Wie sehr habe ich mir doch immer ein ordnungsliebendes Kind gewünscht. Kein Pedant, das natürlich nicht, aber ein Kind, das zu seinen Sachen Sorge trägt, nicht immer alles überall herumliegen lässt und sein Zimmer halbwegs in Ordnung hält. Meinem sehnlichen Wunsch wurde entsprochen, vor fünf Jahren wurde mir nach einer ziemlich kurzen Geburt ein ordnungsliebendes Kind in den Arm gelegt. Das wussten wir damals natürlich noch nicht, doch je älter das Kind wird, umso deutlicher tritt die Liebe zur Ordnung zutage. Wäre ich keine liebende Mutter, sondern eine psychologisch geschulte Fachfrau, müsste ich sagen, dass dieses Kind – gemeint ist übrigens das Prinzchen – einen ausgeprägten Hang zum Perfektionismus hat. Noch versuche ich, die Dinge schönzureden und das Ganze als Phase abzutun, doch allmählich beschleicht mich das Gefühl, ich hätte den Wunsch nach einem ordnungsliebenden Kind etwas zu oft geäussert.
Ich meine, es ist ja nett, wenn ein kleiner Mensch seine Schätze abends so versorgt, dass er sie am Morgen gleich wieder zur Hand hat, ohne lange nach Einzelteilen suchen zu müssen und Mama, Papa, Geschwister und Katzen des Diebstahls zu bezichtigen, weil er die Dinge nicht mehr finden kann. Aber muss denn gleich jedes winzige Teilchen an seinem Ort sein? Das Körpermodell, welches sich das Prinzchen zum Geburtstag gewünscht und auch bekommen hat, hätte die Nacht bestimmt auch ohne Leber, Herz und linken Lungenflügel überstanden. Es sollte doch wohl reichen, dass die Teile auf dem selben Tisch liegen, damit man sie morgens wieder einsetzen kann. Aber nein, das darf nicht sein. Erst als der arme Kerl mit dem offenen Bauch dank meiner Hilfe sein Herz wieder auf dem rechten Fleck hatte, war das Prinzchen zufrieden. Mit dem Körpermodell zumindest, danach mussten noch das Augenmodell und der Schädel wieder tadellos in Stand gesetzt sein, die Michel-Müsse musste den richtigen Platz am Kopfende von Prinzchens Bett finden, für die Legoschachtel musste der perfekte Ort her, ein Ort, wo sie nahtlos hineinpasst, der Arztkittel brauchte einen Kleiderbügel und… Irgendwann liess ich das Prinzchen alleine perfektionieren, denn im Wohnzimmer waren noch Gäste, mit denen ich mich zu gerne unterhalten hätte (währenddem ich Prinzchens Lego-Ambulanz zusammenbaute, damit diese auch noch an den richtigen Ort gestellt werden konnte). Noch lange nachdem ich unseren Jüngsten offiziell ins Bett gebracht hatte, hörte man ihn im dunklen Zimmer rumoren.
Heute Morgen musste alles für den Tag eingerichtet werden, ehe das Prinzchen in den Kindergarten gehen konnte. Also Legoschachtel ans Kopfende des Bettes, rotes Stethoskop in die Tasche, Müsse auf den Kopf, schwarzes Stethoskop auf den Tisch, Fiebermesser etwas weiter nach rechts… Alles perfekt eben, als stünde demnächst eine wichtige OP an. Ziemlich nervenaufreibend für eine Mutter, die ihr Kind abends rechtzeitig im Bett und morgens rechtzeitig im Kindergarten sehen möchte. Aber die Ordnung, das könnt ihr mir glauben, die Ordnung ist wirklich perfekt.