öffentlichkeit präsentiert worden ist.
Wenn dieses Bild nun zusätzlich noch mit dem derzeit bekannten Bild von der Ausbreitungsgeschichte der Hausmaus angereichert wird, über das "Studium generale" in dem ihm eigenen interdisziplinären Geist berichtete (13, 14, 24), erhält das von der Wissenschaft derzeit vornehmlich als Hypothese Formulierte eine kräftige zusätzliche Absicherung, Bestätigung und Erweiterung: Belege für Salzhandel, für die Hausmaus und für die reiche mykenische Sachgüter-Kultur weisen alle in die gleiche Richtung.
Forschungsliteratur zu "bronzezeitlichen Höhensiedlungen"
Wirft man also, aufgewühlt durch die Veröffentlichung eines Hobby-Archäologen zu der bronzezeitlichen Höhenburg von Bernstorf an der Amper (11), den Blick in die Forschungsliteratur der letzten Jahrzehnte zu bronzezeitlichen Höhenburgen überhaupt (vor allem: 10), so tut sich ein Bild auf, das viel konkreter, viel anschaulicher, viel plastischer ist, als man das bislang hatte erahnen können.
11. Nur 2,5 Kilometer von Stonehenge in Südengland entfernt wurde 2005 die "größte steinzeitliche
Siedlung Nordeuropas"
gefunden (33 - 35): Durrington Walls
Auch beginnt man nach einigem Überdenken zu erkennen, daß altüberkommene Epochengrenzen, die die Bronzezeit zu vorherigen und nachfolgenden Epochen abgrenzen, viel zu "schematisch" und damit mißverständlich sind, als daß durch sie das Fließende der Übergänge und oft die Gemeinsamkeiten über die Epochengrenzen hinweg vom Mittelneolithikum bis zur Eisenzeit bewußt bleiben würde.
Tausende von Sonnenobservatorien, "Volkssternwarten" (archäologisch: "Grabenwerke") wie sie sich in "klassischer" Weise schließlich in Stonehenge (Abb. 11) kristallisierten, astronomisch ausgerichtete Heiligtümer, Begräbnisstätten gab es schon lange vor der Bronzezeit. Und sie wurden auch von zugewanderten Eroberervölkern - wie etwa in Stonehenge um 2.300 v. Ztr. - weiterbenutzt, ja erst von ihnen zu ihrer "klassischen" Form ausgebaut.
Eine "protourbane" Kultur wie die der bronzezeitlichen Höhenburgen findet schließlich ihre volle Entfaltung - eigentlich - erst in der Keltenzeit, also in der Eisenzeit Mitteleuropas. Auch dort noch ist die Begräbnisanlage und der diese umgebende "heilige Bezirk" - z.B. des Keltenfürsten vom Glauberg - nach Himmelsbeobachtungen ausgerichtet.
All diese Umstände zeigen deutliche Gemeinsamkeiten vom Mittelneolithikum bis in die Eisenzeit hinein auf, Gemeinsamkeiten, die diesen langen Zeitraum abgrenzen von der frühneolithischen Zeit zuvor ebenso wie von der Klassischen Antike der Mittelmeerkulturen danach. Als einigendes Moment wird man die nicht nur randständige religiöse Bedeutung astronomischer Beobachtungen bei all diesen Völkern und Kulturen bezeichnen können.
Dieser tendenziell eher nichtpersonalen religiösen Verehrung geht aber schon ab dem Frühneolithikum - oder sogar ab der Mammutjägerzeit - die mindestens quasi-religiöse Verehrung von menschlichen Idolen (etwa Fruchtbarkeitsgöttinnen) parallel: die religiöse Bedeutung von Himmel und Erde gehen parallel in diesen Gesellschaften über Jahrtausende hinweg.
Die Hausmaus als Erkenntnisquelle des Bronzezeitforschers
Sollte sich nun wirklich bewahrheiten, was derzeit immer stärker als Vermutung am wissenschaftlichen Horizont aufscheint, und wovon auch "Studium generale" schon vor einem Jahr bei der Auseinandersetzung mit der Ausbreitungsgeschichte der europäischen Hausmaus eher zufällig einen ersten - aber eigentlich auch schon recht zuverlässigen - Anhaltspunkt fand (13, 14, 24), nämlich daß die Bronzezeit in Mitteleuropa seit etwa 2.000 v. Ztr. in ihren Kernbereichen eine städtische - oder vorsichtiger ausgedrückt "protourbane" - Kultur darstellte - zumindest ganz grob parallel zu setzen, auch was die Intensität des Fernhandels betrifft, zu der städtischen (Palast-)Kultur des mykenischen Griechenland, zu der keltischen Oppidakultur oder auch zu wikingischen Handelsstädten (wo wir nämlich überall den wirtschaftlichen Intensitäts-"Indikator" "Hausmaus" erstmals finden) -, dann würde dies das bislang schon von der Forschung entworfene Bild (10) nachhaltig festigen und absichern.
Zumindest vom mykenischen Griechenland haben wir ja einigermaßen sichere, konkrete Vorstellungen. Und von diesem können die zeitgleichen gesellschaftlichen Strukturen in Mitteleuropa gar nicht besonders stark abgewichen sein, wenn man die vielen Gemeinsamkeiten im Sachgüter-Bestand berücksichtigt, die allzu eindeutig mit weitreichenden Fernhandels-Kontakte zusammen hängen müssen. Siehe dazu die folgende Grafik (Abb. 12), auf der auch schon die Goldkrone von Bernstorf und parallele Funde in Griechenland und Kreta mit eingetragen sind:
12. Gemeinsamkeiten im Sachgüter-Bestand über weite Entfernungen hinweg (11, S. 115, s.a. 25)

