"Zeugin der Anklage" / "Witness for the Prosecution" [USA 1957]


Nicht nur die verborgenen Zigarren, der versteckte Schnaps, die verheimlichten Herzprobleme, der klapprige Anwalt, für den der letzte anstrengende Mordprozess über Leben und Tod richtet. Marlene Dietrich als geschlechtlich-herbe Akkordeonspielerin, Elsa Lanchester als wunderlich-schnippisches Nervenbündel – auch sie bringen den Männern den Wahnsinn, aber verlieben kann man sich in sie schnell, genauso wie sich Billy Wilder in diese Damen verguckt hat, wohlwissend, dass er sie nie verstehen wird. Als alleiniges erregendes Spannungselement involviert, geleiten Dietrich und Lanchester "Zeugin der Anklage" zum Meilenstein einer unvergänglichen Hollywood-Könnerschaft, in der erhabene Figuren so dringlich und so bestechend wandelbar ihre List ausspielen, dass ihr Publikum ohne Zweifel an der gespielten Wahrheit entlang auf das vertraut, was auch immer es zu hören glaubt. Obwohl alles unter der Hitze des Verhörs und der Schärfe der Indizien Lüge sein muss, abenteuerlichste Verhüllungen und raffinierteste Mätzchen, um der Absolutheit eines Todesurteils mit maximalen Drehungen zu entfliehen, festigt das Drehbuch eine Suggestivobjektivität, die jedem Heuchler, Schwindler und Betrüger trügerische Tatsachen einredet, die gar nicht existieren dürften. Jede Seite in Wilders körperdichtem Gerichtsdenkspiel ist essentiell für die (Oberflächen-)Wahrheit, und vor allem in den letzten erschöpfenden, kochenden Minuten wird erkennbar, dass Oberflächenwahrheiten auch Verwandlungen durchlaufen müssen, wenn sich die Gerechtigkeitswaage allmählich ausbalanciert.
8 | 10

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