Zu Unrecht Inhaftierte kämpfen zusammen mit Rechtsanwalt Johann Schwenn um Entschädigung

Zu Unrecht Inhaftierte kämpfen zusammen mit Rechtsanwalt Johann Schwenn um Entschädigung

© Grabscheit/ www.pixelio.de

Annette Rose ist Gerichtsreporterin unter anderem für die Neue Presse Hannover. Und sie geniesst hier regional einen ähnlich guten Ruf wie Gisela Friedrichsen übrerregional für ihre Artikel im Spiegel – und sie wird von interessierten Kreisen für ihre engagierte Arbeit ähnlich häufig unsachlich angegriffen wie ihre hamburger Kollegin derzeit für deren ausgewogene Berichterstattung über den Fall Kachelmann.

In der heutigen Ausgabe der NP berichtet Frau Rose über den derzeitigen Stand des Entschädigungsverfahrens, welches 2 Männer gegen das Land Niedersachsen führen, weil sie 1352 bzw. 1989 Tage zu Unrecht im Gefängnis gesessen haben.

Was war passiert? Ein Vater und sein Nachbar waren wegen Misbrauchs- und Foltervorwürfen zu Lasten einer Schülerin zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden – bei dem Vater des Mädchens waren es 5 Jahre und 8 Monate, bei dem Nachbar sogar 12 Jahre und 8 Monate.

Noch während des Prozesses und insbesondere anlässlich des laufenden Revisionsverfahrens hatte die Staatsanwaltschaft Hannover angeblich massive Verdachtsmomente, dass das mutmassliche Opfer psychisch krank und ihre Aussage unglaubwürdig war, zurückgehalten; auch verschwieg die Staatsanwaltschaft angeblich aus ermittlungstaktischen Gründen den Umstand, dass weitere massive Vorwürfe, die das Mädchen erhob, sich als unwahr herausstellten, und unternahm auch jahrelang nichts zugunsten der inzwischen Verurteilten, um die erheblichen Zweifel an der Richtigkeit ihrer Verurteilungen aufzuklären.

Erst Anfang 2008 erreichte der hamburger Rechtsanwalt Johann Schwenn, der aktuell den bekannten Wettermoderator Jörg Kachelmann in einem Prozess wegen einer angeblichen Vergewaltigung vor dem Landgericht Mannheim verteidigt, ein Wiederaufnahmeverfahren, in dem die beiden Männer letztendlich freigesprochen wurden.

Jetzt läuft das Entschädigungsverfahren; das insoweit haftende Land Niedersachsen zahlte bisher pro erlittenem Hafttag 25,00 EUR aus, dementsprechend an den einer der zu Unrecht Verurteilten 33.800,00 EUR, an den anderen 49.725,00 EUR. Weiterhin erhielt der jüngere der beiden eine Abschlagzahlung auf weitergehende Schäden, deren Höhe aber nicht bekannt ist.

Tatsächlich aber sollen sich die realistischen Forderungen der beiden Männer auf insgesamt rund 400.000,00 EUR belaufen. Rechtsanwalt Johann Schwenn dazu: „Es wird teuer, wenn man nicht sauber arbeitet.“ Doch natürlich trifft die Entschädigungszahlung nicht diejenigen, die vor Ort unsauber gearbeitet haben, sondern den Steuerzahler – der ja auch schon die Kosten für den jahrelangen Gefängnisaufenthalt der Freigesprochenen zu zahlen hatte.

Doch egal, wie hoch die Entschädigungszahlungen sein werden: den persönlichen Schaden für die beiden Männer wird das Geld niemals aufwiegen können! Und der Schaden für das Rechtssystem und dessen Glaubwürdigkeit ist sowieso unbezahlbar.

Der Staatsanwaltschaft Mannheim und dem dortigen Landgericht kann man eigentlich nur nahelegen, sich den Fall in Hannover sehr genau anzusehen – zumal die Schadenersatzforderungen eines Herrn Kachelmann bei weitem diejenigen übersteigen dürften, die ein einfacher Mitarbeiter der hannoverschen Verkehrsbetriebe wegen des erlittenen Unrechts geltend machen kann. Mit 400.000,00 EUR wird es da nicht getan sein. Der Schaden für das Rechtssystem ist jetzt schon kaum zu überblicken – ganz Deutschland schüttelt inzwischen den Kopf über die Staatsanwälte und Richter in Mannheim und deren Parade von Exgeliebten und rätselt, was die zur Aufklärung des dortigen Vorwurfs beitragen können.

Ein Urteil soll dort Ende Mai gesprochen werden: warten wir ab, was dann folgen wird – eine Revision vor dem Bundesgerichtshof oder ein Entschädigungsverfahren für die erlittene Untersuchungshaft, welche das Oberlandesgericht Karlsruhe wegen Unhaltbarkeit der Vorwürfe bei seiner Anrufung schleunigst aufhob.


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