Beim Lesen der Hausmaus-Beiträge der letzten Jahre (13, 14, 24) unter dem neuen bronzezeitlichen Frage- und Erkenntnis-Horizont des vorliegenden Beitrages drängen sich weitere Fragestellungen und vorläufige Erkenntnisse auf: Auf welche historischen Umstände wird man eigentlich den genaueren Verlauf der Artgrenze zwischen ost- und westeuropäischer Hausmaus quer durch Europa (14, 24) zurückführen können? Andere geographische Verläufe von Hausmaus-Artgrenzen - auf den britischen Inseln etwa - zeigen ja auf, daß diese Artgrenzen sehr konservativ zu sein scheinen und immer noch die frühesten, dauerhaften Ausbreitungsereignisse wiederspiegeln.
Somit wird auch die Artgrenze in Mitteleuropa derartige, "früheste" Vorgänge wiederspiegeln. Sie wird für die früheste Ausbreitungsgeschichte der städtischen ("protourbanen") Lebensweise vom Mittelmeer- und vom Schwarzmeer-Raum nach Mitteleuropa hinein Anhaltspunkte liefern. Sie stellt also eine zusätzliche Erkenntnisquelle dar, die sicherlich in den nächsten Jahren noch genauer ausgewertet werden wird. Die weite Ausbuchtung des Ausbreitungsgebietes der osteuropäischen Hausmaus nach Westeuropa hinein (14) - insbesondere im bayerischen Raum - deutet sehr stark auf eine dominierende, sozusagen "überlagernde" östliche, kontinentale Dynamik in der Ausbreitung von Stadtkultur hin.
Sollte sich in dieser Ausbildung der Artgrenze die Ausbreitungsgeschichte der Aunjetitzerkultur wiederspiegeln - kulturell angestoßen letztlich aus dem Donau- und Nordschwarzmeerraum heraus - in den Raum hinein, der möglicherweise kurz zuvor schon von der westlichen Hausmaus, von westlichen, süddeutschen, städtischen Kulturen besetzt worden war? Etwa - wie in (14) noch in ganz vorläufiger Weise angenommen war - von der Glockenbecherkultur? Und der sich dann von Osten her die Schnurkeramik- und die Aunjetitzerkultur entgegensetzten? Hier dürfte bei genauerer Analyse der geographischen und zeitlichen Abläufe noch manche Erkenntnis zu gewinnen sein, da doch die Kulturgrenze zwischen Glockenbecher- und Schnurkeramikkultur archäologisch in ähnlicher Weise mitten durch Hessen verlief und sich dort auch zum Teil verschränkte (26).
Sie müssen aber beide noch nicht die Hausmaus mitgebracht haben, sondern sie können ihr auch nur "den Weg gebahnt haben" was Ausbildung komplexerer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Strukturen (Fernhandel) betrifft. Und ähnliches wird auch von der bronzezeitlichen Ausbreitung der Hausmaus nach Südengland gesagt werden können. Sie könnte sich dorthin zusammen mit der Glockenbecherkultur ausgebreitet haben oder auch erst mit den auf diese folgenden Kulturen.
Stufenbildungen in der Religionsgeschichte
Das alles insgesamt hieße jedenfalls, daß die "Himmelsscheibe von Nebra" (um 2.000 v. Ztr.), angefertigt in der "Aunjetitzer Kultur" (2.300 - 1.600 v. Ztr.), aus solchen städtischen, "protourbanen" Zusammenhängen hervorgegangen ist, wie sie uns auch aus dem Mittelmeer- (und dem Schwarzmeer-?)Raum bekannt sind. Zumindest im Mittelmeerraum spielten ja zeitgleich ebenfalls bemerkenswerterweise noch Himmelsbeobachtungen in der Religion und in den Tempelbezirken eine Rolle (z.B. beim Bau der Pyramiden [30, 31] oder der Zikkurate). Und diese Rolle ging auch hier in so auffälliger Weise in der nachbronzezeitlichen Religionsgeschichte vollkommen verloren.
Hier bleibt auch für den Religionshistoriker noch manches zu tun, auf daß die religionsgeschichtlichen Stufenbildungen den eigentlichen Sachverhalten angemessen beschrieben werden und auf daß sie ins Verhältnis gebracht werden können zur kognitiven Evolution der Menschenvölker (dazu zuletzt: St. gen.). Es könnte vermutet werden: Um so stärker und allgemeiner man an personale Gottheiten glaubte, um so deutlicher traten für die Gläubigen astronomische Beobachtungen in religiösen Zusammenhängen in den Hintergrund.
