© Real Fiction / Fahrschülerin Hye-Won Chung (rechts) mit ihrem Fahrlehrer Christian Krieger
Der Führerschein bedeutet die Eigenmacht über die Fortbewegung. Damit einher geht in vielen Ländern dieser Welt die Lossagung von öffentlichen Verkehrsmitteln, von Taxen oder anderen Möglichkeiten um von A nach B zu gelangen. Man ist selbst Herr oder Frau über den Weg, den man gerne zurücklegen möchte. In „You Drive Me Crazy“ wird der Blick in drei Länder dieser Welt gelenkt und wie dort der Führerschein erworben werden kann. Indien, Japan und Deutschland, in denen die Metropolen Mumbai, Tokio und München als Schauplätze herhalten müssen. Regisseurin Andrea Thiele entstammt selbst der letztgenannten Stadt, hat dort in 2010 ihren Abschluss an der Hochschule für Film und Fernsehen München gemacht. Sie zeigt in ihrem Debütfilm drei Menschen die die Hürde Führerschein nehmen wollen und das mit ganz unterschiedlichen Resultaten. Ihre Dokumödie, so wird sie beworben, ist weniger eine Erfolgsgeschichte als ein Blick auf Kulturen und Menschen.
Diese Menschen sind hier Mirela Sarnardzija, eine deutsche Modedesignerin in Mumbai, die sich dort freier fühlt als in ihrer Heimat. Der Amerikaner Jacob Cates wollte eigentlich immer nach New York, sitzt aber in Tokio, wo er Gemälde malt die ihm kein Geld einbringen, so dass er sich mit verschiedensten Hilfsjobs über Wasser halten muss. Und die Koreanerin Hye-Won Chung studiert in München, bleibt auch dann noch dort, als ihr Mann vom Militär eingezogen wird und zurück nach Korea fliegt – mitsamt dem gemeinsamen Sohn, der auf Wunsch der Großeltern statt bei einer alleinerziehenden Mutter bei ihnen selbst aufwachsen soll. Hye-Won nimmt das hin, um einem Disput aus dem Weg zu gehen.
Fahrlehrer Ryoji Tetsuya (rechts) mit Schüler Jacob Cates
„Wenn man einen Führerschein in Deutschland machen will, muss man vor allem gut zuhören können“ heißt es bei Hye-Won, die ihren deutschen Fahrlehrer als Theoretiker offenbart, der ohne das Zeigen von Emotionen seinen Job verrichtet. Gänzlich ohne Empathie treibt er seine Schülerin auch dann noch dazu an weiterzufahren, wenn sie weinend auf dem Lenkrad liegt. Bei dem Versuch sich ihm freundschaftlich zu nähern, mit ihm persönliche Dinge zu teilen, die Vorstellung ihres Mannes, der per Videotelefon aus Korea „Hallo“ sagen will, blockt der deutsche Sturkopf ab, will sich lieber wieder der Fahrprüfung zuwenden. Immerhin weiß er alles übers Autofahren. „In Japan fährt man links“ ist derweil die erste Lektion die Jacob lernen muss, ein Amerikaner der nur die Hälfte von dem versteht, was sein Fahrlehrer ihm beizubringen versucht. Die Sprachbarriere soll aber nicht sein einziges Problem bleiben, denn in Japan ist selbst das Autofahren ritualisiert. In gleich vier Fahrprüfungen muss er seine Unsicherheiten ablegen. Das beginnt bereits mit der richtigen Annäherung an das Auto: Wie macht man die Tür auf? Wie steigt man in das Gefährt ein? Für alles scheint es hier eine Regel zu geben. Ein älterer Herr gibt Jacob gegenüber später zu, dass er sieben Anläufe gebraucht hat um die Fahrprüfung zu bestehen. Am Ende war er nur erfolgreich, da er einen Anzug getragen habe. In Japan dreht sich alles um Geduld und Frustration. Jacob solle einfach so fahren wie seine Großmutter.
Die Fahrlehrer in Mumbai, darüber regt sich Mirela auf, spielen derweil lieber mit ihren Handys herum, als dass sie ihre Konzentration auf ihre Fahrschülerin lenken. Das Lesen von Straßenschildern scheint sowieso gänzlich überflüssig. Wichtig ist nur, die Fensterscheibe runter zu kurbeln und sich per Handzeichen seinen Weg durch den Straßenverkehr zu bahnen. Hier wirkt alles eher wie gut gemeinte Ratschläge, wie Erfahrungen die gemacht worden sind, nicht wie Regeln die es einzuhalten gilt. Irgendwie heile durch den Verkehr kommen, darauf kommt es hier an. Nicht einfach zu erlernen für die deutsche Frau, die vermutlich gerne bei dem Theoretiker aus München in die Lehre gehen würde.
Fahrschülerin Mirela Sarnardzija (links) mit ihren Fahrlehrern Sharndev G. Tadrnali & Vinay R. Modak
Ganz nebenbei erzählt „You Drive Me Crazy“ dann doch viel mehr als nur von der Fahrprüfung dreier Menschen in für sie fremden Ländern. Es wird das Miteinander der Menschen thematisiert. Hier treten drei Stück von ihnen in den Vordergrund, überkommen die Blechkarosserien in denen sie das Fahren lernen sollen. Den jeweiligen Schüler wird im Dialog mit ihren Lehrern auf einmal bewusst, dass sie in der Fremde leben: Wie wenn der japanische Fahrlehrer Ryoji Tetsuya seinem amerikanischen Schüler vorwirft, noch wie ein Cowboy zu denken, er sich davon lossagen und der Kultur entsprechend agieren müsse. Nur dann sei er in der Lage den Führerschein zu machen. Immer wieder erleben wir die drei Protagonisten auch außerhalb des Autos, wenn sie mit ganz alltäglichen, fremdkulturellen Dingen beschäftigt sind. Wie komme ich alleine in einem fremden Land zurecht? Ist dieser Ort wirklich wo ich hingehöre? Wie soll ich hier mein Geld verdienen? Fragen, mit denen sich Regisseurin Andrea Thiele beschäftigt und dabei auf Erfahrungen aus ihrer Zeit an der University of Miami zurückgreifen kann.
Meistens kehrt sie dann aber mit ihrem Blick zurück an das Steuer eines Autos. Dennoch hat man am Ende das Gefühl die Protagonisten über ihre Fahrkünste hinaus zu kennen. Dabei betrachtet die Kamera ihre Zielobjekte so objektiv, dass man sich wie ein stiller Beobachter fühlen darf. Am Ende möchte man diesen drei Menschen alles Gute auf ihren Lebenswegen wünschen, ob nun mit oder ohne Führerschein. Denn so viel sei verraten: Nur für einen der drei wird sich der Wunsch nach selbstgesteuerter Mobilität erfüllen.
”You Drive Me Crazy“
Originaltitel: And Who Taught You To Drive?
Altersfreigabe: ohne Altersbeschränkung
Produktionsland, Jahr: D / F, 2012
Länge: ca. 88 Minuten
Regie: Andrea Thiele
Darsteller: Hye-Won Chung, Jacob Cates, Mirela Sarnardzija, Christian Krieger, Ryoji Tetsuya, Sharndev G. Tadrnali, Vinay R. Modak
Deutschlandstart: 18. April 2013
Im Netz: youdrivemecrazy-film.de