In Garmisch erlöschen langsam die Lichter. Die Sonne streift den Gipfel der Zugspitze. Ein unvergessliches Bergerlebnis in absoluter Einsamkeit.
Es gibt Dinge, die sind für jeden Bergsteiger etwas besonders. Dazu gehört etwa, als erster in einen unverspurten Hang mit frischem Pulverschnee zu fahren, oder den Gipfel ganz für sich zu haben, um das Gipfelerlebnis und die Natur in seiner Ursprünglichkeit alleine genießen zu können. Hier findet man Ruhe, gewinnt neue Perspektiven und neue Energie für die Erfordernisse des Lebens.
Die Kramerspitze (1.985 m) in Garmisch gehört zu den beliebtesten Wanderzielen in den Ammergauer Alpen. Am Wochenende ist der Gipfel mit Wanderern meist dicht bevölkert. Was vollkommen nachvollziehbar ist: Der Berg ist leicht zu erreichen, es gibt unzählige Wege von leicht bis schwer, der Gipfel bietet eine herrliche Aussicht auf die Ammergauer Alpen, das Estergebirge und das Wettersteinmassiv mit der Zugspitze. Auf dem Rückweg kann man an der St. Martinshütte oder der Stepbergalm einkehren und sich bei einem Weißbier mit den anderen Bergsteigern austauschen. Wer hier gerne allein sein will, muss zu ungewöhnlichen Zeiten unterwegs sein. Und genau deshalb liebe ich Sonnenaufgänge in den Bergen. So früh ist meist kaum jemand auf den Beinen.
Am Vortag ist die Euphorie meist groß. Wenn am nächsten Tag um vier Uhr in der Früh der Wecker erbarmungslos klingelt, nur mehr gering. Wiederwillig schäle ich mich aus dem Bett und in meine Klamotten. Hunger habe ich um diese Uhrzeit keinen. Trotzdem würge ich mir noch ein Honigbrot runter, bevor ich ins Auto springe und wir zum Parkplatz Maximilianshöhe fahren.
Wettlauf gegen die Zeit
Im Schein der Stirnlampe machen wir uns auf den Weg. Wir folgen zuerst dem Kreuzweg und biegen dann nach rechts auf einen kleinen Steig ab. Der Weg ist steil und so machen wir schnell Höhenmeter. Ich bin noch halb verschlafen und so ist mir alles vollkommen zuwider. Jeder Schritt fühlt sich schwer an und ich habe das Gefühl, viel zu langsam unterwegs zu sein. Stillschweigend geht es deshalb Serpentine für Serpentine nach oben. Ich beginne zu zweifeln, ob wir es rechtzeitig vor Sonnenaufgang auf den Gipfel schaffen.
Am Horizont beginnt es schon zu dämmern. In mir steigt die Panik, nicht schnell voran zu kommen. Also lege ich lieber einen Gang zu. In der Dunkelheit ist die Entfernung bis zum Gipfel schwer abzuschätzen. Doch es zeigt sich, dass wir schon kurz unterhalb des Gipfels sind.
Sonnenaufgang über dem Wettersteinmassiv
Kurz vor sieben erreichen wir den Gipfel. Der Horizont leuchtet schon in in allen Rottönen. Trotzdem müssen wir noch über eine Stunde warten, bis die Sonne hinter dem Wettersteinmassiv zum Vorschein kommt. Die ganze Panik war vollkommen unnötig.
Mit einer Thermoskanne voll heißem Tee, machen wir es uns am Gipfel gemütlich. Die Ruhe und die Weitsicht über die Berge entschädigen für die kurze Nacht.
Um acht Uhr passiert es endlich. Zuerst leutet die Sonne den Gipfel der Zugspitze an, bevor der leuchtende Feuerball über dem Wettersteinmassiv zum Vorschein kommt. Die Strahlen der Sonne spenden angenehme Wärme und irgendwie ist dies auch der Moment, in dem in mir die Lebensgeister wieder voll erwachen. Wir genießen noch ein wenig den Moment und die wärmende Sonne, bevor wir uns auf den Rückweg machen.
Tourdaten
- Ausgangspunkt: Parkplatz Maximilianshöhe
- Höhenmeter: 1.200 m
- Länge: 14 Kilometer
- Dauer: 7 Stunden Gehzeit
- Schwierigkeit: mittelschwer