Zähflüssig

An gewissen Tagen ist es, als hätte jemand über Nacht deine Wohnung mit Honig übergossen und zwar mit dieser billigen, zähflüssigen Sorte, die so unglaublich gut haftet, zuerst am Glas, dann am Löffel und schliesslich überall, wo sie ihre Spuren hinterlassen hat. An solchen Tagen kommt es dir so vor, als würde die ganze Familie knöcheltief in diesem Honig waten und du hast die mühsame Pflicht, jedem Familienmitglied dabei zu helfen, in dieser klebrigen Masse einen Fuss vor den anderen zu bekommen.

“Trink jetzt deinen Kakao, FeuerwehrRitterRömerPirat. Ja, die Tasse steht zwei Zentimeter neben deiner rechten Hand, eine kleine Bewegung nur und du kannst den Griff fassen. Ja, gut so und jetzt führst du die Tasse zu deinen Lippen. Und jetzt schlucken. Nein, jetzt die Tasse nicht wieder hinstellen, noch ein Schluck und noch einen. So ist gut. Und jetzt erhebst du deinen Hintern vom Hocker, gehst ins Badezimmer und wäschst dir dein Gesicht. Jawohl, dazu nimmt man einen feuchten Waschlappen und mit dem fummelt man dann im Gesicht herum. Und wo du schon mal im Bad bist, empfiehlt es sich, gleich zur Zahnbürste zu greifen. Die Zahnbürste ist dieses Ding mit dem langen Stiel und den Borsten, mit dem man an den Zähnen herum schrubbt. Gut…”

“Weisst du, ‘Meiner’, ich habe mir überlegt, wir könnten Karlsson stets Znünigeld für eine Woche geben, das er sich dann selber einteilen muss, wenn er sein Znüni unbedingt kaufen will. Ja, ein fixer Betrag und wenn er das Geld zu schnell aufgebraucht hat, muss er eben seine eigenen Brote schmieren. Damit er lernt, das Geld einzuteilen, ja und damit er lernt, dass es billiger ist, den Znüni von zu Hause mitzunehmen. Für den Znünikisok in der Schule, genau den meine ich.  Nein, nicht viel Geld, einfach ein paar Franken, die er selber verwaltet. Genau, und wenn er kein Geld mehr hat, dann muss er eben selber schauen. Ja, so meine ich das. Selbstverständlich können wir heute Abend in Ruhe darüber reden…”

“Klar kannst du eine Tasse Tee haben, Zoowärter, aber zieh dich doch in der Zwischenzeit schon mal an. Ja, die Hose, die du gestern bekommen hast. Jawohl, auch eine Unterhose und ein T-Shirt. Das findest du im Schrank, genau….Dein Tee ist fertig, Zoowärter. Aber warum bist du noch nicht angezogen? Hier ist deine Unterhose. Vielleicht musst du zuerst die von gestern ausziehen. Gut, und jetzt die Hose. Nein, die Unterhose von gestern bitte in den Wäschekorb, nicht auf den Fussboden…So, jetzt musst du aber wirklich gehen. Wie, dein Tee? Die Tasse steht seit zwanzig Minuten auf dem Tisch und du sitzt seit zwanzig Minuten am Tisch, aber trinken müsstest du schon noch selber. Nein, der Tee ist jetzt nicht mehr heiss… Und jetzt die Schuhe. Ja, die Sandalen, die Sonne scheint…”

“Ja, Luise, dein neues T-Shirt gefällt mir sehr gut und ja, die Katzen sind wirklich unheimlich lieb und herzig, ja, du hast dich wirklich gut auf die Prüfung vorbereitet, ja, deine neue Hose ist auch toll, ja, ich kann dich kämmen, aber du solltest dir heute unbedingt die Haare waschen, ja, du darfst dir meine Schuhe ausleihen, ja, irgendwann darfst du dir einen zweiten Ohrring stechen lassen, nein, ich weiss noch nicht wann, nein, heute ganz bestimmt nicht, du brauchst jetzt nicht zu motzen, ich hab gesagt, wir machen das, aber ich weiss noch nicht wann, nein, ich habe dein Matheblatt nicht gesehen, nein, ich kann nichts dafür, dass du so viele Hausaufgaben machen musstest, nein ich habe auch dein Englischblatt nicht gesehen…Du willst doch nicht etwa sagen, dass du jetzt noch zwanzig Aufgaben lösen musst, die du gestern Abend hättest lösen müssen?”

“Du kannst den Computer selber einschalten Karlsson. Ja, der Drucker sollte genügend Tinte haben. Selbstverständlich hast du dein Titelblatt schön gestaltet. Kannst du bitte das Papier selber suchen, ich muss jetzt…Doch, gestern ging der Drucker noch. Nein, ich weiss nicht, welcher Trottel wieder diese Abdeckung weggenommen hat. Geht noch immer nicht? Dann mailst du das Titelblatt halt an die Lehrerin. Das möchte sie nicht? Aber wenn unser Drucker streikt…Okay, ich komme gleich, muss nur noch…Ja, Karlsson, ich habe gesagt, ich komme gleich, einen Augenblick bitte. Kannst du das hier mal halten, ich versuche den Drucker zu kippen. Gut, jetzt sollte es klappen. Ist wirklich schön geworden, dein Titelblatt, aber jetzt musst du dich beeilen. Nein, ich weiss auch nicht, wo dein zweiter Hallenschuh ist…”

Ein Wunder, dass du keinem sagen musst, wie das mit dem Atmen funktioniert: “Einfach immer schön ein und aus, nicht zu schnell und nicht zu langsam, ja, der Brustkorb hebt und senkt sich, schön….”

Wenn dann endlich alle bereit sind und du denkst, das Schwierigste sei überstanden, dann setzt sich dein Erstklässler auf die Treppe und heult, weil er nicht zur Schule gehen will, weil es dort so laaaaaaaangweilig ist. Und du weisst, dass die Morgenroutine zumindest beim Zoowärter mit dem Beginn dieser Krise nur noch zähflüssiger sein wird…

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