Mein Kopf ist voll mit den unterschiedlichsten Gedanken und ich schaffe es nicht, sie wirklich zu greifen, geschweige denn, auszusprechen oder nieder zu schreiben. Einige sind auch so privat, dass ich in Erwägung gezogen habe, einen eigenen Blog dafür anzulegen – anonym natürlich. Aber ich glaube, eher behalte ich sie für mich, als ins Netz zu stellen. Auf irgend eine Art und Weise würde ich irgendwann ja doch dazu stehen, dass es meine Eigenen sind…
Donnerstag bekam ich die Möglichkeit, eher auf Arbeit abzuhauen. Was auch mehr als gut war. Ich hätte keine Minute länger freundlich und vor allem friedlich mit den Kunden telefonieren können. Die aufkommenden Tränen saßen einfach zu locker und wollten bei jedem Wort an die Oberfläche. Ich habe die Chance dann doch ergriffen und es irgendwie geschafft, zum Friedhof zu fahren. Auf dem Weg erreichten mich unheimlich aufbauende Worte. Unter anderem der Hinweis, dass ich nicht dorthin muss, da Stephan nicht dort ist, sondern nur sein Grab. Ich weiß, dass auch Andere diese Gedanken im Hinterkopf hatten. Daher lasst mich versuchen zu erklären, warum ich es doch tun musste. Genau dorthin gehen.
Natürlich weiß ich, dass ich unter der Platte mit seinem Namen Niemanden erreiche, viel zu oft habe ich seine Anwesenheit nach seinem Tod zu den unterschiedlichsten Gelegenheiten gespürt. Und doch ist dieser Platz der, an dem ich ihm das letzte Mal nah war. Die Wohnung gibt es nicht mehr und die Erinnerung an diese, seine letzten Minuten, ist einfach viel zu schmerzlich. Die Beisetzung war ein friedliches Abschied nehmen und unheimlich wichtig.
Der Friedhof ist für mich ein Rückzugsort, an dem ich weinen und mich meiner Trauer hingeben kann ohne eigenartige, fragende Blicke zugeworfen zu bekommen. Niemand macht sich dort Sorgen, wenn man zusammengerollt auf einer Bank sitzt und weint. Egal, wie schön die Sonne scheint. Darum ist es für mich wichtig, ab und an dorthin zu gehen. Und diesmal war dieser Drang seit Tagen immer stärker in mir geworden und ich wußte: Erlösung finde ich erst, wenn ich dort gewesen bin. Klingt eigenartig. Aber andere Worte finde ich dafür nicht.
Das Wäldchen, in dem seine Urne ruht hat sich seit meinem letzten besuch im Frühling stark verändert. Kaum habe ich den Baum gefunden, da die Natur sich zurück erobert, was ihr gehört. Beim letzten mal war dieser Anblick einfach nur unheimlich schmerzvoll. Diesmal jedoch…
Die Sonne schickte ein paar besonders freche Strahlen durch die Baumkronen und ich habe für mich erkannt, dass ich ihn endlich gehen lassen muss… dass ich zulassen muss, meine Trauer langsam zuwachen zu lassen, so wie der Waldboden von neuem, frischen Grün bewachsen wird… Nicht jedes kleine Stück. So, wie seine Platte immer existieren wird, egal, welche Pflanzen sich um diesen Baum ranken, so wird er auch in meinem Herzen immer diesen einen Platz haben. Egal, was in meinem Leben noch geschehen wird. Diese Erkenntnis ließ mich innerlich so zur Ruhe kommen, dass ich selbst nicht mehr nach voll ziehen konnte, warum die Trauer mich seit Tagen so umschlungen halten konnte.
Ja, geweint habe ich danach auch noch. Auf dieser einen besonderen Bank, die seinem Grab am nächsten ist. Um ihn und darum, dass er so früh gehen musste. Die Frage nach dem Warum tauchte nicht mehr auf. Es ist halt so – ich kann es nicht ändern, niemand kann das. Er hätte es so verdient, noch weiter die Sonne aufgehen zu sehen, noch viele Tage zu genießen. Einfach nur, weil er ein toller Mensch war. Aber danach geht es wohl nicht. Oder doch gerade? Aber das Thema hatte ich ja schon, dass es für ihn gut war, so wie es war…
In der letzten Woche habe ich mich unheimlich leer gefühlt. Die Tage rauschten an mir vorbei, ohne dass ich sie wirklich wahr genommen habe. Der Besuch auf dem Friedhof hat irgendwie ein Türchen aufgestoßen. Mal sehen, ob ich es schaffe, sie ganz zu öffnen. Im Moment ist da ein riesengroßes Chaos in meinem Kopf und ich muss aufpassen, das ich mich nicht daran verliere. Gedanken schwirren umher, wollen unbedingt heraus. Fragen, die vielleicht lieber niemals gestellt werden sollten, aber doch so wichtig im Moment erscheinen. Keine Ahnung, was das ist. Ich kann es nicht wirklich erklären. Und bis jetzt hab ich auch noch kein Ventil gefunden, um dies richtig umsetzen zu können.
Vielleicht sollte ich — > Neviâthien <– weiter ihre Abenteuer erleben lassen. Vielleicht aber auch an der –> Story (m)eines Lebens <– weiterschreiben. Obwohl dort nun wieder ein Kapitel dazukommen würde, das nicht wirklich so toll ist. Ich weiß es wirklich noch nicht…