Zum Streit an der Oper Halle: Offener Brief an den Aufsichtsrat der Bühnen Halle

Bisher habe ich zum aktuellen Konflikt an der Oper Halle geschwiegen. Ich verfolge die Entwicklungen in dieser Sache schon länger und blicke mit großer Sorge auf die möglichen Konsequenzen. Dass das junge Leitungsteam um Florian Lutz, Veit Güssow und Michael von zur Mühlen mit ihrem teilweise (!) experimentellen und progressiven Programm polarisieren werden, war von Anfang an klar. Viele Angehörige der deutschsprachigen Theaterwelt beobachteten voller Neugier dieses mutige Vorhaben in Halle - unter anderem vielleicht, weil sie sich selbst mehr Mut, Aktualität und Relevanz im eigenen Haus wünschen. Nun besteht die Gefahr, dass Lutz und sein Team für das, was sie geplant hatten und erfolgreich umgesetzt haben, abgestraft werden. Ich höre schon das unvermeidliche „I told you so!" in den Opernkantinen und die darauffolgende resignierte Rückkehr in die weit verbreitete und akzeptierte Mittelmäßigkeit.

Noch ist Florian Lutz aber im Amt und hat neben mir noch viele andere Fürsprecher. Diese haben vor Kurzem einen Offenen Brief geschrieben, den ich hier ungekürzt wiedergebe:

Offener Brief
An den Aufsichtsrat der TOOH GmbH Halle (Saale)

Sehr geehrter Herr Vorsitzender Dr. Bernd Wiegand,
Sehr geehrte Mitglieder des Aufsichtsrates der TOOH,

mit Entsetzen haben wir die Mitteilung von NT-Intendant Matthias Brenner in der MZ vom 28.3.2019 zur Kenntnis genommen. Bereits die Entscheidung, die Intendanz von Florian Lutz nicht zu verlängern, stieß bei uns nicht nur auf Unverständnis, sondern stieß uns
vor den Kopf. Stefan Rosinski, Geschäftsführer der TOOH, hat es geschafft, viele gegen sich aufzubringen und Streit und Zwietracht zu befördern. Führungsfähigkeiten eines Chefs sehen anders aus. Wenn man sich mal seine Vita der letzten Jahre ansieht, gleichen sich
die Bilder seiner letzten drei Arbeitsstellen.

  • 2006 - 2009, Generaldirektor der Stiftung Oper in Berlin, völliges
    Zerwürfnis mit dem Regierenden Bürgermeister in Berlin, Entlassung
  • 2009 - 2010, Chefdramaturg an der Volksbühne Berlin, der damalige
    Intendant Frank Castorf (ein Star seiner Zunft) hat ihn rausgeworfen mit
    den Worten „gestörtes Vertrauensverhältnis und keine auch nur
    annähernd brauchbare Spielzeitplanung" (Theaterportal, nachtkritik.de)
  • 2011 - 2016, Völliges Durcheinander bei der Neustrukturierung der
    Theaterszene in Rostock hinterlassen

Herr Rosinski hat es geschafft, in Halle eine Situation herbeizuführen, die offenbar das Betriebsklima vergiftet, die Leistungen der Intendanten Lutz und Brenner in Frage stellt und ganz offensichtlich das Ziel eines Generalintendantenmodells verfolgt. Das wäre fatal.

Der Intendant Matthias Brenner ist in Halle eine Instanz. Wir möchten ihn nicht missen.

Florian Lutz ist als Intendant verpflichtet worden, um Halles Opernpublikum zu verjüngen, um neue Wege zu gehen, um die innovative Kraft der Oper auf die Bühne zu bringen. Das Programm von ihm und seinem Team genießt viel Zuspruch, vor allem auch bei jungen Leuten. Mit Experimenten wie der Raumbühne von Sebastian Hannak schaffte er es, für die Oper Halle bundesweite Aufmerksamkeit zu erzeugen, dafür gab es den Deutschen Theaterpreis „Faust". „Die Zeit" schrieb über die Oper Halle sogar von einem der aufregendsten Musiktheaterhäuser Deutschlands. Peter Konwitschny, eine Hausnummer in der Szene, hat sich pro Lutz ausgesprochen. Mit der jüngsten Entscheidung des Aufsichtsrates kehren wir möglicherweise zurück in die Regionalliga, zu gepuderten Perücken, zur toten Oper. Kunst muss streitbar bleiben, Kunst muss innovativ sein. Die Aufgabe ist nicht konservierende Denkmalpflege sondern lebendige zeitgenössische Auseinandersetzung mit aktuellen Themen. Dieser Aufgabe kamen und kommen Oper und Schauspiel vorbildlich nach. Sie sind außergewöhnliche Leuchttürme der Mitteldeutschen Kulturlandschaft mit bemerkenswerter deutschlandweiter Strahlkraft. Das darf nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden. Tagesaktuell hat Wirtschaftsminister Willingmann am 28.3. im MDR den Weggang vieler junger Leute aus Sachsen-Anhalt beklagt. Unser Bundesland hat die ungünstigste demographische Situation in Europa. Diesem Trend „solle man durch ein junge Leute anziehendes und hervorragendes sozio-kulturelles Umfeld entgegenwirken", so Willingmann.

Dem ist nichts hinzuzufügen.

Oper und Schauspiel sind dabei Schlüsselinstitutionen.

Die Zusammensetzung des Aufsichtsrates der TOOH ist zu hinterfragen. Zwei Mitglieder des Aufsichtsrates haben sich bereits vor der Abstimmung (in der Bildzeitung und im Deutschlandfunk) wertend zu den Personalien geäußert, ja sogar Entlassung gefordert. Das dürfen Aufsichtsratsmitglieder in ihrer Funktion nicht. Gibt es in diesem Gremium eine Complianceregelung? Offenbar nicht. Das wäre vor dem Hintergrund der getroffenen Entscheidungen problematisch. Sicher ist es möglich, hier eine Lösung zu finden. Die Intendanten selbst sind immer noch gesprächsbereit. Brenner und Lutz mit ihren Teams und Ensembles bereichern den Kulturstandort Halle (Saale) in ganz besonderer Weise. Beide sollten ihre Arbeit fortsetzen dürfen !

Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Halle (Saale) 2. April 2019

Dr. Simone Heinemann-Meerz, niedergelassene Kardiologin
Prof. Dr. Christel Taube, Kulturbotschafterin
Prof. Dr. Sara Burkhardt, Kunstpädagogin, Burg Giebichenstein
Kunsthochschule Halle,
Peter Dehn, Geschäftsführer Proton International, Ausschuss für
Wirtschafts- und Wissenschaftsförderung Halle
Herbert Fritsch, Schauspieler u. Regisseur, Theaterpreis 2017 Berlin
Prof. Dr. Michael Gekle, Dekan der Medizinischen Fakultät der MLU
Halle-Wittenberg
Prof. Axel Müller-Schöll, Innenarchitekt, ehem. Rektor der Burg
Giebichenstein Kunsthochschule Halle
Prof. Andrea Zaumseil, Bildhauerin, Dekanin des Fachbereichs Kunst
der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle

Wer sich diesem Schreiben anschließen möchte, kann sich per Mail an [email protected] wenden.

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