Die Götter, die zunächst in den Sternbildern des Himmels wohnten, wären dann zunächst (auch über die berühmte "Himmelsbarke"?) auf die Gipfel der Berge herunter gekommen (Olymp, Tianshan ...), sie wären "Berggötter" geworden (offenbar auch noch bei den Tocharern westlich des Tianshan), um dann schließlich mehr und mehr die von den Menschen für sie künstlich errichteten Wohnstätten - Heilige Bezirke, Grabhügel, Tempel, Quellen - selbst und im Dienst der Menschen zu "bewohnen". Dabei wurden sie natürlich immer "menschenähnlicher", immer "personaler", immer "kleiner" (im Sinne Giordano Bruno's zumindest).
Wenn man von solch einer Theorie her in die europäische Bronzezeit blickt, dann tut sich einem hier offenbar die ganze Vielfalt an unterschiedlichen, einander überschneidenden Entwicklungen auf, die in der Religionsgeschichte wohl möglich gewesen sind. Damit in Zusammenhang zu stellen ist natürlich, daß auch die berühmte bronzezeitliche Erscheinung der sternenkundlichen, priesterlichen, "zauberkundigen" "Goldhüte" (1.400 - 1.000 v. Ztr.) aus diesen Zusammenhängen einer städtischen, "protourbanen" Kultur hervorgegangen zu denken sind - und zwar möglicherweise zunächst etwa einzuordnen in der religionsgeschichtlichen Stufe zwischen den Himmels- und den Berggöttern. (Auch der Haruspex, der Eingeweidebeschauer bei den Römern und den Assyrern trug übrigens einen hohen Zeremonialhut.)
Himmels-, Berg- und Erdgötter
Übrigens tragen in der Taklamakan die Zauber- und Spitzhüte Frauen und nicht Männer (siehe Abb. 8). Daß Frauen Träger der Goldhüte gewesen sein könnten, ist bislang von der Forschung noch selten in Rechnung gestellt worden. Deshalb ist es sicherlich richtig, daß man die Goldkrone von Bernstorf im Modell sowohl einer männlichen wie weiblichen Figur angeheftet hat (Abb. 9).
Also spätestens in der Spätbronzezeit können wir in der Höhensiedlung Bernstorf offenbar auch von dem Vorhandensein einer echten, personale Götterfigur - offenbar einer Stadtgottheit in einem Tempel ausgehen. Aber parallel dazu konnte eben auch der "Sonnenwagen von Trundholm" (1.400 v. Ztr.) in Dänemark benutzt werden.
All die Utensilien der mykenischen Kriegerkultur, wie wir sie auch in Mitteleuropa seit langem für die Bronzezeit kennen (Helme, Waffen) (s.a. Abb. 12) sind also wie in Griechenland selbst auch in Mitteleuropa in städtische Zusammenhänge eingebettet zu denken (25).
Bernstein in Bernstorf an der Bernsteinstraße
Der Ort, an dem im Herbst des Jahres 2000 - in Bernstein eingeritzt - eines der ältesten Schriftzeugnisse nördlich der Alpen entdeckt worden ist (Abb. 10) - aus dem vierzehnten Jahrhundert vor der Zeitrechnung, heißt: Bernstorf. Im Namen enthält er die gleiche Silbe, die auch unser heutiges Wort Bernstein enthält. Ob das nur ein Zufall ist, wird die Wissenschaft sicherlich - über die Ortsnamensforschung - ebenfalls noch zu klären haben. Ein Schriftzeugnis etwas älterer Zeitstellung ("Linear A" aus der minoischen Kultur) stammt übrigens sogar von der Nordseeküste (25).
Bernstorf ist das bislang beste bekannte Beispiel für eine ganze Kultur bronzezeitlicher Höhenburgen, "Fürstenburgen", die sich im Abstand von etwa 30 Kilometern entlang der großen Fernhandelsstraßen (Salzhandelsstraßen, Bernsteinstraßen) über ganz Europa verbreitet hatten von der Frühbronzezeit an. Und zwar von Istrien und vom Karpatenbecken ausgehend:
... Dieses "protourbane Zentrum" (gemeint: in Feudvar in Kroatien) kann überregional in Zusammenhang mit einer Reihe vergleichbarer Erscheinungen gesehen werden: Von Monkodonja in Istrien über die befestigten Ansiedlungen der Mad'arovce- (Südwestslowakei) und der Veterov-Kultur (Tschechei), die (...) Höhensiedlungen im nordalpinen Raum und dem Bereich der Aunjetitzer Kultur bis hin nach Bruszczewo in Großpolen. (12, S. 13)
Gibt es eine Bedeutung des Salzhandels in der mitteleuropäischen Bronzezeit?

