You got Mail

20150211_085702Im Film “Email für Dich” kündigt dieser Satz Kathleen Kelly  ( Meg Ryan) an, dass sie Post von Joe Fox alias NY152 ( Tom Hanks) zu erwarten hat. Der Beginn einer verwirrenden, emotionsgeladenen am Ende, wie seit jeher in Hollywood, glücklich endenden Story. In Zeiten der Smartphones, Tablets, IPhones und Touchscreens, wo die moderne Hausfrau selbst am Herd mit dem WorlWideWeb und Socialmedia vernetzt ist, geraten simple Emails heuer auch mehr und mehr auf’s Abstellgleis. So wie einst der gute alte Liebesbrief heute per SMS, Messenger nebst passendem  Emoticon erledigt wird. Nur unsere Mütter geraten noch aus dem Häuschen wenn Ihnen Web.de zum Geburtstag gratuliert. “Stell Dir vor, die sind ganz früh aufgestanden und haben mir sogar zweimal einen Gruss geschickt. Um 05.00 und um 05.28. Naja vielleicht wusste der Kollege nicht das der andere schon alles abgearbeitet hat” Schmunzelnd und kopfschüttelnd erübrigt sich angesichts solch zuckersüsser Situationskomik die Frage ob Du Muttern erklären wirst,  das es sich um ein System und dessen Programierung handelt oder Du ihr einfach die Illusion lässt, das sich ein junger Praktikant morgens um 05.00 gähnend an den Computer setzt und die Liste der Jubilare für den Tag abarbeitet. Die Zeiten ändern sich. Heute kommunizieren wir per Messenger oder What’s App, gestern waren es Emails und vorgestern die Briefe auf handgeschöpftem Bütten.. Ich bin ein Nostalgiker, nein anders ich werde mit zunehmendem Grauanteil im Haupthaar mehr und mehr  nostalgisch. Immer häufiger ertappe ich mich dabei das gute alte Büttenpapier herbei zusehnen, um Paul einen Liebesbrief zu schreiben.  Elegant, exclusiv und edel mit Füller und Tinte und in Kalligraphie.  Seit mehr als 20 Jahren habe ich keinen Kalligraphiestift mehr in der Hand gehalten. Weswegen ich bezweifle das mein Liebensbrief elegant ausschauen wird. Ich weiß lediglich noch das es breite und schmale Buchstabenseiten gibt. Und ich weiß, das ich es trotz der Aussicht auf dicke Tintenkleckse, manchmal lieber tät, als eine hingekritzelte ‘Ich liebe Dich’ Botschaft auf einem Notizzettel- mit Emoticon versteht sich.

