Zahltag

Von Beautifulvenditti

Kaum öffnet sich der Schalter, steht auch schon die Krankenkassenprämie da, massig und vorlaut, meist in Begleitung von ein oder zwei Arztrechnungen, die auch nicht gerade durch Zartheit auffallen. Dicht hinter der Krankenkassenprämie baut sich die Steuerrechnung auf, breitbeinig und dominant. “Platz da! Mich hat man schon letzten Monat warten lassen, diesmal komme ich zuerst”, donnert sie, so dass es alle hören können, doch die Krankenkassenprämie denkt nicht im Traum daran, ihre Spitzenposition in der Warteschlange preiszugeben. “Und was ist mit mir?”, meldet sich entrüstet die Pellets-Rechnung zu Wort, auch sie nicht gerade zart gebaut, aber doch immerhin etwas weniger bullig als die zwei Streithähne, die nun angefangen haben, sich gegenseitig zu schubsen. Die Rechnung für die Dritte Säule fängt ebenfalls an zu stänkern. Auch ihre Grösse ist nicht gerade beeindruckend, aber weil sie schon letztes Mal im Trubel untergegangen ist, will sie jetzt sichergehen, dass sie nicht schon wieder vergessen geht. Die Mietzinsrechnung lehnt derweilen demonstrativ gelangweilt an der Wand und beobachtet das Treiben mit süffisantem Grinsen auf dem Gesicht: “So ein Dauerauftrags-Privileg hat halt schon seine Vorteile”, sagt sie zur Rechnung für die Instrumentenmiete, die zufrieden lächelnd daneben steht und an einem Latte Macchiato nippt. “Sieh mal, die Kleinen kommen. Das wird lustig”, sagt sie.

Tatsächlich fangen die kleinen, wendigen Kleinkramrechnungen an, sich vorzudrängen. Telefon, Strom, Wandkalender, Bio-Kiste, Zeitschriftenabo, Kinderkleider – sie alle und noch einige mehr stürmen an den Grossen vorbei auf den Schalter zu und werden eine nach der anderen mit einem netten Lächeln behandelt. Erst, als auch die mikroskopisch kleine Rechnung für die Dreikönigskronen an die Reihe gekommen ist, dämmert den Grossen, dass da einige Winzlinge schneller waren als sie. Die Steuerrechnung bekommt einen Tobsuchtsanfall und packt eine der Minirechnungen, die sich nicht schnell genug aus dem Staub machen konnte, am Kragen. “Was fällt dir eigentlich ein, du…du…du…elendes Würstchen du. Wart nur, dich mach’ ich fertig!”, donnert sie und merkt nicht, dass die Krankenkassenrechnung und die anderen Drängler sich derweilen seelenruhig am Schalter abfertigen lassen. Schliesslich steht sie als Letze noch da, einmal mehr mit abgesägten Hosen, denn die Schalterbeamtin lächelt bedauernd und sagt: “Tut mir Leid, wären Sie etwas früher gekommen, dann hätte ich Sie noch komplett abfertigen können, doch leider ist inzwischen nicht mehr genug da für Sie. Sehen Sie, irgendwie müssen wir auch noch Essen auf den Tisch bringen. Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, wenn ich Sie halbiere und Ihre zweite Hälfte nächsten Monat drannehme.”