Als Heinrich der Löwe 1158 die Handelsstadt München an der Isar gründete, ging es ihm vor allem darum, die Gewinne des Salzhandels, die zuvor in die Taschen des Bischofs von Freising geflossen waren, an sich zu ziehen. Salz und Salzhandel war für die Herrscher noch bis in die Frühe Neuzeit hinein deshalb so viel wichtiger als heute, weil Salz - zumal von städtischen Gesellschaften - in großen Mengen zur Konservierung von Lebensmitteln gebraucht wurde.

Die politische Bedeutung des Salzhandels läßt sich, das ist schon lange bekannt, bis in die frühe Keltenzeit zurückverfolgen. Viele Fürsten der Hallstattzeit und der Keltenzeit insgesamt gewannen ihren Reichtum durch den Abbau von Salz und durch den Handel mit Salz. Das wird inzwischen auch von dem Keltenfürsten vom Glauberg, nördlich von Frankfurt am Main, vermutet, dessen - astronomisch ausgerichtetes - Machtzentrum mit dem dortigen Salzgewinnungsort Bad Nauheim in Verbindung gebracht wird.

Es ist mehr als naheliegend, eine Bedeutung des Fernhandels, insbesondere auch des Salzhandels für die Gründung von reichen Städten und Fürstentümern auch noch weiter in die Bronzezeit zurück zu vermuten. Auch die minoischen Fürsten auf Kreta und die mykenischen in Griechenland - von letzteren können wir Züge erahnen in der "Argonautensage" (27) und natürlich in der "Ilias" des Homer, waren reich, wohlhabend und einflußreich geworden durch den Handel der Städte, die sie beherrschten.
Und inzwischen haben wir auch schon beredte archäologische Belege für Salzverarbeitung auf bronzezeitlichen Höhenburgen in Mitteldeutschland. François Bertemes und Harald Meller schreiben (12):
Die großen Mengen an Briquetageresten auch in frühbronzezeitlichem Kontext bezeugen, dass Salzgewinnung und -handel wichtige Wirtschaftsfaktoren der mitteldeutschen Aunjetitzer Kultur darstellen. Wirtschaft und Handel in diesem Umfang setzen genormte Zahlungsmittel bzw. prämonetäre Systeme voraus, wie sie für die Frühbronzezeit bereits mehrfach postuliert wurden.

Lebensform "Stadt" - erstmals in Mitteleuropa entstanden um 2.000 v. Ztr.?
Im Grunde weiß dies die archäologische Forschung schon seit Jahrzehnten, daß bronzezeitliche Wallanlagen, Befestigungsanlagen, die einstmals Städte von der Größe Trojas umgeben haben, in Mitteleuropa ganz regelmäßig auftreten. Die Archäologen waren und sind sich zum Teil aber ihrer Sache noch nicht sicher genug.

War man also bislang als sicherem Kenntnisstand davon ausgegangen, daß sich die Lebensform "Stadt" erstmals mit der keltischen "Oppida"-Kultur grob um 500 v. Ztr. in Mitteleuropa ausgebreitet hatte - zusammen mit den Fürsten des Salzhandels - so muß der Zeitpunkt der Ausbreitung der Lebensform Stadt jetzt mit hoher Wahrscheinlichkeit um etwa eineinhalb Jahrtausende in der Geschichte vorgeschoben werden, nämlich in die Frühbronzezeit um 2.000 v. Ztr.. Und zwar einhergehend mit wahrscheinlich ziemlich der Keltenzeit vergleichbaren gesellschaftlichen Strukturen.

Die Keltenzeit wird damit also nicht zu dem Anfang eines geschichtlichen Geschehens (Stadtgeschichte) in Mitteleuropa, sondern eher als der Endpunkt einer geschichtlichen Epoche aufgefaßt werden müssen, nämlich der Frühform der europäischen, bronzezeitlichen, städtischen ("protourbanen") Siedlungen. In der Keltenzeit hat sich also wahrscheinlich gegenüber der vorausgegangenen Bronzezeit gar nicht so viel gesellschaftlich fundamental Neues in Mitteleuropa entwickelt, sondern es ist eine Lebensform hier aufgeblüht, die schon zweimal zuvor, nämlich in der Früh- und in der Spätbronzezeit aufgeblüht und zwischenzeitlich aus bislang noch ungeklärten Gründen (Abwanderungen nach Süden?) wieder aufgegeben worden war.

