Die Praxis des Yamantaka hat eine lange und berühmte Tradition in der Dharma-Linie der Gelugpas. Doch auch in der Nyingma-Tradition und in der Kagyü-Tradition finden sich Praktiken, die auf Yamantaka basieren. In der Gelug-Tradition wird Yamantaka immer mit einem Büffelkopf und zwei oder mehreren Armen dargestellt. In der Nyingma-Tradition hat Yamantaka den üblichen Heruka-Kopf und auch mehrere Arme, die für seine Aktivitäten stehen.
Von Yamantaka (skt.; tib., Shinje Shed; gshin rje gshed) findet man drei Namensvariationen: 1) Yamantaka; 2) Vajrabhairava; und 3) Mahisasamvara. Als Yamantaka steht sein Name für „Yama“ – den Herrn der Unterwelt – und „Antaka“ – der Vernichtende. Hier bedeutet sein Name „Vernichter des Todesherrn“. Yamantaka wird als generell als zornvolle Manifestation des Manjushri angesehen und fungiert manchmal auch als Dharma-Schützer. Vajrabhairava besteht aus „Vajra“ und „Bhairava“, was soviel wie „Unzerstörbarer schrecklich Zornvoller“ heißt. Dies ist die bekannteste Erscheinungsform mit Büffelkopf und zwei oder vielen Armen. Dann gibt es noch den Mahisasamvara, was einen beschreibt, der auf dem Rücken eines Büffels sitzt. Diese Variation findet sich in Ostasien als zornvolle Manifestation von Manjushri oder Amitabha mit sechs Armen, Beinen und verschiedene Waffen haltend auf einem Wasserbüffel.
Weiters ist Yamantaka Beststandteil des Kagye-Mandalas[1] (tib., bka’ brgyad), wo er den erleuchteten Körper darstellt. Manchmal gibt es auch noch andere Erscheinungsformen von ihm in Gestalt des roten Yamari, des schwarzen Yamari und eben des bereits genannten Vajrabhairava. Er ist auch mit der Praxis des Vajrakilaya verbunden. Im Zyklus des Longchen Nyingthig findet er sich in der „Versammlung der Glorreichen“ (Palchen Düpa; tib., dpal chen dus pa) als derjenige, der „Yama, den Todesherrn unterwirft“. Generell erscheint Yamantaka im südlichen Quadranten des Vajrakila-Mandalas.
Entstehungsmythos
In seiner Entstehungsgeschichte manifestierte sich Manjushri – der Bodhisattva der Buddha-Weisheit – in dieser zornvollen Erscheinung, um Yama und sein Gefolge zu unterwerfen. Im Inneren des Weltenberges wogte ein Ozean und brannte ein Feuer, glühende Lava schoss aus seiner Spitze und der schwarze Todesherr Yama nährte sich vom Fleisch und Blut der Menschen. Yama saugte die Lebenskraft der Geschöpfe, sowie der Götter und Dämonen der Erscheinungswelt auf und machte sie zu Dienern und Sklaven. Da versammelten sich die Buddha der zehn Richtungen und drei Zeiten und ihr Weisheitsgeist erschien in Gestalt des Manjushri Yamantaka. Dieser besiegte den karmischen Todesherrn Yama, sein Gefolge wurde ebenfalls unterworfen und durch Eide als Schützern des Dharma – der befreienden Information – in die Pflicht genommen. Auf diese Weise wurden Yamaraja und sein Gefolge dann in die fünffache Weisheitsdimension von Körper, Rede, Geist, Eigenschaften und Aktivitäten aller Buddhas integriert.
Yamantaka – Besieger des Todesherrn
Interessant sind die Variationen, die sich im Terma bei Dudjom Lingpa finden. Dort gibt es neben einer schwarzen bzw. dunkelblauen Erscheinung auch eine gelbe Manifestation. Die Praxis selbst wurde von Padmasambhava für die Wesen in zukünftigen Zeiten des Niedergangs verborgen. Padmasambhava gibt darin ganz klare Anweisungen, wie diese Zeiten sich gestalten und welche Gegenmittel aus spiritueller Sicht hilfreich sind. So beschreibt er, dass in den Zeiten des Niedergangs die Ablenkungen überhand nehmen und nennt dies einen „Ort, wo die Sonne nicht existiert. Gesellschaft [Unterhaltung] ist ein Dieb. Ehre und Gewinn sind teuflische Begleitungen. Anmutige Freunde sind Verführer…“ Daher legt er einem ans Herz, bei den Schlüsselanweisungen zu bleiben und diese speziell für die Praxis einzuhalten.
