Zum 1. Geburtstag der Aktionsplattform opendataberlin – 3 Fragen an @julia_witt

Von Witt

Interview mit Julia Witt, Mitbegründerin und Koordinatorin der „Aktionsplattform opendataberlin“ @D2B1

Original unter  http://www.gov20.de

gov20.de: Die Idee entstand auf dem Vorabendempfang des gov 2.0 Camp letztes Jahr. Ihr habt quasi heute Abend Euren ersten Geburtstag. Was hat sich in der Zeit getan?

Julia: Zu meiner großen Freude sehr viel. Das Thema open data im engen Sinne – aber noch mehr das Interesse für den Wandlungsprozess hin zu einer transparenten, offenen, partizipativen Gesellschaft ist enorm gewachsen. Vor einem Jahr noch das Hobby einer kleinen Truppe von Bastlern mit Mateflasche – ist Transparenz der öffentlichen Daten ein viel diskutierter Punkt in allen Kreisen. Vor einem Jahr noch das Vokabular von Beratungsagenturen auf farbigen Folien – ist es inzwischen als Thema der Feierabendbildschirmunterhaltung auffällig und akzeptiert. Und zusätzlich zu ersten Erfahrungen in der Umsetzung haben wir nun auch verstärkt den Focus der sozialen und politischen Komponente aufgenommen: also nicht nur Daten öffnen um jeden Preis und als Selbstzweck, sondern als Basis und zugleich Ermöglichung einer demokratischen Mitsprache. Das enthebt die parlamentarisch gewählten Vertreter ebenso wenig ihrer Verantwortung wie es die Verwaltung zu ohnmächtigen Schützern wertloser Restdaten macht. Hier wird allerdings, das ist richtig, eine neue Ebene in den Demokratieprozess eingezogen, die wahrzunehmen einen anderen Umgang, eine andere Art der Verantwortung fordert. Viele Menschen wünschen dies, unterstützen dies und informieren sich – auch aktuell auch nach dem Wahlsieg der Piraten – darüber, was sich unter all den Themen verbirgt. Wir haben das Glück, dass wir in unserer Aktionsplattform Menschen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen haben, so dass die Entwicklung sehr offen und prozeßhaft gestaltet werden kann.

gov20.de: Wie ist es gelungen, eine so unterschiedliche Gruppe von Leuten ein Jahr lang nicht nur zusammen zu halten, sondern auch handlungsfähig zu werden – immerhin habt Ihr mit dem 1. Berlin open data day am 18. Mai eines der besten Events zum Thema auf die Beine gestellt und nun gibt es auch noch seit dem 15. September das neue Portal www.daten.berlin.de

Offenheit, Zuverlässigkeit und Vertrauen bleiben ja auch in im digitalen Zeitalter die wichtigsten Basispfeiler einer guten Zusammenarbeit und da muss ich das Kompliment an die Mitstreiter weiter geben. Wir hatten als Ausgangspunkt letztes Jahr die Situation, dass genau die unterschiedliche Art der Kommunikation ( wie schnell, wie kritisch, wie flexibel agiert man ) Thema der Gespräche war. Auf der einen Seite schien es so: hier die konservative Verwaltung, starr, hierarchisch, verschlossen auch in Sprache und Auftritt – auf der anderen Seite die Netzaktivisten, modern, schnell in Wertung und Klicks. Dazwischen ein paar Berater. Hier haben wir einen für alle Beteiligten interessanten Lern- und Austauschprozess hinter uns, den als Arbeitsform absolut alle Beteiligten nicht mehr missen möchten. Wichtig war vor allem: wir haben uns weder an den tradierten Mechanismen der Macht ( „dieses Jahr ist Wahljahr, da passiert sowieso nichts“ ) noch an den Selbstfindungsspielchen von Vereinen aufgehalten, sondern Ziele gesetzt, die machbar waren und die wir gemeinsam zügig umgesetzt haben. Es zeigt: wer Vorbehalte abbaut, wer es schafft, eine gut Motivation aufrecht zu erhalten, der kann auch etwas umsetzen. Und das dies in einem kleinen Ort einfache geht, in der Hauptstadt selbst aber komplexer und schwieriger ist, ist jedem klar. Dass die Tagung http://www.gov20.de/berlin-i-love-your-boddy wirklich viele konstruktive Kontakte gebracht hat, und schon jetzt am 2. Berliner open data day 2012 geplant werden kann, ist ein guter Erfolg. Wichtig ist mir aber auch – das merken ja alle – dass man die Thematik so darstellt, dass sie potentielle Mitstreiter begeistert und einschließt. Hier haben wir innerhalb der Aktionsplattform auch verteilte Rollen, Daniel Dietrich und Friedrich Lindenberg stehen für die anerkannte und etablierte Expertenschaft beim Thema opendata selbst. Anke Domscheit-Berg steuert den Blickwinkel der seit Jahren Verwaltung beratenden Fachfrau bei, jemand wie Jens Best gehört zu denen, die die Sinnfrage stellen und mit Sebastian Sooth von Wikimedia ist ein Fachmann für Offenes Wissen im Boot – nicht zuletzt nennen möchte ich Stefan Gehrke, der als intellektueller Anreger, Moderator und Prozessbegleiter unverzichtbar ist. Und auf der Seite der Verwaltung ? Da haben zwei Verwaltungen wirklich von der Ministerebene bis zu den Mitarbeitern uns unterstützt – das sind die Senatsverwaltung für Wirtschaft und jene für Inneres. Hier sind es Herr Dr. Wolfgang Both und Karl-Heinz Löper, die inzwischen jederzeit erreichbar sind und als Motor der Prozesse auch dafür gesorgt haben, dass wir mit dem Datenportal starten konnten, zwei tolle Kollegen, die inzwischen hohe Anerkennung genießen. Hier müssen wir weiter machen, hier muss es darum gehen, nach der Senatsbildung, also faktisch ab Januar, dann neu Kontakte zu knüpfen, in wichtigen Ressorts Mitstreiter zu finden und natürlich auch, den Prozess glaubhaft weiter zu führen.

