Zeitumstellung – Ein gefährlicher Unsinn

Noch stimmt die Regel, dass die Sonne zur Mittagszeit ihren höchsten Stand erreicht. Dies wird sich ab morgen, Samstag, ändern. Für ein halbes Jahr und auf Kosten der Allgemeinheit

Fuchs gähntDie Umstellung der Uhren von Winterzeit auf Sommerzeit richtet einiges an Schaden an, zeitigt jedoch keinerlei Nutzen. Denn jeder Mensch richtet sich nach seiner eigenen inneren Uhr, seiner biologischen Zeit, die sich an der Tageshelligkeit orientiert. Unser gesamter Körper ist abhängig von regelmäßigen Rhythmen wie dem Atemrhythmus, der Pulsfrequenz und eben auch dem Schlafrhythmus. Weitere wichtige Funktionen, die diesem Rhythmus unterliegen sind der Blutdruck, die Körpertemperatur und, besonders wichtig, die allmorgendliche Ausschüttung sogenannter Glukokortikoide aus der Nebennierenrinde. Ohne diese bekämen wir die Augen nicht auf, da das Schlafhormon Melatonin sonst die Oberhand behielte. Den maximalen Blutspiegel an Glukokortikoiden haben wir zwischen sechs und neun Uhr morgens – Winterzeit.

Wenn uns dieses Zeitfenster verbogen wird, so hat dies Folgen für unsere Gesundheit und auch für unsere Wirtschaft. Anstatt morgens wach zu sein, fühlen sich die meisten Menschen schlapp und energielos. Es kommt vermehrt zu Unfällen im Straßenverkehr und am Arbeitsplatz, weil die Menschen unkonzentriert sind, da sie ja eigentlich noch eine Stunde länger schlafen müssten. Abends hingegen werden sie nicht richtig müde und leiden unter Schlafstörungen. Die Zahl der verschriebenen Schlafmittel steigt in den ersten zehn Tagen nach der Zeitumstellung deutlich an. Dasselbe gilt für Antidepressiva. Krankenwagen und Notaufnahmen bekommen vermehrt Arbeit, da die Zahl der Herzinfarkte um etwa 25 Prozent zunimmt. Arbeit bekommen auch die Schlaflabore. Denn Menschen, die ohnehin bereits Schlafstörungen haben, leiden ganz besonders unter der zweimaligen Umstellung jährlich.

Typische Symptome infolge der Uhrumstellung sind Schlafstörungen, Müdigkeit, depressive Verstimmungen, Schwankungen der Herzfrequenz, Konzentrationsschwäche, Gereiztheit und Appetitlosigkeit. Kein Wunder, dass viele kluge Köpfe daher gegen die Uhrumstellung argumentieren. “Ich halte sie nicht nur für überflüssig, sondern auch für schädlich,“ so der Regensburger Psychologe Jürgen Zulley im Interview mit der ZEIT. Er würde die Sommerzeit am liebsten abschaffen: “Es würde unserer Biologie eher entsprechen, in der Winterzeit zu bleiben.” Der Münchner Chronobiologe Till Roenneberg sieht in der Sommerzeit einen “von oben diktierten Eingriff in unser biologisches Zeitsystem.” Dass die halbjährliche Uhrzeitverschiebung uns schadet zeigen auch die Krankenhausdaten der DAK.

Kurzer historischer Exkurs

Noch bis Ende des 19. Jahrhunderts gab es in Deutschland und Europa keine einheitliche Zeitrechnung. Während sich beispielsweise die Bayern an ihrer Münchner Zeit orientierten, verließen sich die Preußen auf die Berliner Zeit und waren den Bayern damit genau sieben Minuten voraus. Erst mit dem Aufkommen des europäischen Eisenbahnverkehrs waren die Eurostaaten gezwungen, eine einheitliche mitteleuropäische Zeitmessung einzuführen. Angesichts den vielen Verspätungen der heutigen Bahn hätten sie sich das wohl auch sparen können. Die Idee, die Uhren kollektiv zu verstellen, ist jedoch bedeutend älter.

Als erster kam 1847 Benjamin Franklin auf die Idee, die Uhren sommers umzustellen. Auf diesem Wege erhoffte sich der Erfinder, Kerzen und somit Geld zu sparen. Der Brite William Willett bezog sich 1907 erneut in seiner Abhandlung „The Waste of Daylight“ auf diesen Einfall. Nach einigen Versuchen, einigem Hin und Her, war die Idee jedoch auf Eis gelegt worden. Bis 1980 unter der Kanzlerschaft von Helmut Schmidt die Uhrumstellung auch bei uns und in ganz Europa eingeführt wurde. Vornehmlich um Energie zu sparen, so der offizielle Tenor damals. Genützt hat es nichts, geschadet hingegen schon. Denn all die Energie, die wir angeblich abends durch weniger Lampenlicht einsparen, verbrauchen wir dafür verstärkt in den Morgenstunden, wenn wir mehr heizen müssen. Besonders im Frühjahr. Inzwischen ist sogar Gammelfleischministerin Ilse Aigner für die Abschaffung der Sommerzeit. Hätte sie so doch die Möglichkeit, das Haltbarkeitsdatum auf den Verpackungen um eine ganze Stunde zu verlängern.

Quellennachweis und weiterführende Links:



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