Um einen umfassenderen Überblick zu dieser Thematik zu bekommen, eignet sich das Weltnetz derzeit noch sehr wenig (a, b, c, d, e).**)

Militärische Wallanlagen seit dem Ende des Frühneolithikums

Militärische Befestigungsanlagen, Wallanlagen gab es schon vor der Bronzezeit, erstmals besonders deutlich in den Außengrenzbereichen des Verbreitungsgebietes der Bandkeramik, kurz vor dem Untergang derselben um 4.900 v. Ztr.. Dieser Untergang ging nach Meinung der Forschung mit einer erhöhten Intensität von gewalttätigen Auseinandersetzungen einher - offenbar auch in Auseinandersetzung mit "nichtbandkeramischen" Ethnien. Und diese ließen offenbar die Anlage von "Fluchtburgen" angeraten erscheinen. Parallel dazu entwickelten sich im Mittelneolithikum - wie oben schon angedeutet auch nichtmilitärische, bloße religiöse "Einhegungen" von Heiligtümern und/oder Einzäunungen für Tiere in Form von Graben- und Pallisadenwerken. Die Forschung lernt immer besser, Grabenwerke mit echt militärischem Zweck von anderen zu trennen.

Von einer ausgeprägten hierarchischen Gliederung der ersten europäischen Bauerngesellschaften (des Früh- und des Mittel-Neolithikums) hat die Wissenschaft bislang nur wenig feststellen können. Zwar gibt es schon in der Bandkeramik eine räumliche Strukturierung in (größere) "Zentralorte" und (kleinere) "periphere" Orte. Es gibt aber sonst kaum Anhaltspunkte, daß damit - etwa - die Bildung einer adligen Kriegerschicht in Verbindung gebracht werden kann. Diese wurde wohl in ihrer Reinform erst möglich mit der Domestizierung des Pferdes.

Eroberer überlagern einheimische Bevölkerungen, handeln mit Sklaven und vermischen sich mit Einheimischen

Die typische, klare, nachneolithische und vormittelalterliche hierarchische Gliederung der Gesellschaften in Adelige, Freie und Sklaven tritt grob das erste mal mit der Kupferzeit, wohl mit der Ausbreitung von Schnurkeramik- und Glockenbecherkultur auf. Von dieser Zeit an vor allem muß auch damit gerechnet werden, daß das "Wanderverhalten" von Oberschichten in gegenläufigen Richtungen verlaufen kann zu dem "Wanderverhalten" von Unterschichten. Nicht muß - aber doch kann.

Oberschichten können bewegungsfreudiger sein als Unterschichten als Folge von eigenen Kriegszügen, an denen seßhaftere Unterschichten vielleicht weniger teilnehmen. (Man vergleiche für einen solchen Fall die nur teilweise erfolgte Abwanderung germanischer Stämme östlich der Elbe in der "Völkerwanderung nach 375 n. Ztr., die eine Zeit lang noch Kontakt hielten zu den nach Nordafrika abgewanderten Wandalen.) Aber Unterschichten können auch beweglicher sein als Oberschichten. Nämlich als Folge des Sklavenhandels, den die Oberschichten mit ihnen betreiben. So wird es erklärbar, wenn historisch und gesellschaftlich unterschiedliche "Bevölkerungssubstrate" "Zuwandererschichten" zustandekommen. Solche sind derzeit von der Humangenetik schon für die Geschichte der Bevölkerungen Großbritanniens, Islands oder Südamerikas erforscht worden. (s. Bücher)

Ähnliche Vorgänge und Zusammenhänge muß man aber auch hinsichtlich von Eroberungen durch indogermanische, berittene, adelig-kriegerische "Sklavenhalter-Gesellschaften" ab der Kupferezeit in Europa ganz allgemein voraussetzen.

Jedenfalls hat man sich die militärischen Befestigungen des Neolithikums ("Fluchtburgen") mit ganz anderen gesellschaftlichen Strukturen verbunden zu denken als die militärischen Befestigungen der Bronzezeit.

Herrschersitze im Elbsaalegebiet um 2.000 v. Ztr.

Für das Elbsaalegebiet waren bis 1988 10 bis 12 frühbronzezeitliche, befestigte Siedlungen der dortigen ersten bronzezeitlichen Kultur, der Aunjetitzer Kultur, festgestellt worden, über die in einer wegleitenden Arbeit des Archäologen Klaus Simon (Dresden) auf einer europäischen Archäologen-Tagung in Thüringen kurz vor der Wiedervereinigung berichtet wurde.***) Hier überall gibt es Anzeichen für frühbronzezeitliche Höhensiedlungen, die gut parallel gesetzt werden können, wie es heißt, zu ähnlichen Siedlungsmustern in Böhmen und in Bayern:

Ebenso wie in Böhmen und Bayern scheinen die Höhensiedlungen erst in der zweiten Hälfte oder gegen Ende der Frühbronzezeit gegründet worden zu sein und teilweise bis in den Übergang zur Mittelbronzezeit bestanden zu haben. (10, S. 298)
Das heißt, sie entstanden erst in der Hoch- und Spätaunjetitzer Zeit. War genau das der Zeitpunkt der Ausbreitung der Hausmaus? Dann wird es in dieser Arbeit aber schnell noch wesentlich konkreter als man das auch aus der sonstigen eher populärwissenschaftlichen Literatur bislang schon hatte erfahren können:
Als eine überkulturelle "Zivilisationserscheinung" jener Zeit bildeten wehrhafte Siedlungen einen weit verbreiteten und auch nördlich der Alpen überraschend häufigen Typus. (...) Am besten untersucht ist die Ballung befestigter Siedlungen im weiteren Mitteldonaugebiet, wo der Ursprung dieser Siedelweise vermutet wird. In Richtung West und Nord zeichnen sich mehrere Ausbreitungswege ab. (...) (10, S. 300)
Offenbar zeichnet sich während der Bronzezeit auch eine Weiterentwicklung zu flächenmäßig umfangreicheren Höhensiedlungen, bzw. Städten ab:
Ein Kennzeichen der älterbronzezeitlichen Höhensiedlungen (...) bildet (...) ihre fast durchweg nur geringe Größe (...) zwischen 0,4 und 2,8 ha, durchschnittlich nur 1,3 ha. Der Gegensatz zu den meist erheblich größeren "Volksburgen" der Jungbronzezeit ist offenkundig. Eine Ausnahme bildet allein die Alteburg bei Arnstadt, denn ihr Abschnittswall ("Hauptwall") umschließt knapp 28 ha. (...) Daß sich auch im mitteldeutschen Raum einmal Anlagen mit einer "Akropolis" und einem "Suburbium" werden nachweisen lassen, kann nach der weiten Verbreitung in sich gegliederter Siedlungen nicht a priori ausgeschlossen werden. (10, S. 303f)
Bewaffnete Handelszüge werden vom "Herrscher der Stadt" empfangen
Die Siedlungsspuren weisen auch deutlich auf dauerhafte Besiedlung hin, wie weiter ausgeführt wird.
Die untereinander vergleichbaren Distanzen von "Burg" zu "Burg", die (...) zwischen 15 bis 20 und 30 bis 35 km variieren, könnten (...) auf eine Respektierung bestimmter Einflußbereiche zurückgeführt werden. (...) Höhensiedlungen sind anscheinend durchweg auf überregionale, teilweise über hunderte Kilometer verfolgbare Verkehrsbahnen bezogen, wie sie (...) vor allem anhand der Horte für die jüngere Bronze- und frühe Eisenzeit rekonstruiert worden sind. Dieser Befund (...) spricht für die Existenz eines regelrechten Fernwegenetzes bereits gegen Ende der Frühbronzezeit. (...) Nicht nur in der engeren ägäisch-mykenischen Welt, sondern auch für deren sehr weit gespannte Rohstoff- und Handelssphäre (Kupfer, Zinn, Gold, Bernstein u.a.) bis nach Mittel- und Nordeuropa muß "mit geographischen Kenntnissen, intakten Reisewegen und allgemein akzeptierten Gepflogenheiten der Gastlichkeit" gerechnet werden. (10, S. 305)
Man hat sich also jene Gastlichkeit vorzustellen, wie man sie aus der mykenischen Argonauten-Sage (27) oder aus der Ilias des "Homer" kennt. Handelszüge, die immer auch bewaffnet sind und leicht zu "Kriegszügen" werden können, angeführt durch den Herrscher einer anderen Stadt oder durch dessen Sohn, werden gastlich und ehrenvoll vom ansässigen Herrscher der Stadt vor Ort aufgenommen und empfangen. Und sie werden von ihm "weitergeleitet". Natürlich kann es dabei auch zum Raub kommen, zum Mißbrauch der Gastfreundschaft. Daraus entstehen dann jene Kriegs- und Helden-Geschichten, die die Themen der großen Sänger und der großen Gesänge an den Fürstenhöfen und Palästen dieser Zeit sind. Weiter Simon:
Die in einigen Fällen geradezu "urbane" Bebauung in den karpaten- und donauländischen Zentralsiedlungen der ausgehenden Frühbronzezeit sprechen bekanntlich für eine ökonomische Konzentration und soziale Differenzierung bis dahin unbekannten Ausmaßes. In ihren Akropolenbewohnern hat man eine "Herrenschicht" vermutet, "die in ihrer Blütezeit weitreichende internationale Verbindungen ahnen läßt und Beziehungen vor allem zum östlichen Mittelmeerraum, dem mykenischen Griechenland, zeigt". (...) Jedenfalls erhebt sich die naheliegende Frage (...), ob die in den "Fürstengräbern" vom Typ Leubingen Bestatteten nicht an derart herausgehobenen Orten gelebt haben. Die Parallelen zu den späthallstättischen Fürstengräbern liegen auf der Hand. (10, S. 308)
Extensivere Vieh- und Weidewirtschaft?

