Der folgende Text ist eine kleine Ergänzung für all diejenigen, die Ynsanter – Pfade des Feuers bereits gelesen haben, es gerade lesen oder vorhaben es zu lesen.
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YNSANTER
geschrieben von Annette Eickert
Die Vergangenheit
Es begann mit der Erschaffung Zantheras durch die große Göttin, die Schöpferin des Lebens und des Todes, jene, die Anfang und Ende von allem ist, jedoch niemals einen Namen hat. Sie gab einen Teil ihres Wesens hin und formte daraus die Erde. Ihr Atem war die Luft und ihre Freudentränen das Wasser. Das Feuer ihrer Hingabe hielt alles zusammen. Schließlich gab sie ihrer Schöpfung den Namen Zanthera. Glücklich über ihr Werk betrachtete sie es eine Weile und bemerkte, dass etwas fehlte. So erschuf sie die Pflanzen und die Tiere, damit sie auf der Welt wandelten. Doch dem nicht genug, erwachten die Wächter der Vergangenheit zum Leben. Kreaturen von Größe und Macht und mit keinem anderen Lebewesen vergleichbar. Im Auftrag der Göttin zogen sie durch die alte Welt, um zu schützen die Luft, das Wasser, die Erde und das Feuer. Ihre Körper bedeckten Schuppen und diese leuchteten so hell wie das hellste Sonnenlicht oder so finster wie der tiefste Schatten. Ihre Größe reichte an den höchsten Baum, auf ihrem Kopf saßen zwei Hörner und ihre Kraft war so mächtig wie das Feuer der Erschaffung, während ihre goldenen Augen ihren stolzen Charakter zeigten. Die Wächter waren die schönsten und gefährlichsten Geschöpfe, aber die Welt sollte nicht ihnen alleine gehören. Schließlich erweckte die Schöpferin die Seelen der Iyana zum Leben und schickte sie nach Zanthera, damit diese sie vollenden würden. Lange Zeit blieb es ruhig und friedlich. All ihre Geschöpfe wuchsen und gediehen und lebten Seite an Seite. Die Seelen vermehrten sich und erfüllten das Herz ihrer Schöpferin mit Stolz. Besonders eine Seele erregte die Aufmerksamkeit der großen Göttin. Sie hatte etwas an sich, das sich mit keinem Wort in irgendeiner Sprache beschreiben ließ. Viele Male stieg die Göttin zu dieser besonderen Seele herab und viele Male erfreute sie sich an seiner Gesellschaft. Schließlich wurde aus der Leidenschaft ihrer Liebe ein Kind geboren. Sein Haar war rot wie Blut und seine Augen hatten die Farbe des Goldes, es war ein Sohn und sie gaben ihm den Namen Zevenaar.
Die Göttin war voller Stolz in ihrem Herzen und ihr Sohn durfte auf der Welt wandeln, wie er wollte. Doch je älter er wurde, desto feuriger ward sein Wesen und auch umso unbeherrschter. Er liebte seine Mutter innig, doch sie erwiderte diese Gefühle nicht, denn sie hatte ihre ganze Liebe ihrer Schöpfung gegeben. In all seiner Wut stürzte sich Zevenaar in das Feuer der Erde, um dort in den glühenden Tiefen das Gefühl zu finden, das ihm seine Mutter nicht gab: die Liebe. Doch auch hier wurde er nicht fündig. Als er aus dem rot glühenden Blut von Zanthera auftauchte, da war sein Herz ebenso glühend vor Hass, wie das Feuer. Sie hatte ihm ihre Liebe verwehrt und dafür wendete er sich von ihr ab. Aus der Magie des Feuers und der Erde erzwang er ein Schwert, so mächtig und kraftvoll, das nur ein Gott es wahrhaftig zu führen vermochte. Zevenaar erschuf Ynsanter – das Schwert des Feuers – die Seele all seines Seins. Mit dieser Waffe trat er noch einmal seiner Mutter gegenüber, doch diesmal verlangte er einen Teil ihrer Schöpfung, als Ersatz für die verweigerte Herzenswärme. Die Göttin war verwirrt, sie verstand die Wandlung ihres Sohnes nicht, noch verstand sie sein Handeln, war doch ihre Schöpfung für alle da. Voller Verbitterung auf seine Mutter und dennoch voller Zuneigung zu ihr, hielt Zevenaar sein Schwert zurück. Er stürzte sich