zuhause: Knüppel im Gesicht

Von Der Muger @derMuger
Damals war ich bald acht Jahre alt und es war Herbst. Seit gut einem Jahr nötigte man mich zum Schulbesuch. Grauer Morgennebel und auf den Stromdrähten hockten Krähen. Ich musste jeden Tag in aller Frühe aufstehen, gestrickte Strumpfhosen und eine Wollmütze anziehen. Wollene Strumpfhosen waren wegen der drohenden Erkrankungen zwingend erforderlich; bestimmte die Mutter. Und sie hatte recht, ich hatte immer gesunde Beine. Aber ich hasste die Strumpfhosen trotzdem. Egal ob die blauen oder die braunen, Strumpfhosen jucken und sind für Mädchen. Ich war aber ein Bub!
Im Schulhaus musste ich an ein Pult setzen. Mit geradem Rücken und mit Finken. Auf Kosten der Gemeinde wurde mir schreiben, rechnen und singen beigebracht. Ich machte widerwillig mit, bloss um keinen Konflikt zu provozieren. Nach unendlich vielen Stunden Unterricht durfte ich jeweils wieder nach Hause gehen. Nach so langer Abwesenheit war ich oft froh, mich überhaupt noch an den Heimweg zu erinnern.
Eines Tages meinte die Mutter, es wäre gut, wenn ich in den freiwilligen Musikunterricht ginge. Freiwillig! Ich wollte der Gemeinde jedoch keine weiteren Kosten verursachen und verzichtete auf das Angebot. Es stellte sich dann aber heraus, dass man „freiwillig“ unterschiedlich definieren kann! Ich musste in den Musikunterricht.
Dort erwartete mich eine graue Frau in einem grauen Kleid. Sie hatte einen unterarmlangen Knüppel in der Hand. Ich befürchtete Schläge. Es stellte sich dann aber heraus, sie hielt eine Blockflöte in den Klauen. Blockflöte ist etwas für Mädchen! Blockflöte! Ich musste hinein blasen, widererwarten kam aber keine Musik heraus. Nur schrille Pfiffe und wässriger Schnudder. Und aus meinen Augen Tränen. Wir einigten uns draufhin, dass diese zwanzig Minuten Musikunterricht vorerst genügen müssen.
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