In Havanna gibt es ein Museum der Orishas, der Gottheiten der Santería (siehe dazu den vorigen Artikel). Als ich es zum ersten Mal besuchen wollte, war es gerade 4 Uhr nachmittags, Ende der Öffnungszeit. Vor zwei Wochen machte ich einen erneuten Versuch. Die Kassiererin wollte 10 CUC (8 Euro) Eintritt von mir. Ich zeigte meinen kubanischen Personalausweis, mit dem man normalerweise nur ein paar Cent Eintrittsgeld zahlen muss. Die Kassiererin bot mir daraufhin den Studentenpreis von 3 CUC an und verwies auf einen Aushang, dass Ausländer nur dann denselben billigen Eintritt wie Kubaner erhalten, wenn sie ein Schreiben ihres Arbeitgebers vorweisen. Da ich mich erstens diskriminiert fühlte und zweitens erfuhr, dass man im Museum keine Fotos machen darf, verabschiedete ich mich.
Eine Woche später ein neuer Versuch. Ich habe diesmal das Schreiben des Kanzlers des Erzbistums dabei, das meine Zugehörigkeit zu unserem Kloster bestätigt. Die Kassiererin sagt, das Schreiben müsse ausdrücklich an das Museum adressiert sein und direkt um den ermäßigten Eintritt bitten, lässt mich dann aber trotzdem für 5 Peso (15 Euro-Cent) hinein. Das Museum erweist sich als interessant, so dass ich gestern zusammen mit Br.Cyrille noch einmal da war. Diesmal habe ich ein vom Cellerar unseres Klosters unterzeichnetes Schreiben dabei, das allen Anforderungen genügt. Die Kassiererin lächelt mich an, „Heute ist alles richtig. Sehen Sie, ich kann mich noch an Sie erinnern.“ Dass ich selbst der Cellerar bin und das Schreiben also von mir selbst ist, stört sie anscheinend nicht, oder sie merkt es nicht. Ich will ihr die 10 Peso für uns beide geben, aber sie sagt, „Moment“ und greift zum Telefon. Niemand meldet sich. Sie verlässt ihr Kassenhäuschen, ruft „Maria Antonia !“, kommt zurück, greift wieder zum Telefon, verlässt wieder das Häuschen und ruft wieder nach Maria Antonia. Als sie wieder zum Hörer greift, kommt endlich Maria Antonia von der anderen Seite. Jetzt erst bekommen wir die Erklärung für die Verzögerung: „Heute ist der 4.Oktober. Das ist der Tag von Orula. Da nehmen wir von den Kubanern keinen Eintritt. Und Maria Antonia hat entschieden, dass auch Sie umsonst hinein dürfen.“
Maria Antonia führt uns durch das Museum, in dem lebensgroße Statuen der 29 wichtigsten Orishas (darunter Orula, dem wir den freien Eintritt verdanken) aufgestellt sind. Das Museum gehört nicht dem Staat, sondern der „Yoruba-Kulturvereinigung von Kuba“. Die Yoruba sind das Volk aus dem Südwesten Nigerias, bei dem die Santería ihre afrikanischen Wurzeln hat.
Maria Antonia gehört selbst dieser Religion an und ist gut informiert. Ich frage sie, ob es eigentlich Bestrebungen gebe, die kubanische Santería von den katholischen Einflüssen zu reinigen, und die ursprüngliche, afrikanische Form der Yoruba-Religion wiederherzustellen. Sie sagt, „Davon weiß ich nichts“, aber in einem Tonfall, der eher nach, „Davon darf ich nichts wissen.“ klingt. Ich gebe ihr 20 Pesos für die Führung (knapp ein Euro). Wie nehmen noch eine Informationsbroschüre der Yoruba-Kulturvereinigung mit. Die halbe Broschüre ist dem Kampf gewidmet gegen „gewisse Leute, die die kubanische Tradition unserer Väter nicht akzeptieren, die zu den angeblichen afrikanischen Wurzeln zurückwollen“. Deshalb also darf Maria Antonia nichts davon wissen – ihr Arbeitgeber hat was dagegen.
Wir waren fast eine Stunde in dem Museum, und die ganze Zeit über waren wir die einzigen Besucher. Stell’ dir vor, es ist freier Eintritt, und keiner geht hin.
Zu Besuch bei noch mehr Orishas
Autor des Artikels : rsk6400
Zum Original-ArtikelErlebnisse eines deutschen Mönchs im Alltag auf Kuba.