Die Welt ist nicht schön und viele Menschen werden im Laufe ihres Lebens depressiv – wobei das nicht heißt, dass sie einfach schlecht drauf sind – sie werden krank. Depressionen gelten als häufigste psychische Erkrankung und interessanterweise sind gerade Menschen in reichen Ländern deutlich häufiger betroffen als Menschen in armen Ländern. Derzeit wird über eine neue Studie berichtet, der zufolge weltweit etwa 121 Millionen Menschen an Depressionen leiden. In Deutschland sollen etwa 4 Millionen Menschen von depressiven Erkrankungen betroffen sein – Tendenz steigend.
Die Untersuchung wurde im Journal BMC Medicine publiziert. Ein großes internationales Forscherteam um Evelyn Bromet von der State University of New York in Stony Brook wertete dafür detaillierte Interviews mit mehr als 89.000 Menschen aus 18 Ländern aus. Als zehn Länder mit hohem Einkommen gelten Deutschland, Belgien, Frankreich, Israel, Italien, Japan, die Niederlande, Neuseeland, Spanien und die USA. Zu den acht übrigen Ländern mit mittleren und niedrigen Einkommens zählten Brasilien, Indien, China, Mexiko, Südafrika sowie die Ukraine.
Der Studie zufolge tragen 15 Prozent der Menschen in Ländern mit hohem Einkommen das Risiko, im Lauf des Lebens an einem depressiven Zustand zu erkranken. In Ländern mit einem niedrigen oder mittleren Einkommen liegt diese Zahl mit elf Prozent niedriger. Die Forscher sprechen von einer depressiven Episode (MDE, Major Depressive Episode), wenn mindestens fünf von neun Kriterien erfüllt sind. Dazu gehören unter anderem der Verlust des Selbstbewusstseins, Schlaf- und Appetitlosigkeit, schlechte Konzentrationsfähigkeit und ein Gefühl von Traurigkeit. Entsprechende Tests mit Fragebögen sollen bei der Diagnose weltweit verbreitet sein.
Der Anteil von Menschen mit MDE war laut der Studie in den reichen Länder deutlich erhöht – 28 Prozent gegenüber 20 Prozent in den Ländern mit geringeren Einkommen. Besonders hoch, nämlich mehr als 30 Prozent, war der Wert in Frankreich, den Niederlanden und den USA. Bemerkenswert: Der MDE-Anteil fiel in China mit 12 Prozent sehr viel niedriger aus.
Wenn man bedenkt, dass chronischer Stress als eine der Hauptursachen für eine depressive Erkrankung gilt, verwundert das schon ein wenig, denn das Leben in den armen Ländern ist gewiss nicht weniger stressig als in den reicheren Ländern. Andererseits wird es dort vermutlich als weniger belastend empfunden – interessanterweise erkranken ja hierzulande gerade Leute, die ihre Arbeit verlieren, an Depression, weil sie keine Lebensaufgabe für sich mehr sehen und sich wertlos und nicht mehr gebraucht fühlen. Es geht bei der Depression weniger um die tatsächliche Belastung als um die gefühlte. Andererseits ist es ja auch tatsächlich belastend, wenn einem dauernd unter die Nase gerieben wird, dass man ein Loser sei und zu nichts mehr nütze.
Auch wird einem hier ja ständig beigebracht, sein Selbstwertgefühl an irgendwelche Dinge zu knüpfen, die man sich irgendwie erarbeitet oder erschaffen hat, oder die man sich irgendwie leisten kann – dass jeder Mensch an sich einen (Selbst)Wert hat, wird ja ständig infrage gestellt. Wer sich in unserer Gesellschaft nicht rechnet, hat keinen Wert, also auch keinen Anlass für ein positives Selbstwertgefühl.
Bemerkenswert finde ich auch, dass über sämtliche Kulturen hinweg Frauen doppelt so oft unter Depressionen leiden wie Männer. Einer der Hauptauslöser soll in diesen Fällen oft der Verlust des Partners durch Trennung, Scheidung oder Tod sein. Es gibt durchaus Wissenschaftler, die vermuten, dass Frauen nun mal eher zu Depressionen neigen. Man könnte aber auch auf die Idee kommen, dass die Lebensumstände für Frauen in der Regel halt schlechter werden, wenn mit dem Mann nicht nur der Lebensmittelpunkt – denn in vielen Kulturen wird von den Frauen nun einmal erwartet, dass sie sich nicht um sich selbst, sondern um ihren Mann und die Kinder kümmern – sondern auch die materielle Grundlage wegfällt.
Denn häufig verdient noch immer der Mann das Geld. Und gerade in Kulturen, wo Frauen ohnehin wenig zu sagen haben, hat eine von ihrem Mann geschiedene oder verstoßene Frau dann erstrecht nichts mehr zu lachen. Und auch hierzulande ist es für Frauen einfach schwerer, wieder in den Beruf einzusteigen, wenn der Mann gestorben oder sonstwie abhanden gekommen ist. Was nicht heißt, dass es nicht auch Männer gibt, die über den Verlust ihrer Partnerin nicht hinwegkämen. Aber in der Regel ändert sich für einen Mann das Leben sehr viel weniger – schon weil er sehr viel häufiger einen besser bezahlten Job hat.