Zarah Leander gilt als der Star der UFA während des Nationalsozialismus. Sie war der höchst bezahlteste Star ihrer Zeit in Europa und verdiente mehr als ihre männlichen Kollegen, ein erstaunlicher Umstand, selbst heute noch. Und gerade das war eine ihrer Triebfedern in Deutschland zu bleiben, denn sie wusste vom eigenen Erleben her, wie es ist, mittellos mit zwei kleinen Kindern, als Alleinerziehende, dazustehen, denn ihre erste Ehe scheiterte. Dieser Situation wollte sie um jeden Preis entkommen. Als Sara Stina Hedberg wurde sie am 15. März 1907 in Schweden geboren und ihr musikalisches Talent wurde in der Familie stark gefördert, vor allen Dingen durch den Vater, der in Leipzig Orgelbau und Musik studiert hatte. Sie erhielt Klavier- und Geigenunterricht und trat bereits als Kind im Bereich der klassischen Musik auf; doch dies war nicht das Metier zu dem sie sich hingezogen fühlte. Sie wollte zur Bühne. Obwohl ihre Mutter strikt dagegen war, ihre vier Brüder sie ob ihrer ‚Star-Träume’ wegen verlachten und ihr Vater auch nicht ganz einverstanden war, setzte sie sich durch. Ihr erstes Engagement in einer Unterhaltungsrevue nahm sie 1929 an. Die Engagement geht auf Ernst Rolf, den ‚Revuekönig’ Skandinaviens zurück. Zarah durfte singen, bekam 100 Kronen und konnte am nächsten Tag, dem 27. Oktober 1929, einem Sonnabend, für die erkrankte Margit Rosengren mit dem Lied ‚Wollt ihr einen Star sehen, schaut mich an’, nach der Melodie: ‚Wenn der weiße Flieder wieder blüht’ einspringen. Ernst Rolf kündigte seinen neuen Star mit den Worten an: "Sie ist so talentiert, dass ich nicht die Kraft hatte, nein zu sagen. Sie heißt Zarah Leander, und diesen Namen muss man sich merken." Die nächsten fünf Jahre wird sie durch ihre Auftritte in Revuen, Lustspielen und Operetten in ganz Skandinavien berühmt. Daraufhin wird sie von der Schallplattenfirma Odeon unter Vertrag genommen und nimmt bis zum Jahre 1936 insgesamt 80 Titel auf, alle in schwedischer Sprache, darunter 1930 auch den Marlene-Dietrich-Song aus dem Blauen Engel: 'Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt.' Der damals sehr berühmte schwedische Schauspieler Gösta Ekman, der Faust-Darsteller aus dem Stummfilm von Murnau von 1926, besteht darauf, sie 1931 als Partnerin in 'Die lustige Witwe' als Partnerin zu bekommen. Franz Léhar muss ihretwegen den Gesangspart um zwei Oktaven tiefer transponieren. Es wird ein Sensationserfolg. Die Presse überschlägt sich, da schreibt das ‚Svenska Dagbladed’ in seiner Überschrift: „…Zarah hat großen Erfolg in Wien…“ Stockholms ‚Didningen’ notiert: „…Zarah erobert die Wiener im Sturm, eine so wilde Begeisterung hat man seit den Tagen der klassischen Operette nicht mehr erlebt…“ Und in der Wiener Musik- und Theaterzeitung Tonfilm, Theater, Tanz vom Oktober 1936 heißt es: „…In Zarah Leander hat die Filmdiva eine ausgezeichnete Interpretin gefunden. Diese nordische Schauspielerin hat echtes Theaterblut in sich. Sie ist eine faszinierende Bühnenerscheinung von ebenbürtiger Gestalt und das rötlich schillernde Haar verleiht ihr den Reiz der Exotik. Sicher und überlegen spielt und singt sie, ihre klangvolle Altstimme verrät samtigen Glanz…“
