Zu Besuch bei Wunder Mobility: Wo die Software für die Leih-E-Scooter entsteht

Erstellt am 27. November 2019 von Maltekir @maltekir

Mitten in Hamburg, in der Speicherstadt, entstehen Software und Lösungen für die Mobilität von morgen. Wie die Firma Wunder Mobility das Internet der Dinge zum Leben erweckt.

Ein grauer Oktobertag in Hamburg. Vor uns, auf dem Steindamm, steht ein E-Scooter, der einem der vielen Verleiher gehört, die die Hansestadt zuhauf mit ihren Fahrgeräten vollgestellt haben. Per Smartphone wird der Leihvorgang ausgelöst: QR-Code einscannen, Button drücken – fertig. Was so wie eine direkte Kommunikation zwischen Roller und Smartphone aussieht, funktioniert in Wirklichkeit über vier Ecken.

Das Internet der Dinge – bei den viel diskutierten Leih-Scooter-Flotten ist es längst Realität, erklären uns Michael Wolf, Tobias Langwieler und Marvin Ruckle von der Firma Wunder Mobility. Das international tätige Unternehmen hat seinen Sitz in der Speicherstadt. 170 Mitarbeiter zählt das Start-Up aktuell, das aufgrund seiner Größe langsam dieser Phase entwächst und bereits die 200-Mitarbeiter-Grenze anpeilt. Aber eigentlich möchte man im Geiste immer Start-Up bleiben – des positiven Spirits wegen.

Wunder Mobility stellt Mobilitätslösungen jeder Art her. Ein potenzieller E-Scooter-Verleiher kann bei den Hamburgern das volle Programm beziehen: Vom Scooter aus China, der gleich technisch entsprechend ausgerüstet wird, über das so genannte Backend, über das die Flotte gesteuert wird, bis hin zur App, die der Nutzer verwendet. Oder die Kunden nutzen nur einzelne Teile aus dem Angebot – auch das ist möglich. Sehr beliebt ist vor allem die Flottenverwaltung, die anzeigt, wo die Roller gerade stehen, wohin sie sich bewegen, wie ihr Akku geladen ist und vieles mehr.

Die Firma macht aber noch mehr: Sie bietet Lösungen für das Carsharing, für das Fahrzeugflottenmanagement, Carpools und mehr. All dies im so genannten Business-to-Business-Bereich (B2B), also als Zulieferer für andere Firmen. Die Ursprünge lagen tatsächlich im direkten Kundenkontakt als Taxifahrdienst im Stile von Uber. Es folgte eine Episode als Carpooling-Dienst in Schwellenländern. Dies ist jedoch Geschichte – es stellte sich heraus, dass die Software das größere Pfund ist, mit dem das Unternehmen über die Jahre wachsen konnte.

Inzwischen ist Wunder Mobility vor allem im europäischen Ausland aktiv. Auch in den USA wagte die Firma den Markteintritt. In Deutschland steckt aber auch vielfach schon die Wundermobilität in den Lösungen von morgen. Namhafte Kunden wie die Deutsche Bahn und Daimler zieren die Liste der Referenzen. Für die Stadt Hamburg erfasst die Firma die Bewegungen aller E-Scooter in der Stadt und visualisiert sie. Daraus könnten für die Zukunft spannende Erkenntnisse darüber gewonnen werden, wo Verkehrsströme entlang laufen, wie der ÖPNV verbessert werden kann oder gar welche Straßen sich als autofrei anbieten. Wunder Mobility sieht sich laut Michael Wolf als „Enabler“, als Ermöglicher. Nicht jeder muss das Rad neu erfinden. Damit werden vor allem kleinere Kunden angesprochen, zum Beispiel Stadtwerke oder Start-Ups, die aber keine komplett eigene Entwicklung aufsetzen möchten.

Das Besondere bei den Produkten der Firma? Die Lösungen seien übergreifend, sagt uns der Marketing-Experte. Dadurch, dass sich Wunder Mobility auf die diversen Felder konzentriert hat, können per Software auch leicht Brücken geschlagen werden, etwa zwischen Auto und E-Scooter. Das sei das Alleinstellungsmerkmal.

Mit der neuen Mobilität gibt es auch viele neue Fachbegriffe, zum Beispiel die Docked- bzw. Dockless-Fleet. Gemeint sind zum Beispiel die Leihfahrräder, die es in Großstädten gibt, und die an eine von diversen Stationen „angedockt“ werden können. Die E-Scooter stehen hingegen „dockless“ herum. Sie werden von Mitarbeitern nachts eingesammelt und aufgeladen. Damit sie schnell gefunden und einer effizienten Route folgend eingesammelt werden können, braucht es eine gute Software.

Obwohl in Hamburg ansässig, wird in der Firma Englisch gesprochen. Es gibt viele internationale Mitarbeiter, was sicherlich dem Fachkräftemangel in der IT geschuldet ist, aber laut Unternehmen auch hilfreich in den ausländischen Märkten ist, da oft das nötige Know-How für kulturelle Unterschiede und Eigenheiten mitgebracht wird. Jeder Mitarbeiter durchläuft einen so genannten On-Boarding-Prozess. In dieser Phase werden alle digitalen Zugangsdaten und das notwendige Equipment bereitgestellt und der Kalender mit Terminen zum Kennenlernen jeder Abteilung gefüllt. Ein „Buddy“ steht in den ersten drei Monaten als Gesprächspartner zur Verfügung. Das klingt ein wenig nach amerikanischer Start-Up-Arbeitskultur und tatsächlich gibt es eben auch diese Gruppen-Wohlfühlorte, wie die Wunder Bar oder Kühlschränke mit Getränken. Denn in Bewegung sind in diesen Zeiten nicht nur die Roller. Auch in der Arbeitswelt ist einiges ins Rollen gekommen.