Zu Ohren gekommen

»Bundeskanzlerin Angela Merkel hat einen Shitstorm auszuhalten«, erklärte die Radiomoderatorin letzte Woche mal. Wegen dem Flüchtlingsmädchen, das weinte, weil sie so grob zu ihr war. Dem war nichts hinzuzufügen. »Wie es Angie hätte besser machen können, sagt uns kurz nach Zwölf unser PR-Experte.« Wie bitte? Angie? Ich lauschte einem Radiosender, der zu einer Anstalt des öffentlichen Rechts gehörte. Musste man da nicht mehr Seriosität erwarten? Oder ist das »Auf-Du-und-Du« im Merkel-Deutschland schon das Maximale an Seriosität, was man erwarten darf?

Früher klang es für meine Ohren immer mordsspießig, wenn jemand sagte: »Herr Doktor Kohl« - auch wenn er dasselbe ohne Titel sagte. Das schuf Distanz und irgendwie hatte ich den Eindruck, dass da falscher Respekt mitspielte. Heute wäre ich froh um diese Nüchternheit. Lieber »Frau Merkel« als Angie. Das hat doch eigentlich weniger mit dem Respekt vor dem Amt zu tun, als mit der Grundbasis einer Berichterstattung, die auf Abstand bleibt. Wenn ich in meinem Umfeld Leute über Angie reden höre, dann widert mich diese Fraternisierung wohl an. Aber es ist immer noch was anderes, wenn öffentliche Sendeanstalten in diesen Stil verfallen. Und dass es keinen wirklich aufregt, zeigt viel von der Konstitution dieser Gesellschaft. Merkelismus mag vieles sein. Auch der Umstand, dass man eine kalte Person mit ihrem Vornamen kost, um ein Gefühl der Zusammengehörigkeit unter der Kuratel eben dieser Person zu erzeugen.

Die Union dudelt den Song der Rolling Stones. Medien nennen sie so. Und in der Wählerschaft ist dieser Angielizismus schon lange angekommen. Warum tut man das? Wirkt es cool oder abgeklärt, wenn man die politische Machthaberin kost und duzt, während man in der Wirklichkeit buckelt, respektiert und wählt? Schafft das die Distanz, die man in einem alternativlosen System benötigt, um sich noch als autarke Figur selbst wahrzunehmen? Rückt man heran, um den immer größer werdenden Abstand zwischen Wunsch und Wirklichkeit in den Lebensrealitäten aufzufangen? Viele Menschen in meinem Umfeld nennen sie Angie, wenn sie irgendwas von ihr erzählen. Selbst wenn sie Belustigendes oder gar Negatives anmerken. Sie sind in vielen Fällen Opfer einer Politik, für die Merkel und ihre Wirtschaftslinie steht - und trotzdem ist sie für sie die Angie. Ist das ein Weg, die eigene Rolle herunterzuspielen? Fast wirkt es so.
Man muss ja nicht den gesamten Text von »Angie« singen. Eine Passage reicht schon und dann wäre alles gesagt: »With no loving in our souls / And no money in our coats / You can't say we're satisfied.« Und wo es dann heißt »you're beautiful«, da hören wir auf. Die Union singt dort weiter. Vielleicht auch nur ein Versuch der armen Männer dieser Partei, sich ob ihrer Alternativlosigkeit einzureden, dass sie ganz dicke sind mit der Dicken.
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