stattdessen auf ihre Schöpfung, auf Zanthera und schlug zu. Ynsanter spaltete die Erde und ein gigantischer Riss tat sich auf. Zevenaar belegte das Land daraufhin mit einem Fluch, damit sich der Spalt nicht eher schließen möge, bis seine Mutter ihn mit der gleichen Liebe umgab, wie sie es auch für ihre Schöpfung tat. Dieser Spalt, der aus Liebe und Hass geboren wurde, wird von allen Lebewesen seither auch Zevenaar, der Feuerspalt genannt. Der Göttersohn ließ Ynsanter zurück auf Erden und zog sich in die tiefsten Tiefen des Feuers von Zanthera zurück und wartet seitdem vergebens auf die Göttin, die Schöpferin des Lebens und des Todes. Doch etwas anderes tat sich auf der Welt. Die alten Wächter der Vergangenheit zogen sich zurück und die Seelen der Iyana wandelten weiterhin umher, bevölkerten das Land unter ihren Füßen. Sie erfreuten sich an der Schönheit, die ihnen geschenkt wurde. Sie liebten die grünen, weiten Felder, die endlosen Wälder und ein jedes Tier war ihr Freund.
Doch mit einem Mal kamen Fremde über das große Meer Ionnaá – die blauen Tiefen – und setzen ihre Füße auf die fruchtbare Erde des alten Volkes. Sie waren anders als die Iyana, vollkommen verschiedenartig. So beschloss das Volk der Göttin diese Neuankömmlinge in ihrer Heimat willkommen zu heißen, zum einen aus Neugier und um gleichzeitig die Göttin nicht zu erzürnen, die diese neue Rasse der Welt geschenkt hatte. Doch die Fremden, seither als Menschen bekannt, von der Göttin aus einem entfernten Land gesandt, waren nicht gekommen um Freundschaft zu schließen, sie kamen um zu erobern und das Land ihr Eigen zu nennen. Ohne Rücksicht und Gewissen griffen sie die friedlichen Iyana an und töteten viele von ihnen. Ängstlich flohen die Überlebenden in die Wälder im Norden und manche in die Tiefen der Berge, zu den feurigen Klüften des Südens. Doch die Menschen ließen sich davon nicht aufhalten und folgten jenen Wesen, die sie für schwächlich hielten. In ihrer Verzweiflung riefen die Iyana ihre Göttin um Hilfe. Doch sie sagte ihnen, dass sie sich zurückziehen sollten, da sie glaubte, die Menschen würden ihren Fehler einsehen. Aber auch hier irrte sich die Göttin. Unbeirrbar und beharrlich machten die Eindringlinge Jagd auf das Volk der Iyana. Jene, die sich in den Tiefen der Welt verbargen erinnerten sich jedoch an Zevenaar. In all ihrer Hoffnungslosigkeit riefen sie den mächtigen Herrn des Feuers um Hilfe. Aufgeweckt durch ihr Rufen kam der Sohn der Göttin aus den Untiefen der Welt und sah auf die jämmerlichen Iyana herab, die ihn gerufen hatten. Erst wollte er ihrem kläglichen Leben ein Ende bereiten, doch als ihm eine der Frauen – Lakisha – ewige Treue gelobte, da änderte sich seine Meinung. Er versprach den Iyana, dass sie ihre Welt zurück erhalten würden wenn sie seinem Weg folgten. Mit einem Kuss des Feuers gab er den Wesen der Göttin seine innere Kraft, die sie brauchten. Er brachte ihre Seelen zum brennen und erfüllte sie mit seiner Stärke und Macht. Zevenaar schenkte ihnen die Kräfte des Feuers und der Erde. Seither nannten sich die Überlebenden in den Bergen Raukarii. Sie ließen ihr früheres Leben hinter sich und wurden zu jenen Wesen vor denen sich die Menschen in Zukunft fürchten mussten, mit Haaren so rot wie das Feuer und Augen in der Farbe des glühenden Bernsteins. Tödlich und machtvoll wurden sie die Kinder des Gottes. Zevenaar nahm sich Lakisha – jene Frau, die ihm als erste die Treue geschworen hatte – zu seiner Gemahlin und gab ihr all das Wissen und die Kraft, um die Raukarii zu lehren und zu führen. Diese Welt sollte ihm und seinem Volk Eigentum werden, das war Zevenaars Wille. So begann der ewige Krieg der Raukarii gegen die Menschen.