Das hier gezeichnetes Bild von fast städtischen Kulturen im süd- und mitteldeutschen Raum muß aber auch in Einklang gebracht werden mit der vergleichsweise geringen Siedlungsstellenzahl überhaupt, die für viele Regionen während der Bronzeit bislang so kennzeichnend zu sein scheint. Gering jedenfalls im Vergleich mit der Siedlungsstellenzahl der ältesten Bauernkultur Europas (der Bandkeramiker) und auch späterer Kulturen. (s. St. gen.) Eine einfache Erklärung dafür wäre wohl, daß eine intensive Landwirtschaft, die vorwiegend auf dem Anbau und dem Konsum pflanzlichen Produkten beruhte, in der Bronzezeit abgelöst worden ist durch eine eher extensive Landwirtschaft, die stärker auf der Viehzucht, Weidewirtschaft und der adligen Jagd beruht hat und darum auch viel weniger Menschen insgesamt hatte ernähren können.

Das aber setzt voraus, daß es zu jener Zeit auch in Süddeutschland schon sehr komplexe gesellschaftlichen Strukturen gegeben haben muß. Wie aber soll man sich diese nun vorstellen? Schon die rein zahlenmäßige Fülle der genannten bronzezeitlichen Herrschaftssitze, befestigten Höhensiedlungen, Wallanlagen zeigt auf, daß wir diesbezüglich in Mitteleuropa mit einer ähnlichen Vielfalt von "Städten" und Herrschaftssitzen rechnen müssen, wie im zeitgleichen mykenischen Griechenland. Und daß sich hier die Sitten von denen im mykenischen Griechenland nicht wesentlich unterschieden haben werden, zeigen eine Fülle von Zeugnissen der Sachgüter-Kultur.
Bernstorf an der Bernsteinstraße
Eine der Fernhandelswege dürfte durch das nördliche heutige Bayern und durch Franken verlaufen sein. Die Landschaft rechts und links der heutigen A9 auf dem Weg von Nürnberg über Ingolstadt nach München ist also eine außerordentlich geschichtsträchtige. Im Landkreis Freising, 40 Kilometer vor München findet sich 5 Kilometer links (östlich) der Autobahn und 12 Kilometer westlich der alten Bischofsstadt Freising an der Isar ein Bergsporn, gelegen über dem dortigen Ampertal.
Dort machte der Hobby-Archäologe Manfred Moosauer auf diesem Bergsporn im Jahr 1994 jene Entdeckung, die dazu angetan war und ist, unser Verständnis von der mitteleuropäischen Bronzezeit grundlegend zu verändern.
13. Der Grundriß der Höhensiedlung von Bernstorf macht deutlich, wie umfangreich diese Siedlung gewesen ist. Ein großer Teil ist schon durch eine Kiesgrube zerstört worden (schraffierte Fläche). Die Ausgrabung der noch
ausgrabbaren Teile dieses bronzezeitlichen Herrschersitzes sollte bald in Angriff genommen werden.

