Zehn Jahre Karlsson

Zugegeben, meine Liebeserklärung an Karlsson kommt heute etwas sehr spät. Dies hat zwei Gründe: Erstens durfte ich heute nach ausgiebigen Geburtstagsfeierlichkeiten auch noch der Geburt eines Vereins beiwohnen und zweitens hat sich Karlssons ja damals auch erst drei Minuten vor Mitternacht dazu entscheiden können, Mamas Bauch doch noch am 17. und nicht erst am 18. zu verlassen. Und deshalb wird er ja streng genommen erst in einigen Minuten zehn Jahre alt.

Wird man Mama von einem Jungen, kommt man nicht umhin, mit zahlreichen Klischees konfrontiert zu werden. Die Leute schenken dem Kind marineblaue und dunkelbraune Kleider, sie bringen Spielzeugautos und Bagger mit und sie glauben, dich vorwarnen zu müssen, dass es nun wohl ziemlich rund gehen würde bei dir zu Hause. Würde man sich nach den Klischees richten, man hätte als Eltern eines Sohnes eine wahrlich eintönige Zukunft vor sich. Aber wir wurden ja Gott sei Dank nicht Eltern eines Klischees, wir wurden Eltern von Karlsson. Und dieser Karlsson, das wird mir an Tagen wie heute ganz besonders bewusst, entspricht ganz bestimmt nicht den gängigen Klischees.

Nehmen wir mal das Thema seiner Geburtstagsparty, die übernächstes Wochenende stattfindet: „Das späte 19. und frühe 20. Jahrhundert“, wie er auf der Einladung an seine Freunde schrieb. Oder nehmen wir das Geschenk, das er sich mit Gotte und Götti ausgesucht hat: Eine 130-jährige Petroleumlampe, die er hütet wie seinen Augapfel und die er am liebsten als einzige Beleuchtung im ganzen Haus einsetzen würde. Oder nehmen wir seine Antwort, als ich ihn heute fragte, ob er denn nicht seinen besten Freund zum Mittagessen einladen wolle: „Ach weisst du, Mama“, meinte er, „an meinem Geburtstag möchte ich eigentlich beim Mittagessen nur mit meiner Familie zusammen sein.“

So ist er, unser Karlsson und ich muss immer wieder schmunzeln, wenn ich daran denke, wie man uns damals, als er noch ganz klein war, gewarnt hatte, das Kind werde bestimmt ganz wild, ja, vielleicht sogar hyperaktiv, so, wie Jungs eben seien. Karlsson ist – wie wohl sehr viele Jungen – das pure Gegenteil von dem, was man uns damals gesagt hatte. Karlsson ist Karlsson, einmalig mit seinem Humor, mit seiner Liebe zu alten Dingen, mit seiner Fantasie, mit der er sich die Welt besser erträumt, mit seinen bunten Kleidern, mit seinem aufbrausenden Temperament, das in lebhaftem Kontrast zu seiner sensiblen Art steht, mit seiner Treue, die ihn in einem unansehnlichen Stück Stoff noch immer den geliebten Eisbären sehen lässt, den er zum ersten Geburtstag geschenkt gekriegt hat.

So bist du, geliebter Karlsson. So und noch ganz anders, denn wer könnte je einem Menschen mit einigen wenigen Sätzen gerecht werden? Und auch wenn ich dir weder mit meinen Worten noch mit meinen Taten je werde voll und ganz gerecht werden können, Eines bleibt: Ich bin so unglaublich dankbar, dass du mein Sohn bist.

Zehn Jahre Karlsson



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