Zur Lebenslage der Nation

Der neue Armutsbericht der Bundesregierung heißt eigentlich “Lebenslagen in Deutschland” und beschreibt vor allem, wie die Regierungskoalition versucht, ihren Bundesbürgern die eigentlich doch gar nicht so schlechte Lage in Deutschland zu erklären. In der entsprechenden Pressemitteilung steht deshalb auch nichts, was Philipp “Ich mach mir die Welt wiede-wiede-wie sie mir gefällt” Rösler nicht ertragen könnte. Denn aus der Perspektive eines Durchschnitts-FDPlers “geht es uns eben gut.” Und das muss man doch auch mal sagen dürfen.

“Der Bericht betrachtet erstmalig Armutsrisiken nicht als statische Größe, sondern als veränderbaren Prozess. Es geht um die Analyse der Wege in und aus Armut.

Die vorliegenden Daten belegen eine positive Entwicklung der meisten Lebenslagen in Deutschland. Es gibt aber auch Befunde im 4. Armuts- und Reichtumsbericht, die Handlungsbedarf signalisieren.”

Handlungsbedarf signalisiert vermutlich die Tatsache, dass erst zwischen 14 und 16 Prozent der Bundesbürger von Armut bedroht sind – ich bin mir sicher, dass die Regierung da noch einiges machen kann. Schließlich gab es Zeiten, da waren so ziemlich alle in Deutschland arm – bis auf die ganz Reichen eben. Da muss man nicht mal ins Mittelalter zurück, da reicht auch schon ein Blick in die vergangenen 100 Jahre wenig glorreicher deutscher Geschichte völlig aus.

Der Reichstag in Berlin

Unsere Regierung findet, dass man auch mal das Positive sehen muss.

Immerhin durfte die Formulierung, dass Privatvermögen in Deutschland sehr ungleich verteilt seien, im Bericht bleiben, auch wenn sich hier gewisslich auch noch etwas zugunsten der Reichen drehen lässt. Den reichsten 10 Prozent gehören ja erst lumpige 66 Prozent des Nettovermögens. Erfolgreicher war die Regierung bei den Habenichtsen, den unteren 50 Prozent gehört gerade noch ein Prozent am Nettovermögen – aber das wird sich gewiss noch ändern lassen. Warum sollen sich das nicht 60, 70 oder 80 Prozent des Volkes teilen? Der Mensch kann auch von einem Brotkanten leben und mit einem Billigob bei Amazon oder Kik glücklich werden. Die Leute sollen halt nicht immer nur aufs Materielle schauen – Millionen von Niedriglöhnern bleibt ohnehin nichts anderes übrig, als sich an ideellen Werten zu orientieren.

Die Frage, was arm und was reich ist, ist übrigens gar nicht so leicht zu beantworten. Ein Arbeitnehmer verdient in Deutschland durchschnittlich 30.000 Euro im Jahr. Damit ist man weder reich noch arm. Etwa die Hälfte der Steuerpflichtigen verdient im Durchschnitt weniger, aber nur wenige verdienen deutlich mehr: Etwa 10 Prozent bekommen mehr als 73.400 Euro, ein Prozent hat einen Jahresverdienst von mehr als 206.000 Euro. Oft sind das aber nicht die Leute, die sich selbst als “reich” bezeichnen würden. Hier spielt dann eine Rolle, ob es noch ererbten Familienbesitz gibt, also Villen, Schlösser, Unternehmen, Land und so weiter.

Reich sein, heißt nämlich nicht nur Geld haben, sondern auch das Bewusstsein, was Besseres zu sein als die andern. Einfach zu verdienen, dass man immer besser dran ist als der Pöbel, der ohnehin nicht mit Geld umgehen kann. Schon gar nicht mit viel Geld. Das überlässt man besser denen, die es nicht nötig haben, für Geld arbeiten zu gehen.

So sind nämlich nicht allzu viele drauf. Die allermeisten begnügen sich (oft auch noch dankbar) mit der Rolle, die ihnen zugedacht ist: Jeden Tag für den Reichtum der anderen arbeiten zu müssen bzw zu dürfen und froh zu sein, wenn es für den eigenen Lebensunterhalt irgendwie reicht. Und wenn es nur für ein bescheidenes Leben ausreicht, sind die Leute auch noch stolz darauf, wie gut sie sich in ihrer Armut doch eingerichtet haben, im Vergleich zu den anderen, denen es halt noch schlechter geht.

Gar nicht schwer ist hingegen die Frage zu beantworten, was denn anders wäre, wenn die Regierung den Bericht einfach so veröffentlich hätte, wie er damals vor eineinhalb Jahren schon niedergeschrieben war: Gar nichts. Was immer diese Regierung auch beschönigen mag – es sind schließlich nur Worte, um die da gefeilscht wird. An den Maßnahmen, die zu den mit welchen Worten auch immer beschriebenen Zuständen geführt haben, wird so oder so nicht das Geringste geändert.

Es ist bezeichnet, wie sehr sich die Medien darauf stürzen, zu analysieren, was die Regierung in diesem Bericht alles beschönigen würde. Ja, und?! Warum stürzen sie nicht nicht darauf, mal zu überlegen, was denn geändert werden müsste, damit die Zustände für die Leute erträglicher würden?!

Sie tun es nicht, weil es darauf nur wirklich unbequeme Antworten gibt. Denn genau diese Regierung, die wie ihre Vorgängerregierungen alles dafür getan hat, dass das Leben für Millionen von Menschen in Deutschland schlechter, härter und anstrengender geworden ist, hat das ja nicht aus Versehen getan, sondern mit voller Absicht. Diese Absicht ist es, die in diesem dämlichen Bericht positiver herausgestellt werden sollte: Die Niedriglöhner haben zwar keinen tollen, aber doch immerhin einen Job. Es ist doch unfair, immer nur auf der ungleichen Verteilung von Vermögen herumzureiten.

Und trotz aller Bemühungen, die Prolls wieder von den Universitäten fernzuhalten, gibt es noch immer ein paar Arbeiterkinder, die ein Studium schaffen und dann einen halbwegs brauchbaren Job ergattern können: Wenn man nur wirklich will und sich richtig Mühe gibt, dann muss man nicht einmal in die FDP eintreten, um es im Leben zu etwas zu bringen. Schließlich können die deutschen Unternehmen nicht alle ihre Fachkräfte, an denen es angeblich mangelt, im Ausland einkaufen. Zumal die verwöhnten Ausländer, die entsprechend qualifiziert sind, inzwischen auch nicht mehr zu deutschen Konditionen arbeiten möchten.

Und das undankbare Volk soll endlich kapieren, dass alles noch sehr viel schlimmer sein könnte – siehe Griechenland, Spanien, Portugal und so weiter – wenn unsere Regierung nicht so vorausschauend gehandelt und ihr Volk schon einmal mit Niedriglohn und Harzt-IV-Satz auf die Krise vorbereitet hätte.

Dafür haben die Mitverursacher der Krise, die Finanzberater, für die Stabilisierung des deutschen Bankwesens zwischen Oktober 2008 und Dezember 2012 fast 100 Millionen Euro an Beratungshonoraren kassiert – und es ist doch wohl klar, dass dieses Geld nicht auf der Straße gelegen hat, sondern umverteilt werden musste.



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