Zeiten wie diese …

oft kann man im Moment gerade lesen: in diesen Zeiten ist dieses oder jenes zu erwarten oder in diesen Zeiten ist es nicht verwunderlich wenn…

Zeiten wie diese …Foto:©Dagmar Hiller

Mir reicht’s jetzt, ich hab’ meine Zeitung abbestellt und das Radio habe ich zu den Nachrichten auch nur noch morgens an, wenn ich das Frühstück mache.
Nichts, aber auch garnichts positives ist dann zu hören. Jeder streitet mit jedem, sich einig sein gibt’s weder im Grossen noch im Kleinen und Harmonie existiert nur noch als Wort!
Eine schlechte Nachricht nach der anderen, das dämpft den Lebensmut und verbaut den Blick in die Zukunft.
Und eine Zukunft haben wir – alle. Der Mensch muss nur wieder lernen, an seiner persönlichen Zukunft zu arbeiten. Und zu vertrauen, dass diese Arbeit erfolgreich ist. Vieles geschieht im Kopf und das Gefühl für das innere Vertrauen geht verloren, wenn man immer nur die schlechten Nachrichten hört.
Und die guten Nachrichten… die sind wohl einfach nicht sensationell genug um sie zu verbreiten. Aber – es gibt sie, man erlebt sie tagtäglich aber beachtet sie kaum…
Nein, ich stecke den Kopf nicht in den Sand, ich weiß schon wie es in der Welt zugeht.
Nur, wenn man die Geschichte zurückverfolgt – ich glaube fast, schlechte Nachrichten entstanden mit Anbeginn der Menschheit…

Wenn die Börsenkurse fallen,
regt sich Kummer fast bei allen,
aber manche blühen auf:
Ihr Rezept heißt Leerverkauf.

Keck verhökern diese Knaben
Dinge, die sie gar nicht haben,
treten selbst den Absturz los,
den sie brauchen – echt famos!

Leichter noch bei solchen Taten
tun sie sich mit Derivaten:
Wenn Papier den Wert frisiert,
wird die Wirkung potenziert.

Wenn in Folge Banken krachen,
haben Sparer nichts zu lachen,
und die Hypothek aufs Haus
heißt, Bewohner müssen raus.

Trifft’s hingegen große Banken,
kommt die ganze Welt ins Wanken -
auch die Spekulantenbrut
zittert jetzt um Hab und Gut!

Soll man das System gefährden?
Da muss eingeschritten werden:
Der Gewinn, der bleibt privat,
die Verluste kauft der Staat.

Dazu braucht der Staat Kredite,
und das bringt erneut Profite,
hat man doch in jenem Land
die Regierung in der Hand.

Für die Zechen dieser Frechen
hat der Kleine Mann zu blechen
und – das ist das Feine ja -
nicht nur in Amerika!

Und wenn Kurse wieder steigen,
fängt von vorne an der Reigen -
ist halt Umverteilung pur,
stets in eine Richtung nur.

Aber sollten sich die Massen
das mal nimmer bieten lassen,
ist der Ausweg längst bedacht:
Dann wird bisschen Krieg gemacht.
Kurt Tucholsky, 1930, veröffentlicht in “Die Weltbühne”


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