Je häufiger heutzutage von Presse- und Satirefreiheit geredet wird, desto weniger ist eigentlich das Grundrecht gemeint. Das Gerede dient den Herrschenden vielmehr dazu, den anderen zu zeigen, wie rückständig sie doch sind.
Wer kann sich noch an den Arabischen Frühling erinnern, als Länder wie Tunesien ihre Diktatoren stürzten und freie Wahlen veranstalteten. Die Begeisterung in der westlichen Welt war zunächst riesig, bis das Abstimmungsergebnis bekannt gegeben wurde. Die Menschen wählten mehrheitlich muslimische Parteien.
Unverständlich für den Westen und seine von der Satire weitgehend befreiten Medien. Bierernst fragten sie damals: „Sind die da unten überhaupt reif für die Demokratie?“ Als dann in Ägypten die Armee auf Demonstranten schoss, die gegen die Absetzung des gewählten Präsidenten Mursi protestierten, schrieben die gleichen Medien, die Demokratie sei gerettet worden.
Anschaulich ja, aber nicht informativ
In Paris versammeln sich einige Staatschefs etwas abseits vom Volk zum Foto-Shooting. Anschließend fahren sie wieder nach Hause. Die Presse nannte das einen kollektiven Marsch gegen Terrorismus und für Grundwerte an der Spitze von einer Million Menschen. Wenn dann aber der Zuschauer dank des Internets bemerkt, dass die Medien am Grund der Sache eher weniger interessiert waren, als vielmehr am Vermarktungswert ihrer Berichterstattung, wird er pampig.
Also nicht der Zuschauer, sondern der Journalist, der den gesendeten Unsinn in seinem aufgemotzten und von uns allen für knapp 24 Millionen Euro finanzierten Studio zu verantworten hat. Kai Gniffke, Chefredakteur der ARD Aktuell Redaktion, sieht sich beinahe wöchentlich verpflichtet, auf Zuschauerkritik in seinem Blog zu antworten. Allerdings lässt der Verantwortliche für die Nachrichten bei seinen Begründungen alles vermissen, was journalistisches Können ausmacht.
Dabei steht seiner Redaktion eine große Medienwand zur Verfügung, die nach eigener Darstellung eine bessere optische Umsetzung von Nachrichten erlaube. Schwierige Sachverhalte können in Form von animierten Grafiken anschaulicher dargestellt werden, so hieß es bei der Präsentation im April letzten Jahres. Anschaulich soll es sein, aber nicht informativ, könnte man heute erwidern. Mit großen Bildern, die nur einen kleinen Ausschnitt zeigen, wird offenbar mehr auf konstruierte als auf echte Realität gesetzt.
Eine tolle Pressefreiheit ist das unterm Strich, die da zur Schau getragen wird und am Sonntagmorgen im Presseclub einen weiteren Höhepunkt erfährt. Dort versammeln sich nämlich regelmäßig fünf namhafte Journalisten, um sich gegenseitig die oftmals gleichlautende Meinung zu bestätigen. Pressefeigheit wäre da treffender.
Pressefreiheit heißt Verantwortung
Das Entscheidende bei dem Begriff Pressefreiheit ist nicht die Freiheit, sondern die Verantwortung. Ein Journalist hat auch immer die Aufgabe abzuwägen und zu prüfen, welche Folgen Berichterstattung oder Meinungsäußerung hat. Wer Pressefreiheit um ihrer selbst Willen missbraucht, hat kein Interesse mehr an der Nachricht oder der Kritik, sondern findet nur Gefallen an der eigenen Machtdemonstration.
Die zum Teil heuchlerischen Solidaritätsbekundungen nach den Pariser Morden folgen genau diesem Muster, wenn zum Beispiel gesagt wird, Moslems müssten ertragen, dass über ihren Propheten gespottet werde. Das „Wie“ wird dabei gar nicht beachtet. Die Frage, welche Kritik die Karikaturisten zum Ausdruck bringen wollten, blieb im Fall von „Charlie Hebdo“ zunächst außen vor.
Inzwischen stellen sich einige Kollegen dieser Frage und haben herausgefunden, dass kritische Aussagen kaum zu finden sind. Die Bilder stehen da, bedienen Ressentiments und sind oftmals rassistischer Schund. Sie stellen eine Provokation dar, die eine Antwort erwartet und eben nicht die Wahl lässt, sie zu ignorieren. Wenn diese Antwort dann auch noch gewalttätig ausfällt, ist der Beweis der schon immer vermuteten Gewalttätigkeit einer uns fremden Gruppe erbracht.
Damit liefert die Pressefreiheit auch das Futter für rassistische Bewegungen, die letztlich mit den Mitteln der Ausgrenzung und der Angst arbeiten. Soll das aber eine Aufgabe von Journalismus sein? Dumpfe Gewalt provozieren und Identitätsstifter für das ein oder andere falsche Bewusstsein sein? Wenn Verantwortung eine journalistische Tugend ist, wird Aufklärung und nicht das Vorurteil zum natürlichen Verbündeten. Mit Zensur hat das nichts zu tun. Die Provokation und Zuspitzung bleibt nämlich erhalten für den, der weiß, was eine Polemik ist.
Alles zu dürfen, heißt nicht, auf gedankliche Arbeit zu verzichten
Für die Satire gilt etwas Ähnliches. Zur Zeit wird wieder Tucholsky inflationär bemüht, der vor gut 100 Jahren auf die Frage, was darf Satire, antwortete: „Alles.“ Die meisten geben sich damit zufrieden, halten das für einen Freifahrtschein, verkennen aber die Überlegungen, die Tucholsky anstellte, bevor er zu seinem Urteil kam. So schreibt er über die Satire, dass sie freilich übertreiben und ungerecht sein muss, aber er sagt auch klar: „Sie bläst die Wahrheit auf, damit sie deutlich wird.“ Folglich liegt derjenige weit daneben, der mit der Unwahrheit paktiert und dabei glaubt wahlweise witzig, informativ oder kritisch zu sein.
Die Feststellung, dass Satire alles dürfe, befreit nicht von der eigenen gedanklichen Arbeit, die auch für diese Form der freien Gestaltung geleistet werden muss.
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