Besonders schwierig ist die Zeit des Verfalls für jene, die „ihre Disziplin durch Nicht-Mantras und entstellte Mantras verletzt haben“, die „durch ihr hinterlistiges und tückisches Handeln gegenüber Frauen betrogen“ haben. Diese sieht er in den Abgrund stürzen und vom Baum der Erleuchtung abgeschnitten. Dann offenbart er weiter, dass dies die Zeit derjenigen ist, die durch das Terma des Yamantaka gezähmt werden sollen. Und er verspricht, dass „jene, die dies in der Praxis umsetzen, über die schädlichen Einflüsse siegreich sein werden und sich aus dem dunklen Hohlweg“ befreien werden.
Eine andere Linie des Yamantaka findet sich auch bei Ra Lotsawa. Er brachte die Vajrabhairava Linie des Yamantaka nach Tibet. Dieser ging von Tibet nach Indien um diese Lehren zu finden. Beim ersten Mal erhielt er vom Lehrer nur die Erlaubnis für ein Tantra. Nochmals zurück in Indien erbat er dann die eigentliche Lehre. Diese erforderte von ihm ein großes Vertrauen in den Guru, viele Opfergaben an die Dakas und Dakinis und andere kostbare Opferungen wie Gold und Edelsteine. Der Guru beschrieb ihm die Lehre des Yamantaka als das Herzblut der Dakinis. Viele Monate vergingen und Ra Lotsawa hatte es schwer, die Lehre zu finden, da die Inhaber des Tantras nicht wirklich daran interessiert waren, dass dieses Tantra so leicht verfügbar ist.
Zeitalter des Niedergangs
Im Allgemeinen gibt es im Zeitalter des Niedergangs fünf Arten des Verfalls: 1) Dauer des Lebens; 2) Zeit; 3) emotionale Störungen; 4) Ansichten; und 5) Erleben. Der Verfall der Lebensspanne zeigt sich im Abnehmen der Lebensdauer. Vielleicht fragen sich manche, wie sich das gerade in unserer heutigen Zeit äußert, da ja die Lebenserwartung doch zunimmt und auch die Bevölkerung auf der Erde in den letzten Jahrzehnten einen rasanten Anstieg verzeichnet hat. Nun ja, eine Zeitspanne von 100 Jahren ist nicht gerade lang, wenn man das aus der Dimension eines Zeitalters betrachtet. Somit ist das einfach für uns derzeit eine offene Frage des Beobachtungszeitraums.
Der Verfall der Zeit äußert sich im Abnehmen der Qualität der Dinge, wie beispielsweise, dass Nahrungsmittel weniger schmackhaft und nahrhaft sind, dass sie nicht wirklich reifen usw. Auch das vermehrte Auftreten von Kriegen und Hungersnöten ist ein Zeichen für den Niedergang der Zeit.
Der Niedergang durch emotionale Störungen zeigt sich in einer Abnahme der Tugenden der Haushälter, in negativen Gefühlskonflikten und Streitigkeiten. Die fünf Gifte – Gier, Hass, Arroganz, Missgunst und Dumpfheit – nehmen in einem Kaliyuga (skt., schwarzes bzw. dunkles Zeitalter) überhand und zu einer Quelle des Leidens. Etwas einfacher formuliert könnte man sagen, die Wesen im dunklen Zeitalter leiden an seelischen Qualen. Da die tugendhaften Taten der Haushälter abnehmen, mindern sich auch Großzügigkeit, Güte und Weisheit. Diese drei sind die Gegenmittel für die drei Gifte – Verblendung, Wunschverlangen und Abneigung. Somit handeln die Wesen unheilsam, wodurch sie mehr und mehr Verstrickungen und emotionale Verwicklungen erschaffen. Dieses Rad des Karma scheint sich im dunklen Zeitalter nicht zu erschöpfen.
