You mudlark!

Von Andreas Clevert @andreasclevert

Ich bin generell nicht sonderlich begeistert, wenn mich abends, spät abends, nach getaner Hausarbeit noch ein paar Schulhefte erwarten. Sorgfältig aufgeschlagen, teils mit Zetteln versehen, erinnern sie mich stumm daran, dass ich den Kindern versprochen hatte, noch einen Blick darauf zu werfen. Klar, 23:00 Uhr, ich halte mein Wort, lieber Herr Erstklässler, Herr Viertklässler und Herr Sechstklässler.

Wenn dann aber in der sechsten Klasse im Englischunterricht irgendein wahnsinniger Schulbuchredakteur es für didaktisch angemessen findet, das Wort ‚mudlark‘ einzuführen, flippe ich aus. Ja, ich bin kein Philologe und sicherlich sind Texte in einer Fremdsprache nur halb so spannend, wenn sie sich nur aus Worten zusammensetzen, die sehr häufig in dieser Fremdsprache gebraucht werden. „Lucky charm“ war so ein Eintrag im Englisch-Vokabelheft in der fünften Klasse. Aber dafür gab es wenigstens noch eine deutsche Entsprechung („Glücksbringer“).

Ich weiß nicht, was der erwähnte Schulbuchredakteur geraucht haben muss, als er dachte, ‚mudlark‘ ist ein Wort im Englischen, welches ein Elfjähriger schon beherrschen sollte. Aber spätestens, als er herumtüftelte, ob es denn dafür eine deutsche Übersetzung geben könne, müsste ihm doch aufgefallen sein, dass das vielleicht kein Geistesblitz war. Aber nein, er hat wohl weiter geraucht. Und so hat mein Sprössling brav die Vokabelliste in sein Vokabelheft übertragen. Die Spalte im DIN A 5 – Vokabelheft war hier halt etwas eng, aber man kann es immer noch entziffern: „Jemand, der im Schlamm nach Sachen sucht, die er dann verkaufen kann.“ Hej, da müsste man doch ein Nomen finden können: Verschlammtesachenverkäufer oder so ähnlich.

Und morgen am Frühstückstisch muss ich wieder so tun, als wäre es doch wirklich, jeden Tag, und in allen Belangen, sinnvoll und sinnstiftend, in die Schule zu gehen.

Ich alter Heuchler.