Post ist was Feines. Glücklicherweise finden in der heutigen atemlosen Gesellschaft wieder mehr und mehr Menschen zurück zum manuellen Brief. Es scheint sich eine Kehrtwende zu Urlaubspostkarte und handschriftlichem Gruss, statt Strandselfie oder WhatsApp Gruss von der chinesischen Mauer, anzubahnen.  Kunterbunte Ansichtskarten mit schrillen Briefmarken, geheimnisvollen Stempeln drauf aus aller Herren Länder finden sich neuerdings wieder vermehrt in Postsäcken und Briefkästen. Ein Brückenschlag in die Nostalgie. Das allererste was ich früher im Urlaub in Angriff nahm, war nach dem Einräumen des immergleich nach Mottenpulver riechenden Kleiderschrankes, das Erkunden des nächsten Zeitungskiosk. Im Osten waren das freistehende vollverglaste Betonkästen, die am Strandaufgang neben dem Neuen Deutschland, der Ostseezeitung, Frösi und Fürsie auch eine HitCola, das Pücklereis und Postkarten zu 25 Pfennig das Stück samt zugehöriger Briefmarke pfeilboten. Schöne alte Zeit. Die Auswahl an Motiven war weniger imposant wie heute und in den späten Siebzigern auch nur schwarzweiß. Erst in den 80igern gesellten sich schwachfarbige Urlaubsgrüsse aus dem FDGB Heim dazu. Qualitativ waren die Dinger nicht anspruchsvoll. Ein Vergessen in der Sonne bekam Ihnen genauso wenig wie ein längerer Aufenthalt in feuchtem Klima. Beides schadete der Farbe des Fotomotives und erschwerte dem Empfänger das Entziffern der Urlaubsbotschaft. Das Benetzen der Briefmarke mit Spucke war ein etwas gräuslicher Moment, die schmeckte einfach nicht und  selbstklebend stand noch lange nicht zur Disposition. Trotzdem! Die Mussestunde vor dem Zubettgehen, wenn der Strandtag noch auf der Nase lacht, die Arme sonnen verwöhnt, ich ganz erschöpft vom Ferientag am Meer, diese Stunde war mir heilig. Der Text war jedes Mal gleich, aber die Freude über die  geschriebenen Postkarten an all die Omas, Tanten und Onkels, Cousinen, den Papa, die Mama und die Russischlehrerin, war gross. Im Ferienlager bestand neben einem möglichen Lob eben auch die Aussicht auf Antwort, mit etwas verstecktem Taschengeld im Umschlag. Urlaubspost schreiben gehört bei mir zu den Ferien genauso dazu wie langes Ausschlafen und Faulenzen. Ich gebe zu auch ich hab jahrelang lieber den elektronischen Weg gewählt. Erst seit ein paar Jahren entdecke ich die Vielfalt der Urlaubskarten wieder. Ich verfasse gern welche, kaufe mir manchmal sogar extra schöne Motive für die heimische Pinnwand oder such mir ganz besondere Ansichten für richtig gute Freunde aus und ich bekomm total gern welche. Welch prickelnder Moment an einem nebligtrüben Februartag eine Postkarte aus dem Kasten zu angeln, die von unvorstellbarer Weite, tropischer Hitze Lachen und Urlaub erzählt. Das ist wie selbst mal kurz in die Ferne entschwinden, ein heisser Sonnenstrahl auf dem winterlichen Parkett, Salsa im Schnee und die Kaminhitze fühlt sich an wie weicher, warmer Sommerwind. Ein Trend lebt wieder auf! Wunderbares Retro! Jahrelang verzehrte sich unser Briefkasten nach diesen A5 normierten Fotocollagen, die den Duft der weiten Welt verströmten, weltmännisch Abenteuer zum Besten gaben. Manch eine Karte, welche zerknickt, gezeichnet von der langen Reise, schwer seufzend bei uns landete konnte eine Weltumrundung vorweisen, war jahrelang unterwegs, wurde in den wildesten Ecken zwischengelagert, überquerte vielleicht mehrfach den Ozean, möglicherweise war sie in Mexico aus dem Postsack gefallen und erst spät wieder in einer heißen Ecke der Posträume wiederentdeckt worden.  Am  Ende ihrer Irrfahrt landete sie erschöpft in unserem kleinen Inselbriefkasten. Eingeworfen von Herrn Meier in seiner schicken Postuniform.

Ich liebe es Postkarten aus dem Urlaub zu bekommen. Ich male mir aus, in welcher Stimmung der Absender war, als er sie schrieb. War es Nachmittags beim Cafe solo oder Abends mit einer Caipirinha an der Bar. Vielleicht war20150211_085529 der Absender ja ein Frühaufsteher und nutzte die ruhigen Morgenstunden für die Grüsse in die Heimat. Postkarten haben viel zu erzählen, viel mehr als das schnell geschriebene “Mir geht es gut. Wie geht es Euch. Das Wetter ist toll und das Essen auch. Bis bald Eure…”. Postkarten aus dem Urlaub erzählen von der weiten Welt,  Märchen aus tausend und einer Nacht, Capedoktoren, Äffchen die um Kekse betteln und sich gegenseitig die Läuse aus dem Fell pulen, unbeeindruckt der umstehenden Touristen, tropischen Wälder, Korallenriffen, Abenteuern mit Elefanten, Löwen und Nasenbären, Freizeit, Freiheit, Lachen, Wind und Sonne. Die Menschen die Postkarten verschicken schreiben nicht nur zwei Sätze auf weißen Grund, spätestens wenn sie die Briefmarke aufkleben packen sie eine dicke Umarmung in den Gruss und schicken diese auf die Reise!

Das allerbeste an Postkarten jedoch ist ihre Langlebigkeit. Ich pinne sie an die Wand, manchmal verschieb ich ihre Position, einige landen auch im Postkartenkarton, um aktuelleren Urlaubsgrüssen Platz zu machen. Keine wird jedoch vergessen. Postkarten sind nicht wie kettenbriefanmutende verschickte Urlaubsselfies. Keine Postkarte verschwindet im Papierkorb, wenn ich es nicht will und jede einzelne erzählt bis heute Ihre eigene Urlaubsgeschichte. Ich hab es schon geschafft, einen ganzen verregneten Nachmittag in alten Postkarten zu stöbern, mich zu erinnern, zu träumen, zu lachen und vielleicht auch ein paar TränChen der Melancholie wegzudrücken. Postkarten müssen keinen Computerabsturz oder Netzausfall fürchten, sie überleben die meisten Stürme und manchmal sogar uns!

An dieser Stelle möchte ich allen fleissigen Urlaubspostkartenschreibern von Herzen danken. Bitte hört nicht auf damit! Gerade jetzt im strengsten Fros, t eine bezaubernde Südseegeschichte an die Wand pinnen zu können ist quasi unbezahlbar!



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