Ziemlich beste Freunde

Die große Hoffnung der deutschen Kinobetreiber, dass das Neujahrstief nicht eintrifft, scheint sich auch diesmal wieder zu erfüllen. Im vergangenen Jahr hatten wir an dieser Stelle etwa ein „Black Swan“, der weder Zuschauer noch Betreiber enttäuscht haben dürfte. Und diesmal haben wir einen französischen Film. Das finde ich spannend. Französische Filme waren in den letzten Jahren nämlich entweder liebenswerte, manchmal ein bisschen zu alberne Komödien, oder es waren super harte Horror- oder Folterfilme, ala „Martyrs“ oder „Frontier(s)“. Man muss nicht lange überlegen, in welche Schublade wohl der neue Film der Regisseure Eric Toledano und Oliver Nakache „Ziemlich beste Freunde“ gehört.
Philippe ist ein sehr reicher, aber vom Schicksal gebeutelter Mann. Er hat ein sehr großes und luxuriöses Haus, kann diese aber nur mit dem Rollstuhl erkunden, denn er ist vom Hals abwärts gelähmt. Da er einen schwierigen Charakter zu haben scheint, hält es das Pflegepersonal oft nicht lange bei ihm aus. Besonders die Pfleger, die sich Tag und Nacht um seine Bedürfnisse kümmern müssen und somit 24 Stunden am Tag mit ihm verbringen, werfen häufiger denn je das Handtuch. Eines Tages lädt Philippe wieder zahlreiche Bewerber ein, die allesamt hoch motiviert und vorbereitet ins Vorstellungsgespräch kommen. Nur Driss ist alles egal, denn er taucht dort nur auf, weil er für das Arbeitsamt eine Unterschrift braucht. Philippe hat das Gefühl, dass Driss der einzige Bewerber ist, der ehrlich gewesen ist und will ihm eine Chance geben. Driss wird der neue persönliche Pfleger von Philippe. Zumindest auf Probe. Sträubt sich Driss zunächst noch, geht er zunehmend in seiner Rolle auf. Gleichzeitig wirbelt er Philippes Leben und Ansichten ordentlich durcheinander. Doch der merkt, dass ihm das gefällt und er schon viel zu lange auf Abwechslung verzichtet hat. Tatsächlich werden die beiden nach einer Weile ziemlich beste Freunde.
Französische Komödien haben ihren ganz eigenen Charme. Besonders die der letzten Jahre aus der Feder eines Kad Merad oder Dany Boon, haben einen ganz eigenen Stil, der irgendwie entrückt und weltfremd wirkt und zusätzlich immer wieder übertriebene Slapstickeinlagen kredenzt. Und ganz ehrlich gesagt, geht mir genau dieser Stil auf die Nerven. Ich habe keine Lust mehr auf vertrottelte arme Schweine, die sich in unmögliche Situationen bringen und dabei unglaublich viel Spaß haben. Ich will keine überzeichneten Figuren mehr haben, die man im wahren Leben nie antreffen würde. Warum fällt es den Franzosen so schwer, ganz normale Filme zu machen? Warum müssen sie es immer übertreiben - auf die eine oder andere Art? Und da kommt „Ziemlich beste Freunde“ daher, der doch tatsächlich endlich mal anders ist. Der typische französische Unterton ist nicht zu spüren. Der Film fängt sogar ziemlich amerikanisch an, mit einer spektakulären Verfolgungsjagd. Die Figuren wirken gründlich ausgearbeitet und brauchen eben nicht diese übertriebene Attitüde, um deren Oberflächlichkeit zu kaschieren. Sie sind schlicht, aber nicht einfallslos. Hier treffen zwei extrem unterschiedliche Menschen auf einander und allein die Unterschiedlichkeit ist komisch. Die Regisseure lassen diese Konstellation für sich arbeiten und provozieren keine übertriebenen oder unrealistischen Gagfeuerwerke. Die Situation an sich reicht diesem Film völlig aus und bietet obendrein genug Raum für eine gut platzierte und nicht unpassende Ernsthaftigkeit.
„Ziemlich beste Freunde“ bringt frischen Wind in de Gestade der ehrwürdigen französischen Komödie. Der Film wagt einfach den Blick über den Tellerrand und macht dabei eine wesentlich bessere Figur, als die letzten Werke der Monsieurs Boon und Merad. Eine kurzweilige und sehenswerte, sehr sympathische kleine Komödie, die den französischen Film zwar nicht allein zu retten vermag, ihm aber einen Schubs in die richtige Richtung gibt. Wegen einer speziellen Szene, die unter anderem mit Frisuren und Bärten zu tun hat, soll der Film übrigens jetzt in Frankreich auf den Index. Das beste Zeichen, dass hier alles richtig gemacht wurde.
Intouchables (F, 2011):R.: Nakache & Toledano; D.: Francois Cluzet, Omar Sy, Audrey Fleurot, u.a.; M.: Ludovico Einaudi; Offizielle Homepage
In Weimar: lichthaus, CineStar

Der Filmblog zum Hören: Jeden Donnerstag zwischen 12.00 Uhr und 13.00 Uhr auf Radio Lotte Weimar.

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