Aber auch privat geht es recht turbulent zu. Nach der Scheidung von Nils Leander geht sie 1932 ihre zweite Ehe mit dem Journalisten Vidar Forsell ein, dem Sohn des Intendanten der Stockholmer Oper, der sich 1946 wieder von ihr trennt und sich 1948 scheiden lässt. Er adoptiert ihre beiden Kinder, die daher den Namen Leander nicht tragen. Abermals führt sie jetzt ihr Weg auf ihrer Hochzeitsreise nach Berlin. Dies zeigt, wie stark ihre Affinität zu Berlin, zu Deutschland, schon immer war, ihre deutschen Sprachkenntnisse sind exellent. Zarah Leander wirkt in drei schwedischen Filmen mit und spielt auch da, wie später bei der UFA, den singenden, mondänen Vamp: 'Dantes Mysterien'; 1930, 'Der falsche Millionär '; 1931 und 'Ehespiele · Skandal'; 1935. Der wahre Durchbruch aber kam 1936 in Wien, wo Zarah in einer neuen Operette einen gefeierten Hollywood-Star vom Typ der Greta Garbo spielte. Wegen ihrer dunklen, ‚unweiblichen’ Stimme wurde sie zur Sensation, die auch den deutschen Filmproduzenten nicht entging. Sie machten ihr ein großzügiges Angebot, das Zarah akzeptierte. Ob sie um das Nationalsozialistische System und deren Auswüchse zu diesem Zeitpunkt wusste, nun, das muss dahingestellt bleiben. So wird das Jahr 1936 zum wichtigsten Jahr für ihre Karriere. Den Vertrag, den sie nach diversen Vorgesprächen schließlich am 28. Oktober 1936 unterzeichnet, bindet sie vorerst für drei Filme, die zwischen dem 1. Februar 1937 und dem 31. Januar 1938 zu realisieren sind, an die UFA. Die UFA hatte die Option, den Vertrag jeweils um 14 Monate zu verlängern. Mit gestaffelter Gage 200.000, 300.000, 400.000 Reichsmark, 53 % in Schwedenkronen, den Rest in Reichsmark. Die Zahlung erfolgt monatlich. Dazu ein Mitspracherecht bei der Wahl der Stoffe und Komponisten. Nach Vertragsabschluss musste sich der Vizepräsident der Reichsfilmkammer, Hans Jakob Weidemann, von Goebbels bittere Vorwürfe anhören, da dieser nicht begeistert war von der Idee, dass die UFA ausgerechnet eine Ausländerin zur ‚Leading-Lady’ der eigenen Gesellschaft und, wenn möglich, des gesamten deutschen Films aufbauen wollte. Er betrachtete es als Armutszeugnis, dass das stolze Dritte Reich nicht eine eigene Garbo oder Dietrich produzieren konnte. Nach ihren drei UFA-Filmen: ‚Zu neuen Ufern’, ‚La Habanera’ und ‚Heimat’ war sie bereits so populär, dass sich Goebbels der öffentlichen Anerkennung beugte. Sie war jetzt die Henne, die goldene Eier legte. Alle 10 Filme, die sie bis 1942 drehte, gehörten von den Einspielergebnissen her zu den Jahresbesten. Der Ton in Goebbels Tagebüchern ändert sich schlagartig, als er merkte, dass nicht nur das deutsche Publikum, sondern halb Europa dieser geheimnisvollen Stimme der Sehnsucht mit dem überdimensionalen Leidenspathos zu Füßen lag. Auch im neutralen Schweden berichtet die Presse überschwänglich von Zarahs Erfolgen und schickt Sonderkorrespondenten nach Berlin. Als der österreichische Film ‚Premiere’ zusammen mit ihrem ersten UFA-Film ‚Zu neuen Ufern’ bei den Filmfestspielen in Venedig präsentiert wird, berichten die schwedischen Zeitungen stolz: „…Zarah Leander repräsentiert Schweden mit einem österreichischen und einem deutschen Film…“ Die schwedische Presse formulierte damals keine Vorwürfe, weshalb die Leander ihr Talent der braunen Filmindustrie zur Verfügung stellte.
