Zecken ziehen nach Westen

Studien zum Vorkommen der FSME zeigen einen einheitlichen Trend: Die flachen Regionen des Ostens behagen den Zecken immer weniger. In Ungarn ist die FSME in den letzten Jahren beinahe ausgestorben - trotz geringer Impfrate. Und auch in Niederösterreich und dem Burgenland geht die Zecken-Gefahr stark zurück. Ganz anders ist die Lage in den westlichen Ländern. Dies zeigt, dass sich der Klimawandel auf das FSME-Risiko mindestens genauso stark auswirkt wie die Impfung.
Zecken ziehen nach Westen
Bohumir Kriz und eine Gruppe des "National Institute of Public Health" in Prag haben im Jahr 2012 eine Übersicht zur Entwicklung der FSME in Tschechien im Verlauf von 38 Jahren (1970 - 2008) publiziert.
Tschechien ist mit seinen 10 Millionen Einwohnern eines der von FSME am meisten betroffenen Länder. Seit 1970 sind mehr als 17.000 Krankheitsfälle registriert worden. Die Schwankungsbreite pendelt zwischen einem Minimum von 180 und einem Maximum von 595 Fällen pro Jahr.
Interessant ist der zeitliche Verlauf, zumal sich die FSME-Impfung in Tschechien nie so recht etablieren konnte. Die Impfung wurde Ende der 1970er Jahre von der österreichischen Firma Immuno entwickelt und entwickelte sich im Lauf der nächsten Jahre - auch forciert durch markante TV-Werbung und Plakataktionen - zu einem enormen Bestseller. Laut virologischem Institut der Medizinischen Universität Wien erreichte die Impfrate bis zum Jahr 2000 einen Anteil von mehr als 80 Prozent der österreichischen Bevölkerung. In besonderen "Krisenregionen" wie z.B. dem Bundesland Kärnten stieg die Impfrate sogar auf 90 Prozent, was für eine selbst zu bezahlende Impfung Weltrekord bedeutet.
Rätselhafte Unterschiede von Ober- zu Niederösterreich
Weil der Schutz durch die Impfung laut Auskunft der FSME-Experten bei mindestens 97 Prozent liegt, musste sich aus der enormen Impffreudigkeit auch eine enorme Reduktion der FSME-Fälle ergeben. Tatsächlich nennt Österreichs oberster FSME-Experte Franz-Xaver Heinz und sein Team der Universität Wien eine Reduktion der Krankheitsfälle durch die Impfung um 84 Prozent. Eine eindrucksvolle Zahl. - Falls man diesen Angaben trauen kann.
Denn seltsamerweise entwickelten sich die Fallzahlen in den verschiedenen Bundesländern trotz Rekord-Impfraten sehr unterschiedlich. Ober- und Niederösterreich starteten zum Beginn der Impfkampagne mit einer durchschnittlichen Anzahl von 4 FSME-Fällen pro 100.000 Einwohnern. "Doch nach 1990 begann die Inzidenz in Oberösterreich zu steigen und lag in der Periode zwischen 2009 und 2013 bei durchschnittlich 8,9 FSME-Fälle pro 100.000 Einwohnern", schreiben die Wiener Virologen. "Im Gegensatz dazu nahm die Inzidenz in Niederösterreich kontinuierlich ab und lag zuletzt bei 1,2 FSME Fällen."
In Tschechien wurde die Impfung lange fast gar nicht angenommen. Erst in den letzen Jahren stieg die Impfrate etwas an und lag zuletzt bei 17 Prozent.
Dennoch gab es während der 1980er bis zum Beginn der 1990er Jahre einen starken Rückgang der FSME von durchschnittlich 4 Krankheitsfällen pro 100.000 Einwohnern und Jahr auf im Schnitt nur noch 2 Fälle. Also ein ähnlich starker Rückgang wie in Österreich nach Einführung der FSME Impfung - bloß ohne Impfung.
Erst ab Mitte der 1990er Jahre kam es zu einem starken Anstieg der Inzidenz auf zuletzt rund 6 FSME-Fälle pro 100.000 Einwohnern mit saisonalen Spitzen bis zu 10 Fällen.
Zecken ziehen nach Westen
Kaum FSME in Ungarn
Auch in Ungarn wurde wenig geimpft. Und es ergaben sich starke Schwankungen, die nicht durch die Impfung erklärbar sind. Bis zum Jahr 1997 war die FSME Rate auf 2,8 Fälle pro 100.000 Einwohner angestiegen. Seither sank die Inzidenz auf 0,4 bis 0,8 Fälle stark ab. Zecken-bedingte Gehirnentzündungen sind heute in Ungarn also sehr seltene Vorfälle und ließen sich wohl ebenfalls als Erfolgsgeschichte der FSME-Impfung verkaufen. Nur dass die Impfung in Ungarn von der Bevölkerung – ebenso wie in Tschechien – kaum angenommen worden ist.
Was hingegen stark auffällt: Oberösterreich grenzt an Tschechien und der zeitliche FSME-Trend mit dem starken Anstieg ist in beiden Ländern gleich. Niederösterreich hingegen liegt weiter östlich und der Abfall der FSME ist beinahe so stark wie im noch östlicher gelegenen Ungarn. Auch im Burgenland und der östlichen Steiermark, wo die Hitze und Trockenheit des kontinentalen Klimas stärker ausgeprägt sind als in den Alpenregionen des Westens, sind die FSME Fälle stark zurück gegangen.
Wissenschaftler diskutieren nun über den Einfluss des Klimawandels auf den Lebenszyklus der Zecken. Trockenheit und Hitze sind etwas, das Zecken ganz und gar nicht passt. Sie ziehen nach Westen - und kommen in immer höher gelegenen Gebieten vor. Möglicherweise ist der Einfluss des Klimas auf das Vorkommen der FSME ähnlich bedeutsam wie jener der Impfraten.
Höchste Zeit für gute Studien
Jedenfalls zeigen diese aktuellen Arbeiten zur Epidemiologie der FSME, dass es wesentlich mehr Einflussfaktoren bei den von Zecken übertragenen Krankheiten gibt als nur die Impfung. Insofern sind auch die veröffentlichten Fallzahlen nicht automatisch ein Beweis für die Wirksamkeit der Impfung, zumal die saisonalen Schwankungen enorm sind - und sich auch in Ländern ohne Impfung ähnliche Rückgänge zeigten wie in Österreich.
Die Impfstoff-Hersteller bzw. die Gesundheitsbehörden würden deshalb gut daran tun, endlich eine konkrete Vergleichsstudie zwischen Geimpften und Ungeimpften zu organisieren, damit der Schutzeffekt der Impfung einmal konkret messbar ist - und auch gegen die möglichen Risiken der Impfung abgewogen werden kann.
Derzeit schwimmen wir bei der Risiko-Nutzen Bilanz der FSME Impfung absolut im dunklen. Und die von den Impfstoff-Herstellern finanzierten FSME Experten als einzige Auskunftsperson zu nehmen, mag zwar im Interesse der Industrie sein, einer informierten - möglichst objektiven - Entscheidungsfindung dient es nicht.

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