Auf ingenieur.de läuft zurzeit ein (noch) kleiner, aber interessanter Erfahrungsaustausch zu den gängigen Methoden LEAN und SIX SIGMA, mit dem gleichnamigem Titel dieses Posts.
Grundtenor der Beiträge ist ein geringeres Interesse an diesen Methoden, da zum einen die ursprünglichen Ziele nicht erreicht wurden, andererseits andere Themen "wichtiger" geworden sind. Zum anderen spiegelt sich die von mir schon mehrfach angesprochene, mangelhafte Menschenführung [1,2,3,4,5] darin wider.
Ich bin davon überzeugt, dass die oben genannten, sehr guten Managementansätze, leider nur für ein Ziel eingesetzt werden: "KOSTEN SENKEN". Das ist auch durchaus möglich, aber reicht dieses Ziel aus, um die hinter den Methoden und Werkzeugen befindlichen Philosophien zu (er)leben?
Es stellt sich zweifelsfrei ein gewisser Nutzen nach Einführung der Methoden, und einer entsprechenden Vielzahl von internen Projekten ein; doch reicht das langfristig aus? Ich meine nicht.
Es stellt sich die Frage:
"Haben wir ein Geschäft um Geld zu sparen,
oder um Geld zu verdienen?"
Versuchen wir die Dinge einmal anders zu betrachten, und diese Managementphilosophien mit ihren verknüpften Prioritäten gegenüber zu stellen. Dazu vorab ein paar Definitionen aus systemischer Sicht:
1. TVC: Echte variable Kosten (englisch: Total Variable Cost, Formelzeichen: TVC). TVC ist das Geld, dass Sie ausgeben müssen, für jede zusätzliche Einheit die verkauft wird. Es ist das Geld, dass an Dritte, für Produkte/Leistungen bezahlt wird und unmittelbar in die verkaufbaren Güter einfließt. Dazu gehören z.B. Rohmaterial, Zukaufteile, Provisionen usw. Es handelt sich dabei nicht um feste Kostenzuschläge, Gemeinkosten, Lohn- bzw. Gehaltskosten usw., es sei denn, diese werden proportional für jede Einheit des zusätzlichen Verkaufs ermittelt.
TVC sind die Kosten, die im gleichen Maß zu- oder abnehmen, genau wie der Verkauf.
2. Mit Verkauf (englisch: Sales, Formelzeichen: S) ist das Geld gemeint, dass Dritte für die Produkte / Dienstleistungen Ihrer Organisation tatsächlich bezahlen. Es kann sich dabei also um eine Untermenge Ihres gesamten Umsatzes handeln.
3. Durchsatz (englisch: Througput, Formelzeichen: T) Der Durchsatz ist die Differenz aus dem Verkauf (S) minus den echten variablen Kosten (TVC).
4. Betriebskosten (englisch: Operating Expenses, Formelzeichen: OE). Diese Kosten schließen alle Lohn- und Gehaltskosten, alle Hilfs- und Betriebsstoffe, Ersatzteile, Miete und Leasing, Energiekosten, Telekommunikation usw. usw. ein.
5. Bestand (englisch: Inventory, Formelzeichen: I)
Bestand = WIP + Materialbestand (auf Lager) + Fertigwarenbestand
mit WIP (englische Abkürzung für Work In Process, also Umlaufbestand, auch Ware in Arbeit genannt).
Mehr zu diesen Größen finden Sie im Internet auf [6] und [7].
Sehen wir uns nun folgendes Bild nach Schragenheim und Dettmer [8] an:
Es gibt gewisse Verbesserungspotenziale zur Reduzierung der Betriebskosten (OE) und der Bestände (I). Darauf fokussieren sich die meisten Verbesserungsprogramme in Unternehmen. Das ist auch nicht falsch, denn beide Größen müssen im Griff bleiben. Allerdings ist das Verbesserungspotential gewissen Grenzen ausgesetzt, und frei nach Pareto, lassen sich mit 20% des Aufwandes etwa 80% Verbesserung (Kosten- und Bestandsreduzierung) erzielen. Selbstverständlich werden dabei bedeutende Verbesserungen im Hinblick auf Prozessstabilität, Reduzierung von Verschwendung und höhere Qualität erzielt, um hier nur einige der wichtigsten Zielgrößen zu nennen. Und dennoch stellt sich die Frage, ob dies langfristig ausreichend ist?