Im Gegenteil, die Filme liefen alle auch mit großem Erfolg in Schweden, die schwedische Wochenschau stellte im November 1938 die Premiere von ‚Heimat’ in Stockholm heraus. Der Ton ändert sich nun keinesfalls, wie man annehmen müsste, mit Beginn des Krieges, sondern erst nach Stalingrad kommen die ersten kritischen Töne. Ein Pressefoto aus dem Jahre 1941 belegt dies, als Zarah Leander zur deutschen Kulturwoche in Paris weilte und unter anderem auch von Jean Cocteau empfangen wird. Es zeigt den Star, wie er auf den Champs-Elysees Autogramme nicht nur an deutsche Soldaten, sondern auch an französische Verehrer verteilt. Dieses Bild wird in der schwedischen Presse mit einem freundlichen Text publiziert. Erst nach dem Krieg wird das Foto wieder publiziert, dann steht unter dem Bild: "Sie schämte sich nicht, an die Besatzer von Paris Autogramme zu geben". Von den 10 Filmen, die die Leander bis 1942 in Babelsberg bei der UFA drehte, sind fünf Kostümfilme, und nur in ‚Die große Liebe’ von 1942 spielt sie in einer zeitgenössischen Rolle, die so angelegt ist, dass sich im vierten Kriegsjahr die deutschen Frauen mit der Leander identifizieren konnten. Ihre Karriere befindet sich jetzt auf ihrem Höhepunkt. Ihre Lieder ‚Der Wind hat mit ein Lied erzählt’; ‚Kann denn Liebe Sünde sein’; ‚Nur nicht aus Liebe weinen’; ‚Er heißt Waldemar’ waren in aller Munde und die Schallplatten erreichten Millionenauflagen. Viele dieser Titel nahm sie jeweils in Deutsch, Schwedisch und Französisch auf. Aufnahmestudios standen ihr in Berlin, Stockholm und Paris zur Verfügung. Daher konnte sie auch Lieder von Komponisten, die im Reich verboten waren, wie zum Beispiel ‚Bei mir bist du schön’ von Shalum Sekunda, im April 1938 in Stockholm ohne Schwierigkeiten aufnehmen. Sie stieg zum höchstbezahlten weiblichen Filmstar in der Zeit des Nationalsozialismus auf. Auch Adolf Hitler mochte sie sehr, wie sein Leibdiener im Interview erzählte. Es gibt aber keine Fotos oder Berichte, die sie beide zusammen bei einem öffentlichen Anlass zeigen. Die höchste Ehre, zur Staatsschauspielerin ernannt zu werden, lehnte sie ab. Zarah Leander blieb schwedische Staatsbürgerin und bezeichnete sich, obwohl sie in mehreren ausgewiesenen NS-Propaganda-Filmen mitgewirkt hatte, nach Ende des Zweiten Weltkrieges stets als unpolitische Künstlerin. Nach ihrem letzten Drehtag am 10. November 1942 verließ sie Deutschland und kehrte auf ihr Gutshaus Lönö nach Schweden zurück.
Bereits 1947 trat sie wieder in der Schweiz auf, spielte auf den Bühnen Wiens und Basel und wirkte in vielen Filmen mit. In den Jahren von 1954-58 gab sie nur noch Liederabende, danach feierte sie in der Schweiz, Österreich, Schweden und in München und Berlin Erfolge als Musicalstar. Mit kleinen Unterbrechungen war sie bis zu ihrem Schlaganfall 1975 ständig auf der Bühne. In einer Pressekonferenz von 1979 gab die ihren Rückzug von der Bühne bekannt und verstarb am 23. Juni 1981 in Stockholm.
Bis zu ihrem Tode sah sich Zarah Leander als unpolitische Künstlerin, so wie die meisten ihrer Kollegen, und sah sich nicht in der Verantwortung für ein unmenschliches System gearbeitet zu haben…
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Bild 1: Zarah Leander – Quelle: pipeline.de · Bild 2: Plattencover Zarah Leander – Quelle: music-load.de · Bild 3: Zarah Leander nach dem Krieg – Quelle: dhm.de