Auf diese Weise werden auch die Ansichten der Wesen beeinträchtigt. Besonders zeigt sich das im Verfall der ordinierten Sangha. Falsche Sichtweisen wuchern in einem dunklen Zeitalter und die Wesen verlieren die Orientierung und das Vertrauen. Daher bedürfen die Wesen in solch einem Zeitalter sehr kraftvoller Methoden, um das vollständige Potential des Geistes zu realisieren.
Der Niedergang des Erlebens äußert sich im Verfall der körperlichen Gestalt, des Verstandes, der Gesundheit usw. Solche Merkmale der Degeneration findet man heutzutage in einer Zunahme an ernährungsbedingten Krankheiten und Störungen wie Fettleibigkeit, Diabetes, Zahn- und Gebissproblemen oder der Häufigkeit von Krebserkrankungen. Betrachtet man die Auswirkungen der industrialisierten Nahrungsmittelproduktion mit ihren Begleitumständen der Massentierhaltung, Saatgutpolitik, Überfischung, Verunreinigung von Boden und Wasser etc., erkennt man, dass ein Nahrungsmittelwohlstand in einem bestimmten Teil der Erde gleichzeitig auch mit viel Leid verbunden ist.
Guru Rinpoches Prophezeiungen
Padmasambhava beschreibt in seiner spirituellen Biografie, aufgezeichnet von Orgyen Lingpa, dass eine „Fülle an Rindfleisch die Billigung der dämlichen Meute“ haben wird. Weiters sagt er, dass die „Grenzen und das Zentrum im Krieg stehen wird, Mütter und Kinder werden nicht mehr gläubig sein. Statuen, Thangkas, Bücher und Stupas werden zerstört. Regen fällt unregelmäßig, Früchte reifen nicht. Tödliche ansteckende Krankheiten treten auf. Mit der Hungersnot wird die Zahl der unfruchtbaren Witwen und Witwern zunehmen. Jeder wird im eigenen Herzen skeptisch sein und Nachbarn werden sich untereinander bekämpfen...“ Ok, genug der Schauergeschichten. Er zählt noch einige ähnliche Sachen auf. Aber Padmasambhava offenbart auch, dass eine Inkarnation von Padma im Osten, dann an der südwestlichen Grenze und schließlich im Norden auftauchen. Und ganz am Ende des dunklen Zeitalter wird schließlich Maitreya, der Buddha der Liebe, erscheinen.
Zuvor aber offenbarte Guru Rinpoche noch, wie die spirituellen Schätze zu finden sind, wo sie verborgen wurden, welche Umstände beim Auffinden gegeben sein werden usw. Also besteht Hoffnung. Der Schatz des Yamantaka wurde von Dudjom Lingpa aufgefunden, nachdem es zuvor von der Dakini Yeshe Tsogyal als Silbe in seinem Geistesstrom eingepflanzt und zusätzlich Dorje Drag verborgen worden war. Diese Lehre war 15 Jahre lang mit einem Befehlssiegel versehen und durfte erst danach niedergeschrieben und verbreitet werden.
Vom 3. – 6. März 2016 gibt Lama Norbu Tsering Rinpoche die Übertragung in den Manjushri Yamantaka und den Vajrakilaya Namchag Putri aus dem Schatzzyklus des Dudjom Lingpa. Näheres im Veranstaltungsteil.
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[1] Die Kagye sind die acht Hauptgottheiten in der Nyingma-Tradition, das Padmasambhava und den acht indischen Vidyadharas anvertraut wurde. Das Kagye-Mandala besteht aus Yamantaka (Körper), Hayagriva (Rede), Yangdag Heruka (Geist), Chemchog Heruka (Qualitäten), Vajrakilaya (Aktivitäten) und den drei weltlichen Gottheiten Mamo Bötong, Jigten Chöto und Möpa Drag-ngag. Die Zentralfigur ist dabei Chemchog Heruka.