Schauen wir uns die dritte Größe in der Grafik an: Durchsatz. Den Durchsatz zu erhöhen bei proportional steigenden total variablen Kosten, haben keine der beiden oben genannten Methoden im Fokus. Dies ist aber auch nicht deren Aufgabe. Sie wurden von ihren Schöpfern zur Lösung anderer Probleme geschaffen, nur eben nicht, um mehr Geld zu verdienen.
Anders gestaltet sich dies bei der TOC - Theory of Constraints (Engpasstheorie) von Dr. Eli Goldratt. Diese Managementphilosophie stellt die Erhöhung des Durchsatzes in den Fokus der Betrachtung.
Entsprechend werden auch die Prioritäten des Top-Managements in Anlehnung an eine gewählte Philosophie ausgerichtet:
Beispielhaft können wir sagen, dass im Traditionellen Management als erstes versucht wird die Betriebskosten (OE) zu reduzieren. Die zweite Priorität hat die Reduzierung der Bestände (I), und drittens wird überlegt, wie man mehr Durchsatz (T) erzielen kann.
Die anderen Philosophien lassen sich anhand der Tabelle in analoger Weise lesen.
Wenn also in einem der Beiträge auf ingenieur.de [9] von einem 'Zurückfallen' auf alte Gepflogenheiten berichtet wird, ist damit eigentlich der Rückschritt von einem JIT (Just In Time) Ansatz zum traditionellen Management gemeint.
Sollten wir uns über den Rückfall in alte Managementansätze wundern? Nein!
Heerscharen von Managern, Controllern und ERP-Spezialisten haben während ihrer Ausbildung eines gelernt: KOSTENRECHNUNG. Da fällt es eben schwer, sich mit der eigentlich einfacheren DURCHSATZRECHNUNG zu beschäftigen, und den Ansätzen des Engpassmanagements zu folgen.
Dabei geht es doch nur darum "Heute und morgen Geld zu verdienen". Wussten Sie, dass man die Kosten nicht weiter als auf NULL senken kann? Und wenn Ihnen das gelingt, was haben Sie dann? Richtig, kein Geschäft mehr!
Es liegt also weder an LEAN, SIX SIGMA oder TOC, dass die Verbesserungsprojekte nicht zum erwünschten Erfolg führen. Jede dieser Methoden ist für sich genommen, eine hervorragendes Werkzeug. Allerdings führt erst die Fokussierung, das Engpassmanagement, und eine herausragende Menschenführung (Leadership) zum langfristigen Erfolg im operativen Geschäft.
Ihr
Jürgen Kanz
www.juergen-kanz.de
Quellen:
[1] Wenn Menschenführung (Leadership) der Engpass ist [Teil 1]
[2] Wenn Menschenführung (Leadership) der Engpass ist [Teil 2]
[3] Wenn Menschenführung (Leadership) der Engpass ist [Teil 3][4] Wenn Menschenführung (Leadership) der Engpass ist [Teil 4][5] Wenn Menschenführung (Leadership) der Engpass ist [Teil 5][6] Konfliktfreie Ziel- und Kennzahlensysteme, Christoph Lenhartz, http://www.controlling-wiki.com/de/index.php/Konfliktfreie_Ziel-_und_Kennzahlensysteme
[7] Theory of Constraints - Ein DO-IT-YOURSELF Baukasten für Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU) - PRODUKTION, Rajeev Athavale und Jürgen Kanz, http://leanpub.com/germantocdiymanufacturing
[8] Manufacturing at Warp Speed, Eli Schragenheim und H. William Dettmer, ISBN: 1-57444-293-7
[9]Zukunft von LEAN SIX SIGMA; Welche Erfahrungen wurden gemacht? http://www.ingenieur.de/networks/forum/thread.246752:1#posting_246752_912126
Grundtenor der Beiträge ist ein geringeres Interesse an diesen Methoden, da zum einen die ursprünglichen Ziele nicht erreicht wurden, andererseits andere Themen "wichtiger" geworden sind. Zum anderen spiegelt sich die von mir schon mehrfach angesprochene, mangelhafte Menschenführung [1,2,3,4,5] darin wider.
