Seit Jahresbeginn arbeiten neun Jugendliche an einer Performance zum Thema Menschlichkeit und Verlust von Menschlichkeit. Organisiert wird der Workshop vom NS-Dokumentationszentrum und dem Verein Spielen in der Stadt e.V. Diese Woche war die Gruppe zu Besuch in unserer Dauerausstellung.
„Das Besondere an diesem Workshop ist, dass die Jugendlichen auf freiwilliger Basis mitmachen“, erklärt Felizitas Raith, wissenschaftliche Mitarbeiterin für Bildung und Vermittlung am NS-Dokumentationszentrum. Seit 2015 werden dort zusammen mit dem Verein Spielen in der Stadt e.V. tanz- und theaterpädagogische Bildungsangebote organisiert. Zunächst richtete sich das Angebot an feste Schulklassen. In diesem Jahr machen erstmals Schülerinnen und Schüler verschiedener Klassen mit. Das erfordert viel Engagement von allen Beteiligten.
Die neun Schülerinnen und Schüler der Städtischen Willy-Brandt-Gesamtschule und des Wilhelm-Hausenstein-Gymnasiums treffen sich wöchentlich. Zusammen mit der Tanzpädagogin Dorothee Janssen und der Theaterpädagogin Annette Geller erarbeiten sie eine eigene Performance. Lehrkräfte der beiden Schulen begleiten das Projekt. Jede zweite Woche trifft sich die Gruppe im NS-Dokumentationszentrum. Die Jugendlichen beschäftigen sich mit einzelnen Aspekten der Ausstellung, erarbeiten Biografien und treffen Zeitzeugen.
Schülerinnen und Schüler der städtischen Willy-Brandt-Gesamtschule und des Wilhelm-Hausenstein-Gymnasiums bei ihrem Besuch in unserer Dauerausstellung „Stimmen_Orte_Zeiten – Juden in München“. Foto: Lara Theobalt, Jüdisches Museum München
Die meisten der Teilnehmenden setzen sich im Rahmen des Workshops zum ersten Mal mit dem Nationalsozialismus auseinander. Die Schülerinnen und Schüler besuchen die 7.-9. Klasse – da steht der Nationalsozialismus noch nicht auf dem Lehrplan. Felicitas Raith und Dr. Thomas Rink vom NS-Dokumentationszentrum vermitteln Grundlagen und berühren dabei Themen wie Zugehörigkeit und Ausgrenzung, Flucht und Vertreibung, und Menschlichkeit und Mitgefühl.
Dass die Jugendlichen viel Eigeninitiative mitbringen, zeigte sich vergangene Woche: Bei der gemeinsamen inhaltlichen Arbeit fiel den Schülerinnen und Schülern auf, dass sie viele Fragen zum jüdischen Leben in München haben. Auf ihren Wunsch ließ sich spontan ein Besuch in unserer Dauerausstellung ermöglichen. Kerstin Baur, Kuratorin für Kulturvermittlung, erklärte der Gruppe jüdische Traditionen und Feiertage und gab einen Einblick in die jüdische Geschichte Münchens. In der Installation „Orte“ erkannten die Jugendlichen sogar zwei historische Fotografien wieder, mit denen sie sich bereits zuvor beschäftigt hatten.
Freiwillige Bildungsangebote wie dieser Tanz- und Performanceworkshop lassen sich im eng getakteten Alltag vieler Schülerinnen und Schüler nur schwer unterbringen: Verpasster Unterricht muss nachbereitet werden, Zeit zum Lernen und Freizeit sind oft knapp. Ohne das Engagement der beteiligten Schulen und Lehrkräfte wäre ein solches Projekt nicht möglich. „Wir wollen den Jugendlichen möglichst viel Freiraum bieten“, erklärt Felizitas Raith, „die Performance, die am Ende entsteht, soll wirklich von den Jugendlichen kommen.“
Im Juli wird die Gruppe ihre Performance auf dem Tanz- und Theaterfestival Rampenlichter präsentieren. Vom 5.-18. Juli bespielen 17 nationale und internationale Nachwuchsgruppen das Münchner Kreativquartier. Das Programm zum 11. Rampenlichter-Festival finden Sie ab Mitte April hier.