Zehn Tage Rügen – den Wolken nah

ARTus-Kolumne  »SO GESEHEN« 588

von Walter G. Goes (Bergen/Rügen)

Ruth Schmidt schaut auch im Alter jung aus. Man glaubt sich verhört zu haben, wenn sie selbstbewusst ihren Jahrgang nennt. Die Zahlenkombination 19 und 23 träfe wohl ziemlich genau den Kern ihrer aktiven Lebenshaltung, die sich mit beständiger Wachheit auf das etwas andere Heute benennen ließe.

Das Leben kann so spannend sein, hört man ihrem nicht versiegen wollenden Erzählstrom zu, liest man ihre Gedichte, mit denen sie ihre Welt spiegelt, die ja auch die unsere ist, wie wir verwundert feststellen. Es sind Gedichte, die sie nicht mehr zählen kann oder mag und die sich nicht über schnöde Zahlen auflisten lassen.

Seit über 30 Jahren bereist die Hamburgerin Rügen, die ihre familiären Wurzeln in Ostpreußen hat und hier Facetten dieser nur noch vagen Erinnerungslandschaft vorfindet, schwört sie. Es sind wohl die sanft hügeligen Landschaften Jasmunds und Mönchguts, die kleinen Dörfer, Höfe und Kirchen, die nicht gleich einsehbaren, versteckt liegenden Seen, von denen Verzauberung ausgeht und die Ruth Schmidt immer noch findet, so es ihre Kräfte hergeben. Worte wie »Event« oder »Destination« kommen ihr nicht über die Lippen. Und schon gar nicht Sätze wie »coole Loungeecken zum Chillen auf Rügen«. Da trennen sie dann wohl doch Welten vom Chamäleon der schillernden Zeitmaschine. Derlei kurzlebige und krampfhafte Aufblähungen finden keinen Einlass in die Welt ihrer Gedichte. Sie folgen einem anderen Geist, dem der Achtung und der Demut vor den Geschenken der Natur, von denen Rügen reich gesegnet ist, was aber leider viel zu viele Bürger nicht mehr wahrnehmen. Da muss es dann wenigstens der Aufenthalt auf Mallorca sein. Die Baleareninsel kennt sie übrigens gut. Aber vielleicht doch etwas anders!?

Die Wissower Klinken, die Steinstrände Rügens, die Wiesen und Wolken, die Äcker und Bäume, die Tierwelt, das Meer… Kann es denn eine größeren Fundus an Vielgestaltigkeit, an Beweggründen zum hier Verweilen und zu eigener Auseinandersetzung geben? Ruth Schmidt hat an den zehn Tagen liebe Freunde in Bergen und Gingst, auf Wittow und Jasmund besucht. Und sie will wiederkommen! Nach Rügen »… wo ich doch immer wieder / das, was ich suchte fand! // Der Himmel küsst die Erde / Und ich bin voller Glück! / Geniesse jede Stunde! / Ich komm bestimmt zurück!«  ARTus

Zehn Tage Rügen – den Wolken nah

Die Hamburgerin Ruth Schmidt (* 1923) ist verzaubert von Rügen.
Zeichnung: ARTus



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