Für eine niederbayerische Höhenburg heißt es in einer neueren Arbeit:
Ließen sich aus dem älteren Abschnitt der frühen Bronzezeit keine Belege für Fernkontakte anführen, steigen die Belege während des späten Abschnitts dieser Zeitstufe sprunghaft an, um dann am Beginn der Mittelbronzezeit wieder auf sporadische und indirekte Nachweise abzusinken. (2, S. 149)
Es gibt hier also offenbar einen zyklischen Verlauf, der sich bis in die Keltenzeit hinein fortsetzt, und dessen Ursachen noch zu eruieren sind.
Zyklischer Verlauf durch Abwanderungen? Völkerwanderungen?
Vielleicht sind die Ursachen auch einfach - offenbar ist das in der Literatur noch wenig erörtert worden - in Prozessen der Abwanderung zu suchen? Abwanderungen bis nach Innerasien hinein (Tocharer), Abwanderungen als Auslöser der "Dorischen Wanderung" um 1200 v. Ztr. in Griechenland und als Auslöser des wenig später einsetzenden "Seevölker-Sturms" im gesamten Mittelmeerraum. Völkerschaften, die sich um 2.000 v. Ztr. im palästinensischen Raum festgesetzt haben (Byblos, Ugarit), weisen deutliche archäologische Parallelen zu Süddeutschland auf (Ösenhalsringe und anderes, siehe folgende Beiträge).
Siedlungskontinuität seit der Bronzezeit bis heute?
Aber noch ein weiterer Umstand könnte bemerkenswert sein. Die Sage von einer versunkenen Stadt hat es in der Bevölkerung der Umgegend von Bernstorf noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts gegeben. Das wäre eine sehr lange Zeit. Ähnliche Sagen sind aber auch für andere bedeutende Funde der Bronzezeit bekannt. Nicht zuletzt für Troja selbst.
Möglicherweise ist es also doch plausibel, von einer mündlichen Tradition und damit Bevölkerungskontinuität in diesem Raum über 3.350 Jahre hinweg auszugehen. Gestützt würde die Annahme einer solchen Bevölkerungskontinuität seit der Bronzezeit von humangenetischen Forschungen an archäologischen DNA-Resten, deren Vergleich mit der DNA der heutigen Harz-Bevölkerung aufzeigte, daß unmittelbare genetische Nachkommen aus der Bronzezeit noch heute im Harz leben. (29, FAZ)
Damals also, in der Kupfer- und Frühbronzezeit formierten sich in den wesentlichsten Grundzügen - auch in den humangenetischen Eigenschaften - jene Gesellschaften, die heute noch in Mitteleuropa - möglicherweise trotz aller Abwanderungen in den Süden und in den Osten - leben. Friedrich Nietzsche rief emphatisch aus:
"Sehen wir uns ins Gesicht. Wir sind Hyperboräer, - wir wissen gut genug, wie abseits wir leben. 'Weder zu Lande noch zu Wasser wirst du den Weg zu den Hyperboräern finden': das hat schon Pindar von uns gewusst. ..." (F. Nietzsche)
Da hat Nietzsche für seine Zeit gesprochen. Und für die Zeit Pindars. Daß das aber für die Bronzezeit nicht in diesem Ausmaß gegolten haben muß, das soll in künftigen Beiträgen anhand vieler Funde und Befunde noch detaillierter aufgezeigt werden.
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*) Hat man sich die Stadtgottheit von Bernstorf (Modell links, 11, S. 123) als männlich oder als weiblich (siehe oben) vorzustellen?
**) Unter mit "Bronzezeit" kombinierten Stichworten wie "Befestigung", "Wallanlage", "Herrschaftssitz", "Höhensiedlung" (bzw. unter mit "Bronze Age" kombinierten Worten wie "Fortification", "Hill Fort", "Hilltop", "Settlement") findet man viele jeweils isolierte Einzelangaben:

Es gibt die Hünenburg bei Watenstedt im Kreis Helmstedt (a, b, c, d, e, ), die schon in der Frühbronzezeit besiedelt war und die derzeit im Rahmen eines DFG-Projektes erforscht wird. Es gibt die "Schwedenschanze" bei Isingerode (a, b, c, d, ). Es gibt den Dommelsberg bei Koblenz (a, b, c ). Es gibt die Schellenburg bei Enkering, Landkreis Ingolstadt (a, b, c, d), sowie den Stadtberg von Neuburg an der Donau (a, b, c, d).
Auch zu dem Bereich der heutigen Tschechei findet man einige Angaben (a, b, c ). Es gibt den Oberleiseberg in Niederösterreich (a, b, c, d,), der um 1600 v. Ztr. durch Brand zerstört worden ist. Es gibt den Freinberg in Oberösterreich (a, b, c, d), den Luftenberg in Oberösterreich (a, b, c, d). Ähnliches findet man im Montafon in Vorarlberg (a, b, c, d ). Im Aargau in der Schweiz wird der Kestenberg erforscht (a, b, c, d ).
***) Der Schloßberg von Dohna, der Burgberg von Löbsal, die Schanze von Göhrisch, der Schloßberg von Mutzschen, der Rudelsberg (bzw. -burg) bei Bad Kösen, die Otterzunge bei Orlishausen, der Weinberg bei Grabe, die Burg von Querfurt, die Schalkenburg bei Quenstedt und die Altenburg in Langenstein.

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Literatur:
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2. Neudert, Christoph: Höhenbefestigungen der Bronze- und Urnenfelderzeit. Archäologische Untersuchungen im Umland des Frauenberges, Niederbayern. Universitätsverlag Regensburg, 2003
3. Harald Meller (Hg.): Der geschmiedete Himmel. Die weite Welt im Herzen Europas vor 3600 Jahren. Konrad Theiss, Stuttgart 2004
4. Parzinger, Hermann: Die frühen Völker Eurasiens. Vom Neolithikum zum Mittelalter. C.H. Beck, München 2006
5. Mai, Klaus-Rüdiger: Die Bronzehändler. Eine verborgene Hochkultur im Herzen Europas. Campus Verlag, Frankfurt/Main 2006
6. Wiechzorek, A.; Lind, C. (Hg.): Ursprünge der Seidenstraße. Sensationelle Neufunde aus Xinjiang, China. Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 2007
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8. Weinberger, Susanne: Warfare in the Austrian Weinviertel during the Early Bronze Age. Verlag der Österr. Akademie der Wissenschaften, Wien 2008
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