Liebe Leser!Heute am Abend beginnt Yom Kippur – der höchste jüdische Feiertag. Wobei das „Feier“ in Feiertag nicht die beste Ausdrucksweise ist, da weniger gefeiert wird – und mehr gefastet.
Die meisten von uns kennen das katholische Fasten: Kein Fleisch.
Jüdisches Fasten funktioniert an Yom Kippur ähnlich, nur dass auch Fisch, Vegetarisches, Synthetisches, Getränke und alles andere verboten ist. Luft darf man aber bedenkenlos einatmen (Allerdings sollte ich mich darüber noch schlau machen – manche besonders orthodoxen Gemeinden sehen das sicher nicht so liberal wie ich…).
Der „Tag“ dauert 25 Stunden (Freitagabend bis Samstagabend plus eine Stunde) und ich werde versuchen es auch durchzuziehen. Es ist mein erster Yom Kippur hier und ich möchte dieses Erlebnis nicht missen.
Heute möchte ich die Gelegenheit nutzen, um ein bisschen was über Israel zu erzählen. Die Mentalität ist südlich und ausgesprochen freundlich. Die geographische Lage wirkt sich auf die Autofahrer aus, die Freundlichkeit eher nicht – wer in Israel ein Auto mietet sollte entweder extrem schlecht oder richtig gut fahren… Nach dem Motto: Integrieren oder kapitulieren.
Hupen ist auch recht wichtig – man hupt:
- Wenn es wichtig ist
- Wenn man hupen könnte
- Wenn man es unterlassen könnte
- Wenn es unpassend ist
- und überhaupt
Durch orthodoxe Viertel (speziell Mea‘Schearim) sollte man nicht mit dem Auto fahren – auch wenn man kein Jude ist.
Es könnte passieren, dass plötzlich Steine in der Luft auftauchen, in die man hineinfährt.
Wer behauptet, dass die Anrainer die Steine werfen ist verbreitet Unwahrheiten. Immerhin dürfen ultra-orthodoxe Juden an Schabbat keine Steine werfen. Die Steine platzieren sich ganz von alleine dort
Nach Yom Kippur schreibe ich noch etwas ausführlicher über den Schabbat und seine Regelungen – ich möchte doch vorweg nehmen, dass liberale Gemeinden es anders sehen. Am Schabbat ist es verboten Feuer zu machen. Das wird verschieden gehandhabt. In orthodoxeren Kreisen bezieht sich das auf Feuer generell. Liberale argumentieren, dass Feuer machen heute entweder nicht mit Feuer machen von damals verglichen werden kann oder dass der Funke, der im Auto zur Zündung benötigt wird indirekt erzeugt wird – wer also vor der Synagoge seines Vertrauens einen Parkplatz sieht weiß, dass es sich hierbei um eine besonders liberale Gemeinde handelt. Aber dazu – beim nächsten Mal mehr.
Bezüglich Umwelt ist Israel ein Sonderfall: In keinem Land der Welt wurden derart viele Wasserwiederherstellungstechnologien (langes Wort ) entwickelt wie in Israel – fast auf jeder Farm stehen Möglichkeiten zur Verfügung, wie das Wasser recycelt wird. Da in der ganzen Region Wassermangel herrscht genießt Israel die Rolle des Pioniers bezüglich Meerwasseraufbereitung.
Das sind die guten Seiten – der Umweltschutz ist leider nicht so gut ausgebildet. Merkwürdigerweise hat man sich in Israel schon weitaus früher mit Umweltschutz beschäftigt als in Europa. Derzeit ist die Tendenz leider Steigend es zu vernachlässigen. Israel ist ein sehr „kompaktes“ Land mit sehr vielen verschiedenen Landschaften – es wäre schade vieles durch Faulheit den Müll zu trennen zu verlieren…
In Israel sind Tragesackerln gratis. Was sich nicht sehr positiv auf die Umwelt auswirkt...
Inzwischen erwacht das Bewusstsein glücklicherweise wieder – während bei uns die Winter feuchter und regnerischer werden kommt dieses Jahr auf Israel ein sehr trockener Winter zu, was für den Wasserstand des Landes kein Vorteil ist…
Auch auf den Bauernhöfen, auf denen ich gearbeitet habe war eine gewisse Sorge, wie es weitergehen würde, wenn auch in Zukunft wenig Regen fällt…
Bis dato ist die Situation noch nicht beängstigend, auf den vielen Märkten hier bietet man alles Mögliche feil. Meistens auch zu recht guten Preisen.
Besonders gerne erledige ich meine Besorgungen am Mahane Yehuda (Yehudamarkt?), der heute wieder wegen Überfüllung geschlossen ist – für manche bedeutet fasten an Yom Kippur, dass man den Schlag und die Kirsche beim Eis weglässt…
Wenn man auf diesem Markt flaniert darf man sich neben der großen Auswahl auch über das Gedränge freuen. Hin und wieder wuselt einem sogar der Fuß seines Nächsten im Gesicht herum (wie auch immer der das angestellt hat…).
Untermalt wird die volkstümliche Kulisse von einer anderen volkstümlichen Tradition: Dem Marktgeschreie der Marktschreier. Entkommen? Zwecklos.
Durch ständiges Trainieren haben sie es schließlich geschafft ihre Stimme nicht nur zu maximieren, sondern noch dazu zum absolut tödlichen Verkaufswerkzeug zu entwickeln. Subliminale Wörter in Filmen? Primitv!
Der Profi sagt (bzw. schreit) seinem Kunden, dass er einfach das Beste Angebot zum besten Preis hat – ob der Kunde will oder nicht… Und im Gegensatz zu unterschwelligen Botschaften zeigt der Ruf des Marktschreiers noch in 100m seine Wirkung…
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