Ich bin davon überzeugt, dass die oben genannten, sehr guten Managementansätze, leider nur für ein Ziel eingesetzt werden: "KOSTEN SENKEN". Das ist auch durchaus möglich, aber reicht dieses Ziel aus, um die hinter den Methoden und Werkzeugen befindlichen Philosophien zu (er)leben?
Es stellt sich zweifelsfrei ein gewisser Nutzen nach Einführung der Methoden, und einer entsprechenden Vielzahl von internen Projekten ein; doch reicht das langfristig aus? Ich meine nicht.
Es stellt sich die Frage:
© David Niblack
"Haben wir ein Geschäft um Geld zu sparen,
oder um Geld zu verdienen?"
Versuchen wir die Dinge einmal anders zu betrachten, und diese Managementphilosophien mit ihren verknüpften Prioritäten gegenüber zu stellen. Dazu vorab ein paar Definitionen aus systemischer Sicht:
1. TVC: Echte variable Kosten (englisch: Total Variable Cost, Formelzeichen: TVC). TVC ist das Geld, dass Sie ausgeben müssen, für jede zusätzliche Einheit die verkauft wird. Es ist das Geld, dass an Dritte, für Produkte/Leistungen bezahlt wird und unmittelbar in die verkaufbaren Güter einfließt. Dazu gehören z.B. Rohmaterial, Zukaufteile, Provisionen usw. Es handelt sich dabei nicht um feste Kostenzuschläge, Gemeinkosten, Lohn- bzw. Gehaltskosten usw., es sei denn, diese werden proportional für jede Einheit des zusätzlichen Verkaufs ermittelt.
TVC sind die Kosten, die im gleichen Maß zu- oder abnehmen, genau wie der Verkauf.
2. Mit Verkauf (englisch: Sales, Formelzeichen: S) ist das Geld gemeint, dass Dritte für die Produkte / Dienstleistungen Ihrer Organisation tatsächlich bezahlen. Es kann sich dabei also um eine Untermenge Ihres gesamten Umsatzes handeln.
3. Durchsatz (englisch: Througput, Formelzeichen: T) Der Durchsatz ist die Differenz aus dem Verkauf (S) minus den echten variablen Kosten (TVC).
4. Betriebskosten (englisch: Operating Expenses, Formelzeichen: OE). Diese Kosten schließen alle Lohn- und Gehaltskosten, alle Hilfs- und Betriebsstoffe, Ersatzteile, Miete und Leasing, Energiekosten, Telekommunikation usw. usw. ein.
5. Bestand (englisch: Inventory, Formelzeichen: I)
Bestand = WIP + Materialbestand (auf Lager) + Fertigwarenbestand
mit WIP (englische Abkürzung für Work In Process, also Umlaufbestand, auch Ware in Arbeit genannt).
Mehr zu diesen Größen finden Sie im Internet auf [6] und [7].
Sehen wir uns nun folgendes Bild nach Schragenheim und Dettmer [8] an:
Es gibt gewisse Verbesserungspotenziale zur Reduzierung der Betriebskosten (OE) und der Bestände (I). Darauf fokussieren sich die meisten Verbesserungsprogramme in Unternehmen. Das ist auch nicht falsch, denn beide Größen müssen im Griff bleiben. Allerdings ist das Verbesserungspotential gewissen Grenzen ausgesetzt, und frei nach Pareto, lassen sich mit 20% des Aufwandes etwa 80% Verbesserung (Kosten- und Bestandsreduzierung) erzielen. Selbstverständlich werden dabei bedeutende Verbesserungen im Hinblick auf Prozessstabilität, Reduzierung von Verschwendung und höhere Qualität erzielt, um hier nur einige der wichtigsten Zielgrößen zu nennen. Und dennoch stellt sich die Frage, ob dies langfristig ausreichend ist?