Zu Recht ist die Community da sehr aufmerksam, es wird genau geprüft, wie offen, wie transparent, wie ehrlich da agiert wird, das bleibt auch so und wird auch uns als Aktionsplattform weiter prägen.

gov20.de: Was sind die nächsten Aufgaben – müsst Ihr nicht raus aus der Ecke eines kleinen Aktivistenteams, muss nicht ein Land wie Berlin sich konsequenter auch abgestimmt dazu verhalten – wie sinnvoll wäre es, wenn der Senat mit einem Regierenden Bürgermeister das beschließt ?

Ganz bewusst hatten wir in unserer Zeitplanung das open government camp 2.0 platziert: hier wollen wir auch sehen, was von unserer Position im Kreis der Aktiven anderer Bundesländer, Städte, Verwaltungen aufgenommen wird. Ich freue mich, dass wir unseren Ansatz hier präsentieren können, dass wir viele Kollegen und Mitstreiter treffen und natürlich bin ich gespannt auf neue Ideen. Und ebenso bewusst haben wir mit diesem prozesshaften Umgang auch eine Form gewählt, die ausgehend von den Akteuren austestet, was möglich ist und dann sich weiter voran bewegt. Im Wissen um die Akteursszene und das Wahljahr, mit der Wahrnehmung dessen, wie ignorant oder vereinnahmend einige in den Parteien auf die Herausforderung der Piraten reagieren sind aus meiner Sicht drei Dinge für unsere weitere Arbeit wesentlich:

1. Die Zielrichtung muss klarer definiert werden als gesellschaftlicher Aufgabe – Offenheit ist keine Option, sondern muss im Miteinander von Bürgerinnen und Bürgern, Politik und Verwaltung und Vorkämpfern des Themas gemeinsam gestaltet werden

2. Das kann dazu führen, dass auch ein Land, eine Stadt, eine Gemeinschaft sich prinzipiell mit Beschluß von „ganz oben“ dazu bekennt, so etwas kann den Prozess beschleunigen, vielleicht auch Akzeptanz schaffen bei eher hierarchisch Orientierten – aber ich gehe davon aus, dass unser Ansatz weiter davon geprägt ist, dass wir das Thema nicht „nach oben“ delegieren, sondern selbst dran bleiben, den Prozess steuern, immer wieder Gelungenes festhalten und Kritik wach und offen aufnehmen. Dazu wird natürlich auch gehören, dass wir den 2.opendataday in Berlin breiter anlegen, vielleicht wirklich das Rote Rathaus anzielen und – was ich besonders wichtig finde: auch die Berliner Bezirke mit ihren Projekten noch mehr einbinden.

3. Es bleibt auf der Agenda, dass wir mit allen Akteuren, auch den bei uns engagierten Vereinen odn e.V. und gov 2.0, uns gemeinsam zusammensetzen und schauen, welche Strukturen sind jetzt gut geeignet, um den angeschobenen Prozess weiter zu führen. Da spielt auch die Unterstützung und enge Zusammenarbeit mit der Bundesebene und den Vertretern aus Forschung und Wissenschaft eine Rolle – hier wollen wir gemeinsam schauen und debattieren: Was ist gut für die Hauptstadt, wie geht’s weiter, mit welchen praktischen Projekten können wir die Entwicklung Berlins zur open-government Hauptstadt voran bringen.

Auf diese Arbeit freue ich mich und natürlich freuen wir uns auch über weitere Mitstreiterinnen und Mitstreiter ! Julia Witt @julia_witt

Aktionsplattform opendataberlin @D2B1