Die überlebenden Iyana in den nördlichen Wäldern der Welt verbargen sich hinter dem höchsten Gebirge, Brin-Krian genannt. Ein Tor von gewaltiger Größe zeigt bis heute den Eingang nach Ianara, das Heim der letzten lebenden Geschöpfe der großen Göttin. Verborgen hinter dichten Bäumen und Zweigen verstecken sie sich seit damals dort und vermeiden den Umgang mit den Menschen und den Raukarii. Das Brin-Krian, auch die Geisterberge genannt, soll seit jeher von all den gefallenen Iyana bevölkert sein und sie halten die Tyrannen, die einst über die blauen Tiefen in ihr Land eingedrungen waren, zurück. So leben sie dort in Ruhe und Frieden und beten stets zu der großen Göttin, dass sich eines Tages Zanthera wandeln würde, damit das Land wieder frei sei. Die Iyana, die dort in prächtigen Städten und Siedlungen zu Hause sind, werden von den Menschen und Raukarii gleichermaßen einfach nur Feen genannt. Ihre Erscheinung gleicht in ihren Augen dem eines göttlichen Engels. Langes Haar, in schwarz und braun fällt ihnen über den Rücken, die Augen leuchten blau, grün oder violett und ihre Gestalt ist groß und schlank. Ein Volk, das im Einklang mit der Natur lebt.
Doch was die Raukarii und die Iyana vereint sind die tief verwurzelten Äste und Zweige ihres Seins, dem Baum des Lebens. Lange spitz zulaufende Ohren und eine außergewöhnlich starke Unbeugsamkeit, sowie ein Tausende Jahre währendes Leben zeichnen sie als willensstarke Geschöpfe Zantheras aus.
Seit jener Zeit leben die drei Völker getrennt voneinander. Die Raukarii, von den Feinden auch Düsteralben genannt, bewohnen den Süden hinter dem Feuerspalt, im Land Leven’rauka. Die Menschen in der Mitte des Festlandes, von seinen Bewohnern auch Teriman getauft, von wo aus sie versuchen sich immer weiter auszubreiten. Die Iyana leben im Norden hinter dem Brin-Krian, in den tiefen Wäldern von Ianara. Doch es wird eine Zeit kommen in der diese Grenzen nicht mehr gültig sein werden, denn ein neuer Krieg bedroht die Welt. Der letzte großer Anführer der Raukarii, Zakar genannt, ist vor vielen Jahrhunderten gegangen und hat das Schwert Ynsanter, das Zeichen der göttlichen Herrschaft auf Erden mit sich genommen. In der Hoffnung, dass nur der Stärkste seiner Art das Schwert an sich nehmen würde. Das Volk der Raukarii ist seither auf der Suche nach dem Schwert ihres Gottes und wenn sie es finden, dann wird ein neuer Krieg über die Welt hereinbrechen, einer der ihr Antlitz für immer verändern kann.
Neferrilion – Herr des Turms
© Annette Eickert