Schauen wir uns die dritte Größe in der Grafik an: Durchsatz. Den Durchsatz zu erhöhen bei proportional steigenden total variablen Kosten, haben keine der beiden oben genannten Methoden im Fokus. Dies ist aber auch nicht deren Aufgabe. Sie wurden von ihren Schöpfern zur Lösung anderer Probleme geschaffen, nur eben nicht, um mehr Geld zu verdienen.
Anders gestaltet sich dies bei der TOC - Theory of Constraints (Engpasstheorie) von Dr. Eli Goldratt. Diese Managementphilosophie stellt die Erhöhung des Durchsatzes in den Fokus der Betrachtung.
Entsprechend werden auch die Prioritäten des Top-Managements in Anlehnung an eine gewählte Philosophie ausgerichtet:
Managementprioritäten nach Schragenheim und Dettmer [8]
Beispielhaft können wir sagen, dass im Traditionellen Management als erstes versucht wird die Betriebskosten (OE) zu reduzieren. Die zweite Priorität hat die Reduzierung der Bestände (I), und drittens wird überlegt, wie man mehr Durchsatz (T) erzielen kann.
Die anderen Philosophien lassen sich anhand der Tabelle in analoger Weise lesen.
Wenn also in einem der Beiträge auf ingenieur.de [9] von einem 'Zurückfallen' auf alte Gepflogenheiten berichtet wird, ist damit eigentlich der Rückschritt von einem JIT (Just In Time) Ansatz zum traditionellen Management gemeint.
Sollten wir uns über den Rückfall in alte Managementansätze wundern? Nein!
Heerscharen von Managern, Controllern und ERP-Spezialisten haben während ihrer Ausbildung eines gelernt: KOSTENRECHNUNG. Da fällt es eben schwer, sich mit der eigentlich einfacheren DURCHSATZRECHNUNG zu beschäftigen, und den Ansätzen des Engpassmanagements zu folgen.
Dabei geht es doch nur darum "Heute und morgen Geld zu verdienen". Wussten Sie, dass man die Kosten nicht weiter als auf NULL senken kann? Und wenn Ihnen das gelingt, was haben Sie dann? Richtig, kein Geschäft mehr!
Es liegt also weder an LEAN, SIX SIGMA oder TOC, dass die Verbesserungsprojekte nicht zum erwünschten Erfolg führen. Jede dieser Methoden ist für sich genommen, eine hervorragendes Werkzeug. Allerdings führt erst die Fokussierung, das Engpassmanagement, und eine herausragende Menschenführung (Leadership) zum langfristigen Erfolg im operativen Geschäft.
Ihr
Jürgen Kanz
www.juergen-kanz.de
Quellen:
[1] Wenn Menschenführung (Leadership) der Engpass ist [Teil 1]
[2] Wenn Menschenführung (Leadership) der Engpass ist [Teil 2]
[3] Wenn Menschenführung (Leadership) der Engpass ist [Teil 3][4] Wenn Menschenführung (Leadership) der Engpass ist [Teil 4][5] Wenn Menschenführung (Leadership) der Engpass ist [Teil 5][6] Konfliktfreie Ziel- und Kennzahlensysteme, Christoph Lenhartz, http://www.controlling-wiki.com/de/index.php/Konfliktfreie_Ziel-_und_Kennzahlensysteme
[7] Theory of Constraints - Ein DO-IT-YOURSELF Baukasten für Kleine und Mittlere Unternehmen (KMU) - PRODUKTION, Rajeev Athavale und Jürgen Kanz, http://leanpub.com/germantocdiymanufacturing
[8] Manufacturing at Warp Speed, Eli Schragenheim und H. William Dettmer, ISBN: 1-57444-293-7
[9]Zukunft von LEAN SIX SIGMA; Welche Erfahrungen wurden gemacht? http://www.ingenieur.de/networks/forum/thread.246752:1#posting_246752_912126