WEIMAR. (fgw) Flüchtlinge sehen sich in der BRD einer Vielzahl an Repressionen ausgesetzt. Behördenwillkür, rassistische Kontrollen, Einschränkung von Grundrechten wie Freizügigkeit und das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Was folgt ist Isolation, Resignation, Trauma und Abschiebung. Es gibt vieles, das Flüchtlinge in der BRD zu Menschen zweiter Klasse degradiert. AsylbewerberInnen sollen BewerberInnen bleiben, nichts soll darauf hindeuten, dass sie hier willkommen wären.
von Isa Lorenz
In das Bild dieser behördlich zementierten Ablehnung passt leider auch das sogenannte Gutschein-System. Dieses wird nach wie vor noch in vielen Landkreisen und kreisfreien Städten praktiziert.
Selbst wenn die Ausgabe dieser Gutscheine vielerorts erst erstritten werden musste, denn nicht selten werden immer noch Nahrung und Kleidung in bereits abgepackten Paketen an Flüchtlinge verteilt, stellen Gutscheine keine grundlegende Verbesserung dar: Zum Einen wird Asylsuchenden die Fähigkeit abgesprochen, mit Geld umgehen zu können.
Ihnen wird vorgeschrieben, was sie wo zu kaufen haben. So dürfen z.B. keine Sachen aus Aktionsverkäufen erworben werden, keine frischen Lebensmittel vom Markt, sowie kein Alkohol und keine Zigaretten. So wird spätestens an der Kasse sichtbar, was sonst unausgesprochen bleibt – ihr seid nicht Teil dieser Gesellschaft.
Zum Anderen wird versucht, mit dieser Beschränkung auf einige Einkaufsläden und in Verbindung mit der Residenzpflicht sicherzustellen, dass die betroffenen Menschen im jeweiligen Landkreis bleiben.
Auch damit Behörden die Betroffenen jederzeit aufgreifen können, wird die jeweilige Bewegungsfreiheit beschnitten. Das gnädig gewährte kleine Taschengeld von 40Euro im Monat muss als Krönung des Ganzen oftmals für die Anreise zu Behördenterminen ausgegeben werden.
Eine Möglichkeit für Flüchtlinge, dem zu entkommen, ist der Tausch von Gutscheinen in Bargeld. Doch viel zu oft sind sie dabei gezwungen, Angebote von Menschen anzunehmen, die sich an ihrem Leid bereichern und einen „Wechselkurs” verlangen.
Hier bietet sich für zivilgesellschaftliche Initiativen ein möglicher Ansatzpunkt der Solidarität mit Asylsuchenden: ohne „Kurs” werden Gutscheine nach ihrem Wert eingetauscht und für eigene Einkäufe verwendet. Es geht dabei nicht nur um eine Ermächtigung zum selbstbestimmten Konsum. Vielmehr ist es ein gemeinsamer Kampf gegen menschenverachtende Gesetzgebung, gegen Gutscheine und Residenzpflicht. Zu dem bietet sich auch eine regelmäßige Gelegenheit, Kontakt aufzunehmen, Bekanntschaften zu schließen, Isolation zu brechen.
Hier die Adresse einer solchen Initiative in Mittelthüringen: gutscheintausch(at)mx.de
[Erstveröffentlichung: Freigeist Weimar]